Buchcover: Stephen King – Die Arena
Stephen King
reloaded
Titel Die Arena
(Under the Dome)
Autor Stephen King, USA 2009
aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner
Verlag Heyne
Ausgabe Gebunden, 1277 Seiten
Genre Drama
Website stephenking.com
Inhalt

Chesters Mill ist binnen Sekundenbrchteilen von der Außenwelt abgeschnitten. Über die Kleinestadt im US-Bundesstaat Maine hat sich ein kuppelförmiges Kraftfeld gelegt – entlang der Gemeindegrenze. Flugzeuge zerschellen daran und fallen als brennende Trümmer vom Himmel, einer Gärtnerin wird beim Herabsausen der Kuppel die Hand abgehauen, Tiere werden zweigeteilt, Menschen, die gerade in Nachbarorten unterwegs sind, werden von ihren Familien getrennt. Es ist allen ein Rätsel, worum es sich bei dieser unsichtbaren Wand handelt, wo sie herkommt und wann – falls überhaupt – sie wieder verschwindet.

In der kleinen Stadt macht sich Verzweiflung breit – nur einer freut sich heimlich. Der Gebrauchtwagenhändler James Rennie, genannt „Big Jim“, der als zweiter Stadtverordneter der Mann ist, der im Hintergrund die Fäden in der Stadt zieht. Für ihn bedeutet die Kuppel Macht. Uneingeschränkte Macht. Den ersten Stadtverordneten, eigentlich sein Chef, hat er ebenso in der Tasche, wie die meisten Bürger, denen er hier mit Geld, da mit Gefälligkeiten aus der ein oder anderen Patsche geholfen hat. Jetzt ist da die Kuppel. Niemand kann seinem Einfluss entkommen. Und jetzt fordert Big Jim Rennie Gefolgschaft ein.

Nachdem schon am ersten Kuppeltag der Polizeichef der kleinen Stadt, der gegen Rennie wegen groß angelegter Drogendeals heimlich ermittelt hatte, an der Kuppel stirbt, weil sein Herzschrittmacher explodiert, baut Rennie mit dem stellvertretenden Polizeichef, dem willfährigen Peter Randolph, eine Miliz auf, bestehend aus jungen, halbstarken Kerlen, deren Alltag aus Auto, Alkohol und schlüpfrigen Witzen besteht. An deren Spitze steht Junior Rennie, der verhaltensgestörte Sohn Big Jims, den gräßliche Kopfschmerzen plagen und der gerade die Freundin eines Saufkumpanen totgeprügelt und seither mehrfach missbraucht hat; man kann nicht anders, als zu behaupten: Auch Junior Rennie kam die Kuppel gerade recht.

Nicht alle sind Rennie-Fans. Es bildet sich ein zweites Lager. Auf der anderen Seite stehen die Herausgeberin und Chefredakteurin der örtlichen Zeitung, der Inhaber eines Supermarktes, die Besitzerin der beliebtesten Kneipe in Chester Mills sowie einige Teenager, die das Ganze als großes Abenteuer sehen. Noch. Sie alle gruppieren sich um den Koch Dale Barbara, einen Irak-Veteranen, der die Stadt gerade verlassen wollte, als die Kuppel auf die Stadt hernieder kam. Ihn hat der Krisenstab in Washington dazu auserkoren, die Führung in der Stadt zu übernehmen, für Ordnung zu sorgen, während von außen versucht werden soll, die Kuppel zu durchbrechen. Big Jim gefällt das gar nicht.

Und während die Streitkräfte Cruise Missiles gegen die Kuppel einsetzen und verzweifelt deren Scheitern notieren, beginnt unter der Kuppel binnen 48 Stunden ein blutiger Machtkampf, der jede Menge Tote fordert …

Was zu sagen wäre
Die Arena

König King is back! Als Journalist habe ich gelernt, abgenutzte Formulierungen im Giftschrank zu lassen. Aber hier passt eine. Sie heißt: „Stephen King reloaded“. Hurra, dieser 1277-Seiten-Wälzer steht in der Tradition von „es“ oder „In einer kleinen Stadt“. Die Idee dazu hatte King schon 1976. Da stand er am Anfang seiner Karriere, hatte erst Carrie und "Brennen muss Salem" veröffentlicht. Damals trug dieses Werk den Arbeitstitel „The Cannibals“ und verebbte nach zwei Kapiteln. Zwischen damals und seinen jüngeren Werken steht die Karriere des Stephen K., während der er seine Stories weiterentwickelte, seine Haltung änderte, seinen Blickwinkel schärfte. In den 1990er Jahren stand meist die Frau als vom Mann geschundenes Wesen im Mittelpunkt seiner Geschichten – sie waren einsam, verwitwet oder sonstwie verlassen und immer tauchten auch ein paar King'sche Geister auf; selten begab er sich noch auf die Spuren seiner frühen Erfolge. Duddits oder Der Buick gerieten zu müden Widerkäuern – offenbar hatte der Meister seinen Pfad verlassen, auf dem diese Art der Stories liegen.

King seziert den Kosmos „Kleinstadt“

Unschlagbar war er immer, wenn er den Kosmos „Kleinstadt“ sezierte. Mich hat nie sein übersinnlicher Horror begeistert. Oh, nicht, dass er nicht auch sowas drauf hat zu erzählen – „Christine“, Carrie, auch „Cujo“ sind voll des Übernatürlichen, aber eben auch bevölkert mit Säufern, Halbstarken, Verlorenen, Anständigen, Schwächlingen, Hurenböcken; in deren Beschreibung hat es King zu einiger Mesterschaft gebracht. Diese Figuren machen seine Romane stark. Am Ende sind es dann immer die Teenager, die den Durchblick behalten. Das ist auch in „Under the Dome“ nicht anders. Kein Wunder, wie gesagt: Die Idee stammt im Kern aus dem Jahr 1976. Und dass Steven Spielberg die Filmrechte gekauft hat und eine Miniserie daraus gemacht hat („Under the Dome“ – 2013), ist – in meinem Spielberg-&-King-geprägten – Kosmos auch nur folgerichtig.

Was diesen Roman über vergleichbare Geschichten aus dem Genre hebt, ist nicht nur, dass King seine Figuren ernst nimmt und keine Scheu hat, vermeindliche Hauptfiguren nach wenigen hundert Seiten abtreten zu lassen. Es ist auch der Ernst, den er seinem Dome widmet. Die Kuppel ist nicht einfach unsichtbar, aber tödlich (wer mit seinem Truck dagegen rast, wird die Schwerkraft der Masse ein letztes Mal erleben). Da, wo eine Lenkrakete einschlägt, bleibt ein scharzer Rauchfleck. Ebenso da, wo zu Beginn der Schulungsflug der Gattin des ersten Stadtverordneten feurig endet. Die Luft unter der halbwegs luftdurchlässigen Kuppel wird schlechter. Dunstige Schlieren wie in einem ungelüfteten Zimmer überziehen die … Schicht. Im ersten Drittel der Geschichte heißt es einmal, dass man Holzfeuer eher vermeiden sollte. Geübte Leser ahnen, was also irgendwann später bestimmt eine Rolle spelen wird.

Hohes Erzähltempo

In seinem Vorwort – das dieses Mal ein Nachwort ist, erzählt King, er habe sich bemüht, beim Schreiben „mit dem Fuß auf dem Gaspedal zu bleiben“. Das ist ihm gelungen. „Under the Dome“ kommt ohne langwierige Story-Brücken aus, jedes Kapitel treibt die Handlung voran oder vertieft Charaktere – und jeden von ihnen hat der Leser schnell im Kopf abrufbereit. King ist ein Meister, wenn es darum geht, einer Figur klare, unverwechselbare Merkmale zu verpassen – seine Dramatis Personae im Anhang sind hilfreich, aber nicht wirklich nötig.

Es ist zu schade, dass nach 1277 Seiten Schluss war. Ich vermisse Chesters Mill, ich vermisse Dale Barbara, Julia Shumway, die Zeitungsfrau, die smarten Skateboard-Teenager Joe, Dale und Norrie. Wie beinahe jeder Roman gliedert sich auch „Under the Dome“ wieder in das spezifische King-Universum ein:

  • Chester's Mill liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zweier Städte, die bereits vorher Schauplätze von King-Werken waren: Castle Rock und Tarker's Mills.
  • Wie auch das Monster aus „es“ und die Wesen aus der Novelle „N.“ (aus der Sammlung „Sunset“) sind die Urheber der Kuppel Außenseiter; ein King-Fans bekanntes Symbol findet sich sowohl am Eingang zum Bau des Ungeheuers als auch auf der Box, welche die Kuppel erzeugt.
  • In der Kurzgeschichte "N." schreibt Julia Shumway den Artikel über den Selbstmord der Bonsaint-Geschwister.
  • Ein Internet-User bezeichnet die Kuppel als gescheitertes Armee-Experiment und zitiert dazu den King-Film „Der Nebel – The Mist“.

Ich habe „Die Arena“ gelesen von Sonntag, 19. Dezember 2010 bis Donnerstag, 13. Januar 2011.