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Plakatmotiv: Das perfekte Geheimnis (2019)

Ein homophones Drehbuch wird von
gut gelaunten Schauspielern gerettet

Titel Das perfekte Geheimnis
Drehbuch Bora Dagtekin
nach der italienischen Vorlage "Perfetti Sconosciuti" (etwa "Völlig Unbekannte") von Paolo Genovese
Regie Bora Dagtekin, Deutschland 2019
Darsteller

Elyas M'Barek, Florian David Fitz, Jella Haase, Karoline Herfurth, Frederick Lau, Wotan Wilke Möhring, Jessica Schwarz, Adriana Altaras, Emily Kusche, Katja Riemann, Alexandra Maria Lara, Julia Koschitz, Anna Maria Mühe, Max von der Groeben, David Schütter, Kida Khodr Ramadan, Levi Eisenblätter, Kim Girschner, David Ali Rashed, Valentin von Falkenhayn, Luis Vorbach, Lara Waldow, Steffen Anton u.a.

Genre Komödie, Drama, Romantik
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
31. Oktober 2019
Website constantin-film.de/das-perfekte-geheimnis/
Inhalt

Drei Frauen und vier Männer: Jeder hat ein Handy, das macht insgesamt sieben Mobiltelefone. Als die Freunde am Abend zum Essen zusammenkommen, kommt ihnen eine Idee. Sie spielen ein Spiel: Jeder legt sein Handy in die Mitte des Tisches und ganz egal, wer nun welche Bilder oder Nachrichten geschickt bekommt, und seien sie noch so kurz – alles muss mit den anderen geteilt werden. Telefonate sind nur über den Lautsprecher erlaubt.

Was als kurzweiliger Zeitvertreib beginnt, der ein bisschen Spannung in den Abend bringen soll, führt schon bald zu einigen peinlichen und angespannten Situationen voller Überraschungen. Und schon bald droht nicht nur die Stimmung zu kippen, auch die langjährigen Beziehungen stehen durch die Aufdeckung von brisanten Lügen und Geheimnissen auf dem Spiel …

Was zu sagen wäre

Vier Sandkastenfreunde sitzen am Tisch, drei haben ihre jeweilige Frau/Verlobte dabei, der vierte kommt alleine. Er hat ein Thema, das er. nicht mal seinen besten freunden sagen kann. Der Film hält sich nicht mit langen Vorreden auf, er hat das "Perfekte Geheimnis" schon im Titel und so dauert es nicht lang, da wissen wir von der Hälfte schon, dass er/sie auch gerne ein wenig aushäusig nascht, wie der Spießer sagt, der augenscheinlich an diesem Drehbuch mitgeschrieben hat.

Der vierte Freund, Pepe, der alleine gekommen ist, weil seine Freundin krank sei, hat gar keine Freundin. Er hat einen Freund. Und dass er das seinen besten Freunden nicht sagen kann, ist auf den ersten Blick nicht zu verstehen, aber so wie das Drehbuch dann die Reaktionen der "Freunde" auffächert, dann sehr wohl verständlich; allerdings schließt sich daran gleich die Frage an, was das für beste Freunde sind, die seit Kindesbeinen alles teilen, sich aber so Homophon aufführen, dass einer aus ihrer Truppe unbemerkt immer stiller geworden ist über die Jahre. Dieser (homosexuelle) Twist, der in einen deutschen Film, der das moderne Bildungsbürgertum beleuchtet, zwingend hinein gehört, bekommt durch die weinweinselige Reaktion der Freunde eine rettungslos homophone Auflösung. Das ist schade, weil sie die elegante Leichtigkeit, die den Film bis dahin getragen hat, zerstört.

Man kann sich leicht, während man in der Schlange für ein Ticket für diesen mit mehr als fünf Millionen Zuschauern erfolgreichsten deutschen Film 2019 ansteht, ausmalen, was da bei Tisch für große und kleine Geheimnisse entblättert werden. und es ist dann doch einigermaßen überraschend, dass es ziemlich egal ist, wer wem was verheimlicht hat. Die Figuren bleiben austauschbar – auch sie bevölkern zuverlässig das deutsche Bildungsbürgertum deutscher Film- und Fernsehkunst. Der Schönheitschirurg, der als einziger sich für einen guten Koch hält, hat die elegante Psychologin aus reichem Haus zur Frau, die alle am Tisch dauernd in Schubladen sortiert. Der Taxi fahrende "Lebenskünstler" betrügt nicht nur seine esoterische Freundin sondern auch die Frau, mit der er sie betrügt. Der emanzipierte Mann, der in der Elternzeit nur ganz heimlich leidet, damit seine Frau unbefangen Karriere in der Werbeagentur machen kann, was sich dann als größtes Unglück von allen herausstellt. Das ist alles vorhersehbar und von geringem Interesse.

Es ist aber nicht nur ein Drehbuch. Es ist auch ein Film, zu dem maßgeblich Fotografie, Setting und Schauspieler gehören. Hier gewinnt "Das perfekte Geheimnis", was es im Script verleugnet hat: Witz und gute Laune. Die schicke Altbauwohnung unterm Dach, in warmem Licht ausgeleuchtet, eingerahmt von Bücherwänden, mit großer Terrasse ist für Münchner Verhältnisse, in der Wohnungen für Quadratmeterpreise um 15 Euro herum vermietet werden, allein schon ein Hingucker – die Produktion dreht in Halle 12 auf dem Bavaria-Gelände in Geiselgasteig, weil in ganz München und Umgebung eine derartige Wohnung für Dreharbeiten nicht zu finden war.

Die Schauspieler ignorieren die Dünne des Drehbuchs souverän und wirken, als hätten sie mächtig Spaß, während sie da bei Tisch sitzen und ihren Freunden allerlei Lebenslügen aufdecken müssen. Am besten gefällt mir Florian David Fitz (Der Vorname – 2018; Willkommen bei den Hartmanns – 2016; Männerherzen… und die ganz ganz große Liebe – 2011; Vincent will Meer – 2010; Männerherzen – 2009). Der spielt den alleinstehenden Lehrer Pepe mit Grandezza; als er bestätigt bekommt, wovor er sich bei seinen Freunden immer gefürchtet hat, bietet sein Gesicht einfach großes Schauspiel. Die Besetzung des etwas prolligen Taxlers durch Frederick Lau ist keine Überraschung (SMS für Dich – 2016; Victoria – 2015; Sein letztes Rennen – 2013) und bietet in der Folge auch keine. Wotan Wilke Möhring (25 km/h – 2018; Steig. Nicht. Aus! – 2018; Alles ist Liebe – 2014; Who Am I – 2014; Männerherzen… und die ganz ganz große Liebe – 2011; Männerherzen – 2009) und Elyas M'Barek als frauenbewegter Mann spielen ihrem Starstatus entsprechend gut und tragen wie auch Lau viel zur guten Laune des Ensembles bei.

Die interessanteste Rolle hat Jessica Schwarz (Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner – 2017; "Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders" – 2006; Nichts bereuen – 2001). Und es ist auch die undankbarste. Ihre Rolle als coole Psychologin, die ihre Freunde von oben herab taxiert, und bei der pubertierenden Tochter einen Stand zwischen "peinlich" und "abartig" inne hat, ist zwingend im Bildungsbürgertum-Kino: Natürlich ist die elegant und souverän auftretende Frau aus bestem Hause. Natürlich ist sie schnippisch. Natürlich ist sie unterschwellig unbeliebt bei den Freunden. Jessica Schwarz soll mit dieser Rolle gehadert haben. Am Ende holt sie mehr raus, als drinnen steckt und hat einen der wenigen echten Überraschungen zu bieten. Ihr Spiegelbild bietet die wunderbare Karoline Herfurth (SMS für Dich – 2016; Fack ju Göhte – 2013; Zettl – 2012; Vincent will Meer – 2010), die immer so aussieht, als sei sie der Oberstufe noch nicht ganz entwachsen, und dennoch spielt sie hier die Karrierefrau, die sich ihren Umgang mit den kleinen Zwillingen schön trinken muss, weil er in Wahrheit nicht existiert, und die eigentlich auch viel lieber keine Karriere machen und dafür Mutter sein will. Auch Herfurth füllt ihre wacklige Figur mit viel Leben. Zwischen diesen beiden starken weiblichen Polen tobt sich Jella Haase aus, die als Tier-Homöopathin Bianca zum Herz dieser Runde von smarten LowPerformern wird.

So wird "Das perfekte Geheimnis" zum perfekten Beispiel, wie gut aufgelegte Schauspieler und Filmschaffende auch ein mittelprächtiges Script noch in einen unterhaltsamen, durchaus sehenswerten Film verwandeln können.

Wertung: 4 von 8 €uro
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