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Plakatmotiv: Happy Birthday, Türke (1992)

Ein graublauer Blick
in eine Parallelwelt

Titel Happy Birthday, Türke!
Drehbuch Doris Dörrie
nach dem gleichnamigen Roman von Jakob Arjouni
Regie Doris Dörrie, Deutschland 1992
Darsteller

Hansa Czypionka, Özay Fecht, Meret Becker, Doris Kunstmann, Lambert Hamel, Joachim Król, Nina Petri, Christian Schneller, Ömer Simsek, Ulrich Wesselmann, Richard Beek, Emin Boztepe, Siir Eloglu, Ben Engel, Dagmar Franz, Michael Hanemann, Michael Hannemann, Christiane Huth u.a.

Genre Krimi
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
9. Januar 1992
Inhalt

Der türkischstämmige Privatdetektiv Kemal Kayankaya bekommt Besuch von Ilter Hamul. Diese beauftragt ihn, den Mörder ihres Mannes Ahmed zu finden. Zur deutschen Polizei hat sie kein Vertrauen mehr.

Bei seinen Ermittlungen in der Familie seiner Klientin Ilter kommt er dahinter, dass Ahmeds verstorbener Schwiegervater Yasif Hamul ihn in die Drogenszene gebracht hatte. Zusammen dealten sie mit Drogen. Ahmed brachte auch Ilters Schwester Ayşe auf Drogen.

Schließlich entdeckt er Ahmed im Bahnhofsviertel. Aber Ahmed kann ihm entwischen. Wenig später liegt er ihn tot auf der Straße. Als Kayankaya nach dem Mordmotiv forscht, trifft er auf Ahmeds Geliebte, die Prostituierte Hanna Hecht. Doch die gibt sich verschlossen. Erst als er Hanna mit Waffengewalt unter Druck setzt, erfährt er, dass auch sie von dem Gespann Ahmed/Yasif mit Drogen versorgt wurde und sie deshalb eine Affäre mit Yasif hatte. Bei seinen Ermittlungen hilft Kemal der pensionierte Kommissar Theobald Löff.

Kemal findet heraus, dass der Drogenhandel aus dem Polizeirevier Frankfurt aus gesteuert wird …

Was zu sagen wäre

Kein schöner Land in Frankfurt am Main. Nach ihren Ausflügen in den internationalen Film ("Ich und Er") ist Doris Dörrie in der Bankenstadt am Main gelandet, wo sie eine Welt entdeckt, in der der Glitzer der elitären Bankenwelt ganz weit weg ist. Häuser, Straßen, Himmel, alles stumpft in matten Graublau, die Straßen sind nass, die Wände beschmiert und die Aufzüge fahren nicht. Dörries Frankfurt existiert zwischen Hochhaussiedlung und Müllverbrennungsanlage. Kameramann Helge Weindler hat einen blauen Filter über seine Optik gezogen, sodass die Bilder noch kälter wirken.

Es ist ja auch eine kalte Welt, die der Film uns zeigt. Ein heruntergekommener Privatdetektiv, gegen den seine Filmbrüder Philip Marlowe und Sam Spade als gut angezogene, mondäne Kerle durchgehen, soll einen Mann finden, der seit vier Wochen verschwunden ist. Vier Wochen sind schon eine lange Zeit, ob sie schon bei der Polizei gewesen sei, fragt der Detektiv: „Ja, die Polizei hat großes Interesse an einem verschwundenen Türken“, ätzt die Klientin. Gemäß den Regeln des Detektivfilms wird aus dem vermeintlich einfachen Sachverhalt eine schmerzhafte Tour de Force, die bis in hohe Kreise der Stadt ausstrahlt.

Der Begriff "Parallelgesellschaft" drängt sich auf. Zwischen Frankfurtern und Zugewanderten gibt es keine Schnittstelle, zumindest keine legale, die Türken regeln ihre Sachen untereinander und gehen der deutschen Seite wohlweislich aus dem Weg. Mit zunehmender Filmdauer trägt der Detektiv mehr Blessuren mit sich, die er sich von ehrlichen Schlägern eingefangen hat. Dass er überhaupt weiterkommt in einer Welt, in der die eine Seite ihn verachtet („Sie sprechen aber gut Deutsch!“) und die andere Seite ihn nicht ernst nimmt, weil er nicht ein Wort Türkisch spricht, liegt daran, dass er auch selbst gerne austeilt, auch schon mal die Wohnung einer wehrlosen Prostituierten auf den Kopf stellt.

Die Lakonik der klassischen Detektivstory hat Dörrie durch deutschen Humor ersetzt. In Kayankayas Wohnblock führt ein Hausmeister mit Dialekt ein hartes Regiment, dessen Blockwartmentalität nur noch von seiner spät entdeckten Menschlichkeit („In ästä Linje is mä ja ä Christemensch.“) übertroffen wird. Die Frau des Kriminalkommissars versüßt sich ihre einsamen Tage in Reizwäsche mit einem Lover im Ledertanga. Der durchschnittliche Polizist ist doof wie drei Meter Feldweg. Der Fall selbst – Wer? Wie? Warum? – spielt eine untergeordnete Rolle. Dörrie interessiert sich auch im Milieu für Menschen, nicht für die inneren Zusammenhänge. Das war schon in Männer und Paradies ihre Triebfeder fürs Erzählen. "Happy Birthday, Türke!" ist ein vor sich hin tröpfelnder Film mit unterhaltsamen Figuren.

Wertung: 5 von 10 D-Mark
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