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Plakatmotiv: Zeit der Zärtlichkeit (1983)

Ein Film über das Leben
aus der Sicht der Frauen

Titel Zeit der Zärtlichkeit
(Terms of Endearment)
Drehbuch James L. Brooks
nach dem gleichnamigen Roman von Larry McMurtry
Regie James L. Brooks, USA 1983
Darsteller
Shirley MacLaine, Debra Winger, Jack Nicholson, Danny DeVito, Jeff Daniels, John Lithgow, Lisa Hart Carroll, Betty King, Huckleberry Fox, Troy Bishop, Shane Serwin, Megan Morris, Tara Yeakey, Norman Bennett, Jennifer Josey u.a.
Genre Komödie, Drama
Filmlänge 132 Minuten
Deutschlandstart
6. April 1984
Inhalt

Aurora ist eine eigenwillige Frau, die sich nicht von ihrer Tochter Emma lösen kann, zu der sie eine ungewöhnlich innige Beziehung hat. Emma hat es schwer, sich neben ihrer dominanten Mutter zu behaupten. Immer auf Würde und Ehre achtend, hat die Witwe seit dem Verlust von Emmas Vater mehrere Heiratsanträge zurückgewiesen, um sich ihrer Tochter zu widmen.

Als Emma ein eigenes Leben führen will und gegen den Willen ihrer Mutter den jungen Dozenten Flap heiratet, den Aurora hasst, ist die Witwe plötzlich alleine. Das Paar zieht von Houston nach Des Moines, Iowa, Emma bringt drei Kinder zur Welt und Aurora ist über ihre Großmutterrolle gar nicht glücklich.

Sie lässt sich auf eine Affäre mit ihrem Nachbarn und Freund Garrett ein. Der Lebemann und ehemalige Astronaut hilft Aurora, ihre veralteten Ansichten aufzugeben und zu ihren Gefühlen zu stehen. Während Aurora ihr Glück genießt, trennt sich Emma von ihrem untreuen Ehemann …

Was zu sagen wäre

Dies ist die Geschichte dreier Frauen, die irgendwann in den 50ern beginnt und irgendwann in den 80ern endet. Mutter Aurora, Tochter Emma und Patsy, die beste Freundin der Tochter. Die Männer dieser Frauen finden kaum statt. Auroras Ehemann nölt aus dem Off, wenn sie zum dritten Mal am Abend ängstlich nach dem friedlich schlafenden Kleinkind Emma schaut. Einen Bildschnitt später ist er schon zu Grabe getragen. Dass Patsy einen Ehemann hatte, erfahren wir nur, weil sie einen Satz mit „Nach unserer Scheidung …“ beginnt. Den Mann, den wir näher kennenlernen, ist der von Emma, Flap, der junge Hochschuldozent. Und da beginnen wir zu verstehen, dass es womöglich gar nicht lohnt, die anderen Männer zu kennen, denn betrachtet man die Welt, so wie es dieser Film tut, aus der Sicht der Frauen, sind Männer – mindestens – anstrengend.

Um Aurora, die Witwe, scharwenzeln zwei Nachbarn, die ihr Komplimente machen, Blumen schenken, noch ein paar Komplimente machen und darauf hoffen, dass sie einsieht, dass auch sie „biologische Gefühle“ habe. Aber Aurora, von Shirley MacLaine beeindruckend als anstrengende Person gespielt ("Willkommen, Mr. Chance" – 1979; Ein Fressen für die Geier – 1970; Siebenmal lockt das Weib – 1967; Immer mit einem anderen – 1964; Das Mädchen Irma la Douce – 1963; Infam – 1961; Das Appartement – 1960; Immer Ärger mit Harry – 1955), herrisch, dominant, zickig und gar nicht glücklich, wenn sich das Leben nicht um sie dreht, verguckt sich in einen echten Kerl, in einen Trinker, der mal Astronaut war und mit dieser Masche reihenweise Mädchen ins Bett holt, die halb so alt sind wie er. Plakatmotiv: Zeit der Zärtlichkeit (1983) Garrett, der Astronaut, ist der andere Mann, den wir im Film kennenlernen dürfen. Er ist das Gegenteil von Flap, dem sanften, der versucht, alles richtig zu machen, der aber auch davon ausgeht, dass er nun mal rund um die Uhr sich nicht um die Kinder kümmern kann, weil er ja arbeitet, während seine Frau doch viel besser mit den Kindern auskommt.

Als das Drama schon weit fortgeschritten, Flap des Seitensprungs überführt ist, fährt Emma alleine nach New York. Flap soll in der Zwischenzeit die Kinder, seine Kinder versorgen. Flap sagt, „aber ich dachte, ich meine, solange Patsy und Aurora da sind, könnten doch sie … ich meine …“. Garrett der Astronaut, ist da ganz anders. Jack Nicholson spielt ihn mit genüsslich gefletschter oberer Zahnreihe und spitzer Augenbraue (Wenn der Postmann zweimal klingelt – 1981; Shining – 1980; Duell am Missouri – 1976; Einer flog über das Kuckucksnest – 1975; Chinatown – 1974; Die Kunst zu lieben – 1971; Easy Rider – 1969; Psych-Out – 1968; Der Rabe – Duell der Zauberer – 1963; Kleiner Laden voller Schrecken – 1960). Nicholsons Garrett macht keinen Hehl aus seiner Art des sozialen Miteinanders, „jeder arbeitet doch mit dem, was er hat“, sagt er vor der Angeberwand mit lauter Astronauten- und Raketenfotos in seiner großen Küche. Als Emma mit den drei kleinen Kindern aus Des Moines nach Houston zu Aurora zurückkehrt, macht Garrett für alle wenig überraschend die Biege.

Flap bekommt es bis zum Ende nicht hin, einmal klar über seine Gefühle zu sprechen. Dass er Emma eigentlich längst auch im Kopf verlassen hat, erfährt sie von dessen neuer Freundin, die erklärt, sie und Flap hätten alles besprochen, aber sie wolle Flap da nicht vorgreifen. Als Emma ihn also fragt, was da alles besprochen worden sei, erkundigt er sich nach der kleinen Tochter, die gerade krank ist; das findet er viel wichtiger. Als frischer Twen männlichen Geschlechts, der ich bin, als ich den Film im Kino sehe, ist es schwierig, diesem Flap positiv gegenüberzutreten. Und da sei der Fairness halber darauf hingewiesen, dass auch Emma ihr aushäusiges Verhältnis hat, welches sie aber elegant in ihren Alltag zwischen den Kindern integriert. Während Flap lügt, er sei nachts in der Bücherei eingeschlafen oder er habe länger arbeiten müssen. Die Perspektive des Films: Er lügt und hat ein Verhältnis, sie reagiert aus Einsamkeit mit einem die Familienroutine nicht störenden Verhältnis; mit einem Bankmitarbeiter, den John Lithgow herrlich am Klischee vorbei als freundlichen Langeweiler spielt (Unheimliche Schattenlichter – 1983; Garp und wie er die Welt sah – 1982; Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren – 1981; Schwarzer Engel – 1976).

Das Leben ist unruhiges Fahrwasser, wird im Kino aber im allgemeinen aus der männlichen Sicht geschildert. Der Ansatz, die Frauen in den Mittelpunkt dieses unruhigen Fahrwassers zu stellen, ist erfrischend und weitet den Blick. Dass da nicht jedes Problem in die Tiefe verfolgt wird, sondern durch große Zeitsprünge zu einer alles in allem ertragbaren Oberfläche relativiert wird, kann man dem Film als oberflächlich ankreiden. Der erzählte Zeitraum von 30 Jahren weitet aber auch den Blick auf die allgemeingültige Erkenntnis, dass es beschissene Zeiten gibt, gute Zeiten, Zeiten, da willst Du am liebsten alle, Dich eingeschlossen umbringen, aber: Das Leben geht weiter!

"Terms of Endearment" ist ein manchmal den Kitsch schrammender, hier und da klischeetriefender Film mit großartigen Schauspielern.

Wertung: 5 von 9 D-Mark
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