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Plakatmotiv: Die üblichen Verdächtigen (1995)

Ein kluger Drehbuchthriller, der mit
Ideen, nicht mit Bildern beeindruckt

Titel Die üblichen Verdächtigen
(The usual Suspects)
Drehbuch Christopher McQuarrie
Regie Bryan Singer, USA 1995
Darsteller

Stephen Baldwin, Gabriel Byrne, Benicio Del Toro, Kevin Pollak, Kevin Spacey, Chazz Palminteri, Pete Postlethwaite, Giancarlo Esposito, Suzy Amis, Dan Hedaya, Paul Bartel, Carl Bressler, Phillipe Simon, Jack Shearer, Christine Estabrook u.a.

Genre Thriller
Filmlänge 106 Minuten
Deutschlandstart
18. Januar 1996
Inhalt

Ein Schiff wird von einer Explosion verwüstet. Wie man hört, sollte Kokain im Wert von 91 Millionen Dollar umgeschlagen werden. Doch nun ist der Kai von 27 Toten gepflastert. Einziger Überlebender ist der behinderte Kleinganove Verbal Kint.

Als ihn der Zollbeamte Kujan in die Mangel nimmt, packt Verbal aus. Begonnen habe alles vor sechs Wochen, sagt er, als im Zusammenhang mit einem anderen Kriminalfall fünf „übliche Verdächtigen” vernommen und in eine Zelle gesperrt wurden. Von da aus habe das Unglück seinen Lauf genommen. In Verbals Erzählungen spielt ein Keyser Söze die zentrale Rolle. Ein Name, bei dessen Erwähnung die fünf Halunken aschfahl werden. Deren Meinung nach zu urteilen, muss dieser Keyser Söze eine Mischung aus Dracula, Hannibal Lecter und Darth Vader sein.

Alles Lüge? Gibts den Mann? Ganz sicher ist sich da keiner …

Was zu sagen wäre

Das ist eine verschachtelte Geschichte. Es gibt eine Rahmenhandlung, die mit Morden und der Explosion eines Frachters im Hafen von San Pedro beginnt und mit einer ausführlichen Vernehmung eines Zeugen und Verdächtigen weitergeht. Und dann gibt es allerlei Situationen, die die Aussage dieses Zeugen bebildern – Rückblenden und Rückrückblenden.

Das sieht zu Beginn noch harmlos aus; da gibt es einen Überfall in New York, die Polizei verhaftet übliche Verdächtige, die sich später in der Zelle näher kennenlernen und daraufhin gemeinsame Coups planen und durchführen. Wir im Kinosessel sind ja auch keine Anfänger in solchen Kinogeschichten und Bryan Singer lässt sich auf das Duell mit seinen Zuschauern ein.

Was wir sehen, ist im Grunde eine Situation, wie wir sie schon in den 70er Jahren bei Theo Kojak und seinem "Einsatz in Manhattan" immer wieder gesehen haben: Harter Bulle nimmt wehrlosen Kleinganoven in die Mangel, um an die großen Hintermänner ranzukommen. Es wird schlechter Kaffee getrunken, angebrüllt und bedroht und irgendwann löst sich die Geschichte dann auf, bei Theo Kojak nach 43 TV-Minuten, in diesem Fall sicher nach 100 Filmminuten. Aufgepeppt wird die Aussage auf der Kinoleinwand, für die wir Eintritt bezahlt haben, mit Bildern der Überfälle, Morde und Explosionen, von denen der kleine, körperbehinderte Trickbetrüger Verbal Kint uns in dem Verhör berichtet. Im Grunde kennen wir das, weil wir ja, wie gesagt, keine Anfänger sind. Damit sind wir den kreativen Köpfen hinter diesem Film schon auf den Leim gegangen.

Weil die Struktur so klar scheint, ertappen wir uns dabei, Schwächen im Drehbuch wahrzunehmen. Manches wirkt arg gewollt, konstruiert. Das ist bei Thrillern häufig so, bei denen am Anfang ein Mord geschieht und am Ende ein völlig überraschender Täter entlarvt wird. Auch da müssen Drehbuch und Regie höllisch aufpassen, keinen inhaltlichen Fehler zu machen, und dabei gerät ihr Thriller bisweilen sehr statisch, erstarrt in der rationalen Strenge einer feingliedrigen Struktur. Bei den "Usual Suspects" fällt irgendwann auf, dass der Film unentschieden ist: Sollen wir jetzt Klein- und Mittelganoven bei Beutezügen zusehen? Irgendwann übernimmt ein Name den Mittelpunkt des Films, Keyser Söze, Drahtzieher und Hintermann, eine Art Dracula der Unterwelt, den ausnahmslos alle fürchten. Sofort begeben wir uns im Kinosessel auf die Suche nach den Zwischentönen: Wer von den bereits bekannten Figuren könnte heimlich dieser Keyser Söze sein? Und was will er?

Während wir rätseln, rollen Drehbuchautor Christopher McQuarrie und Regisseur Singer einen Plot aus, der tatsächlich erst zu Ende ist, wenn der Abspann beginnt. Wir sollten rätseln, sollten, wie bei einem guten Zauberkunststück, uns ablenken lassen. Der Film arbeitet mit einem Plot-Twist der gehobenen Klasse, der es mit sich bringt, dass der Film seine Zuschauer belügt. Sowas hat es im Kino lange nicht mehr gegeben. Unter den namhaften Regisseuren muss man wohl bis Alfred Hitchcock zurück gehen, der sich traute, seine Zuschauer derart in die Irre zu führen. Auf dem Nachhause-Weg ist das Wow!, aber während des Films fallen besagte Drehbuchstatiken auf, die den Film im Sessel wackeln lassen. Der Film überrascht mit Drehbuchideen, nicht mit Bildern.

Die Entdeckung des Films ist Kevin Spacey in der Rolle des körperbehinderten Kleinganoven Verbal Kint, der von dem FBI-Agent den ganzen Film über gegrillt wird. Spacey erhält die für einen Schauspieler seltene Gelegenheit, das ganze Spektrum von Minderwertigkeitskomplex, Angst über Vertrauen bis hin zu Macht auszuspielen. Er macht das großartig. Bei der Oscar-Show am 25. März 1996 wurde er mit dem Supporting Actor-Oscar ausgezeichnet. Christopher McQuarrie wurde für sein Drehbuch ebenfalls mit dem Oscar ausgezeichnet.

Wertung: 10 von 11 D-Mark
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