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Plakatmotiv: 21 Gramm (2003)

Das leben geht weiter. Immer.

Titel 21 Gramm
(21 Grams)
Drehbuch Guillermo Arriaga
Regie Alejandro González Iñárritu, USA 2003
Darsteller

Sean Penn, Benicio Del Toro, Naomi Watts, Danny Huston, Carly Nahon, Claire Pakis, Nick Nichols, Charlotte Gainsbourg, John Rubinstein, Eddie Marsan, Loyd Keith, Antef A. Harris, Melissa Leo, Marc Musso, Teresa Delgado, Trent Dee, Tony Guyton, Wayne E. Beech Jr. u.a.

Genre Drama
Filmlänge 124 Minuten
Deutschlandstart
26. Februar 2004
Inhalt

Paul Rivers ist ein schwer kranker Mann, der binnen eines Monats sterben wird, sollte ihm nicht ein neues Herz eingesetzt werden. So setzen er und vor allem seine Frau Mary momentan alles daran, dass sie von ihrem Mann durch künstliche Befruchtung schwanger wird, damit Paul wenigstens in seinem Kind weiterleben kann.

Währenddessen muss Cristina Peck damit klarkommen, dass ihre beiden Töchter durch ein Unglück ums Leben gekommen sind. Ihr Mann ist dabei auch so schwer verletzt worden, dass die Ärzte ihr raten, die lebenserhaltenden Maschinen abzuschalten.

Zur selben Zeit ist der ehemalige Kleinkriminelle Jack Jordan, der sich mittlerweile, durch seinen christlichen Glauben geläutert, ein rechtschaffendes Leben mit Familie aufgebaut hat, am Boden zerstört. Er hat gerade einen schweren Autounfall verursacht und weiß nicht, wie er damit klarkommen soll. Dieser Unfall verbindet plötzlich das Leben von Paul, Cristina und Jack und soll für alle drei noch weit reichende Folgen haben …

Was zu sagen wäre

Ein Verkehrsunfall, ein Vater und seine beiden Töchter sterben, der Unfallverursacher begeht Fahrerflucht. Solche Meldungen lesen wir beinahe täglich auf den "Vermischtes"-Seiten unserer Zeitungen. Manchmal lesen wir sie mit leichtem Schauder, manchmal fliegen wir nur über die Headline und suchen dann einen interessanteren Artikel. Guillermo Arriaga hat für sein Drehbuch Buchstabe für Buchstabe solcher Polizeiberichte analysiert und sich gefragt, was mit den Unfallbeteiligten danach passiert. Die Toten sind tot. Aber die Angehörigen – im vorliegenden Fall muss die Ehefrau und Mutter noch im Krankenhaus entscheiden, die lebenspendenden Maschinen für ihren Mann abzuschalten? Der Unfallfahrer – ein Ex-Knackie, dem wieder Gefängnis droht, worunter Frau und zwei kleine Kinder litten? Oder – das kommt in diesem Fall noch hinzu – ein Patient, der das Herz des toten Fahrers transplantiert bekommt. Ein Unfall, sechs Betroffene. Sechs Motive, nach einem Schock das eigene Leben in den Griff zu kriegen.

Alejandro González Iñárritu, der Regisseur ("Amores Perros" – 2000), erzählt die Geschichte nicht chronologisch. Wild schneidet er zwischen den verschiedenen Protagonisten hin und her und bis wir alle Personen, die die die Kamera uns zeigt, ordentlich einander zugeordnet und auch die verschiedenen Zeitebenen, die da aufscheinen, einigermaßen in Reihe gebracht haben, ist schon eine halbe Stunde rum. Die Anstrengung im Kinosessel ist dabei überschaubar, es gibt keine Filmtricks, die die Zeitebenen voneinander unterscheidbar machen oder Farbschablonen, die die anfangs noch unbekannten Personen in einen individuellen Kosmos einweben. Iñárritu schafft einfach aus den erwähnten Motiven viele kleine Dramen, die von Schauspielern präsentiert werden, die ihren Job verstehen.

Da ist der herzkranke Mathematik-Professor, dessen Frau sich sehnlich ein Kind von ihm wünscht, bevor er stirbt. Sean Penn ist dieser Professor (Mystic River – 2003; "Ich bin Sam" – 2001; Sweet and Lowdown – 1999; Being John Malkovich – 1999; Der schmale Grat – 1998; The Game – 1997; U-Turn – Kein Weg zurück – 1997; Dead Man Walking – 1995; Carlito's Way – 1993; Die Verdammten des Krieges – 1989; Ich glaub' ich steh' im Wald – 1982; Die Kadetten von Bunker Hill – 1981), der im letzten Moment ein neues Herz bekommt und wissen will, von wem es stammt.

Da ist der Unfallfahrer, der zu Gott gefunden hat, durch den Unfall in eine tiefe Glaubenskrise stürzt und dadurch seine Familie gefährdet. Ihn spielt Benicio Del Toro als Mann ohne Ausweg, dessen Leben in immer dunkleren Höhlen versinkt Plakatmotiv: 21 Gramm (2003) (Die Stunde des Jägers – 2003; Das Versprechen – 2001; Traffic – Macht des Kartells – 2000; Snatch: Schweine und Diamanten – 2000; Angst und Schrecken in Las Vegas – 1998; The Fan – 1996; Die üblichen Verdächtigen – 1995). Die Witwe, die Mann und Kinder verloren hat, spielt Naomi Watts als Mensch, dem vorläufig nichts mehr bleibt, als auf die längst abgelegten Drogen zurückzugreifen ("Eine Affäre in Paris" – 2003; "Ring" – 2002; "Mulholland Drive" – 2001). Das Panorama, das Iñárritu uns in der ersten Stunde seines Films auffächert, ist wie die Scherben eines Tellers, der zu Boden gefallen ist. Der Moment des Zerspringens ist der Verkehrsunfall, den der Film nicht zeigt, der aber so viele Leben in diesem Film zerreißt.

Iñárritu setzt die Scherben nach und nach wieder zusammen. Der Teller, der zu Boden gegangen ist, fliegt quasi in Zeitlupe zurück in die Hand und die Scherben finden wieder zueinander – die Leben, die zerstört worden sind, finden wieder Halt. Aber der Teller sieht am Ende etwas anders aus. Was geht verloren, wenn ein Menschenleben stirbt? Diese Frage stellen Arriaga und Iñárritu ins Zentrum und stellen zunächst einmal die titelgebenden 21 Gramm fest. Diese wären das Gewicht der Seele, das der amerikanische Arzt Duncan MacDougall 1907 in einem Experiment ermittelte. MacDougall hatte eine Präzisionswaage gebaut: ein an einem Gestell aufgehängtes Bett. Die erste von sechs Versuchspersonen zeigte im Moment des Todes einen Gewichtsverlust von 21 Gramm: das vermeintliche Gewicht der Seele.

Es ist aber so viel mehr als das Gewicht eines … Körperteils, das verschwindet. Arriaga und Iñárritu schaffen es, eine märchenhafte Erzählung zu inszenieren. Sie entfalten einen großen Zauber, indem sie die Frage aller Fragen stellen: Was ist nicht in Euro und Dollar berechnet ein Menschenleben wirklich wert? Ihre Antwort lautet: Falsche Frage! Das Leben geht weiter. Immer.

Wertung: 5 von 6 €uro
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