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Plakatmotiv: Einfach mal was Schönes (2022)

Ein genauer, komischer, dramatischer
Blick auf unsere verzerrte Lebensplanung

Titel Einfach mal was Schönes
Drehbuch Monika Fäßler & Tim Hebborn & Karoline Herfurth
Regie Karoline Herfurth, Deutschland 2022
Darsteller

Karoline Herfurth, Nora Tschirner, Milena Tscharntke, Ulrike Kriener, Aaron Altaras, Jasmin Shakeri, Herbert Knaup, Kathrin Angerer, Linus Bade, Raphael Rubino, Franziska von Harsdorf, Paul Walther, Morten Böhne, David Müntz, Elisea Santamaria, Marc Ben Puch, Pierre Sanoussi-Bliss, Inga Dietrich, Elzemarieke de Vos, Carolin Karnuth, Jessica Linde-Steiner, Charlotte Irene Thompson, Nico Stank, Frederic Linkemann, Katrin Steinke, Eva Medusa Gühne, Lamin Leroy Gibba, Johannes Ahn, Carolin Karnuth u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 116 Minuten
Deutschlandstart
17. November 2022
Inhalt

Karla ist 39, Radiomoderatorin und mal wieder Single. Sie sehnt sich danach, ein Kind zu bekommen, doch unter Zeitdruck einen passenden Partner zu finden, ist gar nicht so leicht. Also beschließt sie, sich ihren Kinderwunsch selbst zu erfüllen.

Und plötzlich haben alle eine Meinung, die Eltern, die Geschwister, die Freunde, und das, obwohl alle in ihren eigenen komplizierten Lebensentwürfen feststecken.
Nur ihre beste Freundin Senay steht ihr mit Rat und Tat und den richtigen Fragen zur Seite. Dann mischt sich auch noch das Schicksal ein, als Karla ausgerechnet jetzt auf den viel zu jungen Ole trifft, der so gar nicht in ihre Zukunftspläne passt …

Was zu sagen wäre

Die deutsche Kinokomödie hat doch einen ganz schön langen Weg zurückgelegt. In "Einfach mal Schönes" ist die Hauptfigur eine Radiomoderatorin. Da liegt die Erinnerung für die Älteren im Publikum an die deutsche Kinokomödie Stadtgespräch von Rainer Kaufmann aus dem Jahre 1995 auf der Hand, mit Katja Riemann in der Rolle einer Radiomoderatorin. Hier enden die Parallelen zum vorliegenden Film auch schon. Aber zwischen beiden Filmen liegen 27 Jahre. Ein Film wie "Stadtgespräch" würde heute nicht mal mehr für den Vorabend gedreht und ein Film wie "Einfach mal was Schönes" wäre damals gar nicht zustande gekommen, weil ihn keiner finanziert hätte.

Karoline Herfurth sitzt nach Wunderschön (2022), "Sweethearts" (2019) und SMS für Dich (2016) zum vierten Mal auf dem Regiestuhl und hat die deutsche Kinokomödie – oder das, was die Amerikaner "RomCom" für Romantic Comedy nennen – in dieser Zeit auf den Kopf gestellt. Und wieder auf die Füße. Frauen stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Drei Schwestern, eine Mutter und eine beste Freundin. Männer finden mit einer Ausnahme am Rande statt und haben nur wenige Dialogzeilen.

Die erwähnte eine Ausnahme ist ein 28-jähriger Krankenpfleger, der sich in Karla verknallt hat, die elf Jahre älter ist als er. An Karlas Unglück ist er unbeteiligt, daran schuld waren alle Männer vorher. Karla wollte immer Kinder, die Männer „jetzt noch nicht“. Jetzt ist sie 39 und aus dem Kinderkriegen-Alter bald raus. Warum Karla Kinder haben will, wird nie ganz klar. Ihre ältere Schwester hat drei und deren Ehe mit Simon ist alles andere als glücklich. Ihre jüngere Schwester steht vor der Hochzeit mit einer erfolgreichen Fußballerin und denkt nicht an Kinder, sondern nur an die perfekte Traumhochzeit. Ihre Eltern sind geschieden, der Vater gerade neu verheiratet, die drei Töchter haben die Eltern augenscheinlich nicht glücklich gemacht. Es dauert lange, bis Karla erkennt, dass solche von Kindesbeinen an anerzogenen Regeln zum Glücklichsein nicht funktionieren. Wie Karla das herausfindet, ist die Geschichte, die der Film erzählt. Es ist bezaubernd, wie Herfurth das mal komisch, mal anrührend, mal dramatisch erzählt und mal auch die ganze Hilflosigkeit der Hauptfigur ausstellt – sie aber nie vorführt. Die neue deutsche Kinokomödie ist nämlich gleichzeitig ein Drama, so wie das Leben, sobald Beziehungen und andere Menschen Einlass finden, mal Komödie und mal Drama ist.

Hinter der Hauptgeschichte um Karla und den jungen Ole, die doch nur elf Jahre trennen, tut sich ein großes Familiendrama auf mit Ulrike Kriener im Fokus (Willkommen bei den Hartmanns – 2016; Elementarteilchen – 2006; Der Fischer und seine Frau – 2005; Erleuchtung garantiert – 1999; Herr Ober! – 1992; Paradies – 1986; Männer – 1985). Sie spielt die geschiedene Mutter von Karla, die mit der Scheidung nicht klar gekommen ist und damit, dass ihr Ex nun wieder und auch eine Jüngere geheiratet hat, auch nicht. Dass ein Altersunterschied von elf Jahren zwischen älterem Mann und jüngerer Frau im US-Kino bis in die 1990er Jahre gang und gäbe war, er meistens sogar eher 20 Jahre aufwärts betrug, ist heute beinahe verdrängt. Es gab den auch nur mit dem älteren Mann, nicht etwa einer älteren Frau, denn, wie uns Herfurth erinnert, nur bei Frauen tickt die biologische Uhr – US-Schauspieler Al Pacino zum Beispiel wird mit 83 Jahren gerade nochmal Vater; seine Freundin ist Ende 20. Kriener legt eine große Vorstellung hin, macht aus der Nebenrolle einer einsamen Frau, die sich mit Mindestpegel 0,8 Promille das Leben aus der Erinnerung trinkt und genauso wenig einen alltagstauglichen Plan fürs Leben hatte wie jetzt Tochter Karla, eine heimliche Hauptrolle.

Karoline Herfurths "Einfach mal was Schönes" ist ein Loblied auf den sozialen Mittelfinger gegen die Frage, was die Nachbarn sagen könnten. Da ist die Liebesgeschichte, die den Film zusammenhält, am wenigsten ausgefeilt, ein bisschen nach Setzkasten zusammengebaut, damit wenigstens sie am Ende aufgeht, denn andere Probleme lässt Herfurth knochentrocken unerledigt, die sich dann eben nicht in letzter Sekunde – gerne mit Gerenne am Flughafen – in Wohlgefallen auflösen; da bleibt eine Ehe im Eimer, eine Frau betrunken am Boden und Lösungen für die großen Fragen der Menschheit unbeantwortet. Heirat, Kind, Familie scheinen nicht mehr zeitgemäß. Bis wir neue Ziele finden, bietet Herfurth mit ihrem Film an, einfach mal was Schönes zu probieren.

Wertung: 7 von 8 €uro
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