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Plakatmotiv: Kirschblüten & Dämonen (2019)

Doris Dörrie schließt mit Japan ab

Titel Kirschblüten & Dämonen
Drehbuch Doris Dörrie
Regie Doris Dörrie, Deutschland 2019
Darsteller

Golo Euler, Aya Irizuki, Hannelore Elsner, Elmar Wepper, Felix Eitner, Floriane Daniel, Maximilian Ehrenreich, Birgit Minichmayr, Sophie Rogall, Kirin Kiki, Carlotta Rupp, Lotanna Ogbughalu, Chloé Marie Mischek, Corinna Binzer, Katja Bürkle, Sissy Höfferer, Lorna Ishema, Florian Fischer u.a.

Genre Drama
Filmlänge 115 Minuten
Deutschlandstart
7. März 2019
Inhalt

Zehn Jahre nach dem Tod von Rudi und Trudi steht ihr jüngster Sohn Karl vor den Trümmern seines Lebens: Er trinkt, hat seinen Job verloren und lebt getrennt von Frau und Kind. Seine schwarzen Dämonen lassen sich bloß mit Alkohol besänftigen.
Karl weiß nicht mehr, wer er ist. Wie eine Halluzination taucht plötzlich Yu auf, unfassbar und geheimnisumwoben. Yu erscheint wie eine Andeutung aus einer vergangenen Welt und hebt das Leben von Karl aus den Angeln …

Was zu sagen wäre

Doris Dörrie kehrt zur Familie Angermeier zurück und schließt mit ihrem Japan-Zyklus ab. Vorerst jedenfalls. Ihre Faszination für Japan hat Dörrie wohl erkannt, als sie Mitte der 1980er Jahre dort ihren Spielfilm "Mitten ins Herz" (1983) vorstellte. Seit Erleuchtung garantiert (1999) hat sie dann mehrfach den gestressten deutschen Wohlstandbürger in die Arme japanischer Geister geschickt, aus denen er entspannt heimkehrte. Oder tot, so wie Rudi Angermeier vor elf Jahren, aber da konnten die Geister nichts dafür; Rudi war einfach schon schwer krank. Dennoch war er am Ende erlöst. Ebenso wie zuvor Gustav und Uwe und später auch Marie, die in Fukushima zwar nicht an Mönchen, aber an den strengen Teeriten japanischer Geishas reift.

Nachdem in Kirschblüten – Hanami vor elf Jahren also Rudi nach Tokio flog und Erlösung fand, kommen nun die Geister aus Japan ins bayerische Schongau, um Karl, den jüngsten der Familie zu erlösen. Karl ist der, der im Vorgänger als gestresster 24/7-Zahlenmensch durch Tokio hetzt und überhaupt keine Zeit für seinen Vater hatte. Beider Verhältnis war ebenso abgekühlt, wie das zwischen Vater und den beiden anderen erwachsenen Kindern in Berlin, also dachten wir uns nichts weiter dabei. Jetzt, elf Jahre später, stellt sich Vater Rudi als böser Despot heraus, der seinen Jüngsten ununterbrochen kujonierte, einen echten Mann aus ihm machen wollte, während seine beiden älteren Geschwister ihn regelmäßig verprügelten. Tatsächlich ist Karl heute ein psychisches Wrack, säuft, hat seinen Job verloren und darf seine kleine Tochter, die bei der geschiedenen Frau lebt, nur sehen, wenn er vorher einen Alkoholtest gemacht hat. Der Kontakt zu den Geschwistern ist in Streit auseinander gebrochen – der Bruder ist aus Berlin zurück ins Bayerische, wo er als Rechtspopulist bei der "AfP" Karriere macht, die Schwester hat weiter ihren Laden in Berlin und  mit der Familie gar nichts mehr am Hut.

Yu, die junge Butoh-Tänzerin, die Vater Rudi einst zum Mount Fuji begleitete, taucht unvermittelt auf und macht sich unverhohlen an Karl ran; aber der kann nicht, kämpft mit Dämonen, die plötzlich am Tisch sitzen und außer ihm natürlich niemand sieht. Nur Yu und die versucht, den Dämon in ein Gespräch zu verwickeln, was misslingt und Karl tiefer in die Verzweiflung treibt. Nacht für Nacht liegt er neben Yu und fühlt sich „nicht als richtiger Mann“. Auch die Eltern Trudi und Rudi tauchen auf. Er macht ihm Vorwürfe. Sie schmeichelt ihm und deutet an, mit Depressionen im Krankenhaus gewesen zu sein, als er noch ein kleiner Junge war.

Nach Hanami waren eigentlich keine Fragen zur Familie Angermeier offen. Zumindest keine drängenden. Im Laufe des zweiten Films kann man natürlich sagen: Okay, das ist interessant. Das erklärt, warum Karl damals so und die Geschwister so … aber es hilft dem Kinobesucher nicht. Wir erleben einen geisterhaften Film, der auf mehreren Zeitebenen und in der Geisterwelt spielt, in der ein Mann sich neu erfinden muss. Er ist die zeitgenössische Ausgabe jener Mittelstand-gestressten Männer, die Doris Dörrie seit "Männer" immer wieder portraitiert (Grüße aus Fukushima – 2016; Alles inklusive – 2014; "Glück" – 2012; Die Friseuse – 2010; Kirschblüten – Hanami – 2008; Der Fischer und seine Frau – 2005; Nackt – 2002; Erleuchtung garantiert – 1999; ¿Bin ich schön? – 1998; "Keiner liebt mich" – 1994; Happy Birthday, Türke! – 1992; Paradies – 1986; Männer – 1985; "Mitten ins Herz" – 1983) – die mittlerweile aber auch von gehobenen TV-Filmen immer wieder untersucht worden und also raumgreifend markiert, diskutiert und positioniert sind.

Karl ist also keine überraschende Figur, außer, dass es hier eben nicht plötzliche Mittellosigkeit, plötzliche Vaterschaft oder dergleichen ist, die ihn erlöst, sondern japanische Mystik, die ihn auf den rechten Weg zurückbringen soll; der er sich schließlich verweigert: „Ich will leben!“, ruft er dem Geist hinterher. „Endlich leben!“ Und so zieht der Geist allein von dannen zurück in seine Mystik. Und Karl zurück in die westliche Welt. Der Erkenntnisgewinn nach diesem Film ist für die Familie Angermeier größer als für den Zuschauer.

Wertung: 3 von 8 €uro
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