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Plakatmotiv: Kirschblüten – Nanami (2008)

Hinreißendes Drama um verlorene Liebe
und leidenschaftlich verteidigte Träume

Titel Kirschblüten – Hanami
Drehbuch Doris Dörrie
Regie Doris Dörrie, Deutschland 2008
Darsteller

Elmar Wepper, Hannelore Elsner, Aya Irizuki, Maximilian Brückner, Nadja Uhl, Birgit Minichmayr, Felix Eitner, Floriane Daniel, Celine Tanneberger, Robert Döhlert, Tadashi Endo, Sarah Camp, Gerhard Wittmann, Veith von Fürstenberg, Walter Hess, Evelyne Macko u.a.

Genre Crama, Romantik
Filmlänge 127 Minuten
Deutschlandstart
6. März 2008
Inhalt

Trudi und Rudi Angermeier leben zurückgezogen im ländlichen Schongau. Trudi erfährt nach einer ärztlichen Untersuchung, dass ihr Ehemann schwer krank ist und nicht mehr lange zu leben hat. Der Arzt schlägt eine letzte gemeinsame Unternehmung vor.

Trudi beschließt, die Erkrankung geheim zu halten und den Rat zu befolgen. Sie überredet Rudi, mit ihr einige ihrer Kinder und Enkelkinder in Berlin zu besuchen. Dort angekommen stellen die beiden jedoch fest, dass ihre Kinder mit ihrem eigenen Leben so beschäftigt sind, dass sie sich nicht um die Eltern kümmern.

Die beiden beschließen daraufhin, in ein Hotel an die Ostsee zu fahren. Dort stirbt Trudi – Rudi ist völlig aus der Bahn geworfen und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Als er dann auch noch von der Freundin seiner Tochter erfährt, dass Trudi das Leben, das sie leben wollte, offenbar aus Liebe zu ihm geopfert hat, sieht er seine verstorbene Frau mit neuen Augen. Er beginnt, ihr verpasstes Leben wieder gut zu machen …

Was zu sagen wäre

Meine Kinder kennen mich nicht und ich kenne meine Kinder nicht.“ Diese an sich niederschmetternde Bilanz zieht Rudi nach einem langen Leben im Dienste der Familie, der Abfallentsorgung, bei der er stellvertretender Abteilungsleiter ist, und eines ruhigen, wohl geordneten Lebens. Aber Rudi ist nicht niedergeschmettert. Höchstens ein wenig ernüchtert. So ist das halt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und ihr eigenes Leben leben.

Die Themen "Liebe", "Familie" und "Tod" ziehen sich das bisherige Werk Doris Dörries (Der Fischer und seine Frau – 2005; Nackt – 2002; Erleuchtung garantiert – 1999; ¿Bin ich schön? – 1998; "Keiner liebt mich" – 1994; Happy Birthday, Türke! – 1992; "Geld" – 1989; "Ich und er" – 1988; Paradies – 1986; Männer – 1985; "Mitten ins Herz" – 1983). Hier führt sie alle zusammen und dekliniert die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen.Trudi und Rudi leben immer noch in ihrem kleinen bayerischen Weiler, der Jüngste, Karl, ist vor dem Druck des Elternhauses bis nach Tokio geflohen, die Tochter und der andere Sohn leben in Berlin. Der eine ein Politiker mit Frau und zwei Kindern. Die andere in lesbischer Beziehung betreibt einen Second-Hand-Laden. Sie schieben sich die Eltern gegenseitig zu, als die die Kinder überraschend in Berlin besuchen kommen: „I' hob gar ka Zeit Ihr müsst's Euch kümmern!“ zischen sie sich gegenseitig an. Dörrie kommentiert nicht, sie zeigt was ist und vieles erkennen wir im Kinosessel bei uns wieder. „Fahr'n ma hoam!“, schließt Papa Rudi. Auch er nimmt achselzuckend zur Kenntnis, was nicht zu übersehen ist.

Aber natürlich hat die Entfremdung zwischen den Generationen Gründe und denen forscht Dörrie auf der zweiten Ebene ihres Films nach, der sich zu einem Roadmovie entwickelt. Als Trudi unerwartet stirbt und Rudi einsam in seinem Haus sitzt, wird ihm klar, dass er tun muss, wozu Trudi ihn zu Lebzeiten so oft überreden wollte und was er immer abgelehnt hatte – zu teuer, nächst' Jahr, schaunmermal, Ah geh Trudi – so, wie er wahrscheinlich auch viele andere Wünsche und Träume der Kinder stets auf die lange Bank geschoben hatte, weil Rudi nun mal am liebsten seine feste Tagesroutine hat: DVD-Cover: Kirschblüten – Nanami (2008) immer derselbe Zug zur Arbeit, immer derselbe Spruch („An Apple a Day keeps the Doctor away.“), immer dieselbe, pünktliche Mittagspause, immer dieselben Abende mit Trudi auf dem Sofa. Jetzt ist Trudi tot und die Kinder weg.

Dörrie erzählt das in ruhigen Einstellungen bei zurückhaltendem Score und raumgreifenden Bildschnitten; eben noch im beschaulichen Bayern, zack am Berliner Bahnhof. Später ebenso umstandslos im nächsten Bild an der Ostsee und noch später: trauriger Blick auf dem Sofa in Bayern, zack mitten in Tokio erkundet Rudi jene Stadt, in die seine Trudi immer so gerne mit ihm wollte, unter seinem Mantel trägt er ihre Kleider, damit sie sieht, was er sieht. Er lernt eine junge Frau kennen, die im Park Butoh tanzt, einen japanischen Ausdruckstanz, den Trudi so gemocht hat. Da entwickelt sich eine Freundschaft ähnlich der in Sofia Coppola Lost in Translation (2003) zwischen dem alten Mann, der langsam ins Leben zurückkommt und der jungen Frau, die ihm dabei hilft.

Das Ziel ist der Berg Fuji, an dem Dörrie das Finale weniger inszeniert als einfach laufen lässt, wenn der alte Rudi den Butoh für und mit seiner verstorbenen Frau tanzt. Das sind Bilder, so schön, dass sie tagelang nicht aus dem Kopf gehen. Das ist umso beeindruckender, weil Dörrie nicht mit großen Regie- und Kamerastab durch die Welt gereist ist. Alle Aufnahmen in Tokio waren in zwei Wochen abgedreht.

Zum zweiten Mal nach Erleuchtung garantiert dreht sie mit Digital-Equipment und kleinem Team. Das hatte sie bei Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm kennen und schätzen gelernt. Es reichten meist zwei kleine Digitalkameras, fünf Leute am Set (plus Schauspieler und natürlich sitzen in den Produktionsbüros die Leute für die Organisationsarbeit) und ein wage formuliertes Drehbuch, das Raum für Improvisationen lässt. Dadurch sind am Set alle konzentriert und die Takes ohne Zeitaufwand gedreht – und weil die kleinen Kameras handlicher und beweglicher sind als die großen Arriflex, findet Dörries Kameramann Hanno Lentz auch noch zahlreiche überraschende Perspektiven. Herausgekommen ist großes Kino, in dem Doris Dörre ganz nebenbei auch noch den alten TV-Haudegen Elmar Wepper, der in Der Fischer und seine Frau noch die Karikatur eines Kai-Investors gab, als Großschauspieler für die Leinwand entdeckt. Seine Vorstellung als alter Sofakater, der sich zurück ins Leben traut, um seiner toten Trudi nah zu sein, ist grandios. Wepper wurde mehrfach ausgezeichnet (Bayerischer Filmpreis, Deutscher Filmpreis, Preis der deutschen Filmkritik).

Die Dreharbeiten fanden zwischen März und April 2007 statt, erst in Tokio, dann in Berlin und schließlich im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau.

Wertung: 7 von 7 €uro
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