Die USA sind mittlerweile ein Land das tief gespalten ist und es tobt ein blutiger Bürgerkrieg. Demokratie und Verfassung sind längst vergangene Träume, während in Washington der Präsident seine dritte Amtszeit im Weißen Haus angetreten hat.
Als oberster Befehlshaber der Streitkräfte, führt er Krieg gegen Texas und Kalifornien und überzieht aufständische US-Amerikaner mit brutalen Luftangriffen. Trotz aller militärischer Bemühungen des Präsidenten sind die beiden Staaten nicht kleinzukriegen – ganz im Gegenteil. Je näher der Unabhängigkeitstag rückt, desto näher rücken die kalifornischen und texanischen Truppen an Washington heran.
Damit dabei nicht auch noch die Wahrheit im Krieg fällt, machen ein paar Journalisten weiterhin gewissenhaft ihren Job und erstatten unter größter Lebensgefahr Bericht aus den Krisenherden. Als klar wird, dass auch die Hauptstadt innerhalb der nächsten Tage fallen könnte, bricht das Team auf, um ein finales Interview mit dem Präsidenten zu führen …
Dieser Film startet punktgenau. Wenn man bedenkt, welchen zeitlichen Vorlauf Filmprojekte im allgemeinen haben, war es visionäre Kunst, einen Film über einen fiktiven zweiten amerikanischen Bürgerkrieg just zu diesem Zeitpunkt ins Kino zu bringen, in dem der Bewerber um das Amt des realen US-Präsidenten, Donald Trump, tatsächlich von einem Bürgerkrieg spricht, sollte wider seines Erwarten nicht er am 5. November des laufenden Jahres ins Weiße Haus gewählt werden.
Alex Garland, der sich vor allem als Autor komplexer Drehbücher einen Namen gemacht hat und nur gelegentlich auf dem Regiestuhl Platz nimmt (Ex Machina – 2014; Dredd – 2012; "Sunshine" – 2007; 28 Tage später – 2002, The Beach – 2000), siedelt seinen Film in naher Zukunft an, gerade weit genug von heute weg, um nicht mehr in eine Wer-ist-Wer-Falle zu tappen. Wir erfahren, dass die Bundesstaaten Texas und Kalifornien sich gegen den Rest des Landes auflehnen und der US-Präsident eine dritte Amtszeit angetreten hat (was heute, 2024, gesetzlich – noch – ausgeschlossen ist) Es ist ein ungewöhnlicher Bürgerkrieg, den wir erleben. Die Szenerie erinnert an die aus der TV-Serie "The Walking Dead", Landstraßen voller stehen gebliebener Autos und Leichen. Soldaten schießen aufeinander. Aber manchmal wissen sie nicht, auf wen sie da schießen. Aber sie schießen. Und werden beschossen. Nachbarn gehen sich gegenseitig an die Gurgel und foltern sich. Aber in Missouri und in Colorado sollen Eltern in ihren Häusern leben und so tun, als sei gar nichts. Garland zeigt in seinem Film weniger Bürgerkrieg mit Fronten und Parteien, er zeigt die Degeneration der westlichen Gesellschaft, in der Wut, Hass und Zorn die Plätze von Reden, Zuhören, Kompromiss eingenommen haben. Schießen ist einfacher. Der Bürgerkrieg ist bloß der Rahmen, in dem er vom Menschsein erzählen will
Der titelgebende Krieg steht aber gar nicht im Zentrum. Da steht eine Gruppe Reporter, die den Präsidenten interviewen will, der sich seit mehr als einem Jahr offenbar nicht mehr öffentliche geäußert hat. Ursprünglich sind es zwei Reporter, beide in ihren Vierzigern, er schreibt, sie fotografiert. Sie, Lee, wird gespielt von Kirsten Dunst (The Power of the Dog – 2021; Die Verführten – 2017; Hidden Figures – 2016; The Bling Ring – 2013, Upside Down – 2012; Spider-Man 3 – 2007; "Marie Antoinette" – 2006; Spider-Man 2 – 2004; "Vergiss mein nicht" – 2004; Mona Lisas Lächeln – 2003; Spider-Man – 2002; Girls United – 2000; The Virgin Suicides – 1999; Small Soldiers – 1998; Wag the Dog – 1997; Jumanji – 1995; "Interview mit einem Vampir" – 1994; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990), die in dieser Rolle den großen Weltschmerz personifiziert, abgestumpft in zu vielen Kriegen. Zu ihr gesellt sich ein junges Mädchen, das unbedingt auch Kriegsfotografin werden will. Und dann ist da Sammy, ehemals der Mentor von Lee, heute ein alter Mann, der irgendwie auch in dem Wagen landet, mit dem die Reise von New York nach Washington D.C. angetreten wird. Damit hat Garland eine klassische Drama-Konstellation auf der langen Fahrt im Auto sitzen. Die abgestumpfte Kriegsfotografin kann dem Mädchen (und damit uns) erzählen, wie grausam ihr Beruf bisweilen ist, menschlich kalt, immer auf der Suche nach dem perfekten Bild. Der Alte, Sammy, kann erzählen, dass Lee früher mal genauso engagiert war, wie das junge Mädchen. Garland spielt, um den Job der Hauptfigur zu unterstreichen, viel mit der Tonspur, auf der wir häufig gar nichts hören – klar: Fotografie ist gehörlos, dramatisiert nicht mit Geräuschen, und so bleiben die dramatischsten Szenen seines Films gehörlos. Was uns erst recht in die Sessel drückt.
Dafür bleiben die großen Themen des Kriegsreporterfilms, der in den 1980er und 90er Jahren seine Blüte erlebte, ungestreift: Darf man mit fremdem Leid Geld verdienen? Löst die Kamera Verbrechen aus, die sie dann vermeintlich neutral festhält? Kann es so etwas wie journalistische Objektivität geben? Damit hält sich Garland nur am Rande auf – wie gesagt: 80er, 90er. Lee und Jessie fotografieren, wie Menschen gefoltert und erschossen werden. „Ich hatte noch nie so viel Angst, aber mich auch nie so lebendig gefühlt“, sagt Jessie nach der ersten blutigen Action und drückt bald mit ähnlicher Routine auf den Auslöser wie ihr Vorbild Lee: Der Weg vom Adrenalin-Rausch führt direkt zur Abstumpfung, zum Trauma.
Zurück bleibt die Frage, warum die Vier die ganze Tortur auf sich nehmen. In keiner Szene haben sie Kontakt zu irgendeiner Redaktion, die ihnen Bilder und Texte abnehmen würde. Die Reporter im Film bleiben unverwurzelt wie der Krieg, über den sie berichten, bei dem für die Zuschauer unklar bleibt, wer hier Aggressor und wer Verteidiger amerikanischer Werte sein könnte. Der aber im Finale immerhin einen großen Sturm auf das Weiße Haus präsentiert, in dem sich ein augenscheinlich eher nicht so tapferer US-Präsident versteckt hat.
"Civil War" liefert ein paar beklemmende Bilder aus einem eben erst zerstörten Amerika, ausgebrannte Hubschrauber vor einem geplünderten Supermarkt, Heckenschützen mit der Lust am tödlichen Schuss. Und wir sitzen im Kinosessel und denken, Ja, so wird es sein, wenn Recht und Ordnung zusammenbrechen und der blanke Mensch das Kommando übernimmt. Ein ein wenig zu plumpes Drehbuch, das gerne mit dem Holzhammer erzählt, aber eine verstörende Vision auf eine USA nach dem 5. November 2024, wenn jemand zum Präsidenten gewählt worden ist, den die anderen vielleicht nicht akzeptieren.