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Plakatmotiv: Die Geschichte der Dienerin (1990)

Brave Verfilmung eines
ungeheuren Stoffs

Titel Die Geschichte der Dienerin
(The Handmaid's Tale)
Drehbuch Harold Pinter
nach dem gleichnamigen Roman von Margaret Atwood
Regie Volker Schlöndorff, USA, Deutschland 1990
Darsteller

Natasha Richardson, Faye Dunaway, Aidan Quinn, Elizabeth McGovern, Victoria Tennant, Robert Duvall, Blanche Baker, Traci Lind, Zoey Wilson, Kathryn Doby, Reiner Schöne, Lucia Hartpeng, Karma Ibsen Riley, Lucile McIntyre, Gary Bullock, Allison Holmes, J. Michael Hunter, Robert D. Raiford u.a.

Genre Drama
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
15. Februar 1990
Inhalt

Die USA in naher Zukunft: Das Alte Testament ist Gesetz, die meisten Frauen sind unfruchtbar. Die Republik Gilead ist aus einem Teil der zerfallenen Vereinigten Staaten von Amerika hervorgegangen.

Es herrschen immer noch bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Fruchtbarkeit der Menschen ist dramatisch zurückgegangen, was zu drastischen Maßnahmen der Regierung geführt hat. Kate ist eine der wenigen Fruchtbaren. Sie wird einer Familie der Oberschicht zugeteilt, bekommt auch einen neuen Namen. Als "Dienerin" in diesem Haus heißt sie Offred (of Fred, zu deutsch "von Fred", also "Fred gehörend"), und Kate bringt bald in Erfahrung, dass die vorige Offred keinen guten Abschied hatte.

Die Schwängerungszeremonie findet am Ehebett statt. Freds Ehefrau Serena Joy ist in die azurblaue Farbe der Ehefrauen gekleidet, Kate trägt das Rot der Dienerinnen. Serena hält die auf dem Rücken liegende Kate in ihrem Schoß, während Fred im Stehen wortlos den Geschlechtsakt vollzieht.

Mit der Zeit gewöhnt sich Kate an ihre neue Umgebung und erfährt von einer anderen Dienerin von einer Untergrundgruppe, die versucht, nach und nach fruchtbare Frauen über die Grenze nach Kanada zu schmuggeln. Kate soll sich ihnen anschließen …

Was zu sagen wäre

Alle Revolutionen unterscheiden sich voneinander. Aber ihre Geschichte ist immer die gleiche. Am Ende frisst sie ihre Kinder. In der Republik Gilead haben sich religiös-fundamentalistische Kräfte durchgesetzt, haben, als das Land angeblich im Chaos zu versinken drohte – „Schwarze, Homos, das ganze asoziale Pack“ – neue, streng an den Texten des Alten Testaments ausgerichtete Regeln formuliert: „Rahel gebar keine Kinder … und sie gab Jakob ihre Magd Belaar, und ihre Magd wurde schwanger.“ Anders ausgedrückt: Alle sogenannten Freuden sind verboten, weiße Männer halten die Macht, Frauen sind entweder Ehegattin oder Dienerin.

Aber natürlich nur auf dem Papier. Natürlich unterhalten die ehrbaren Männer geheime Nachtclubs, in denen eine dritte Frauenform auftritt, die Prostituierte. Denn Verbote, vor allem die strikten, gelten immer nur für die Geführten, nicht für die Führer.

Das Grusligste an "Die Geschichte der Dienerin" ist die Romanvorlage der kanadischen Autorin Margaret Atwood, die vor fünf Jahren in die Bücherregale kam, von der der Film in einigen Situationen kräftig abweicht, ohne eigene Akzente zu setzen. Wir schauen einem Unterdrückungsregime beim Machterhalt zu. Die meisten Frauen sind nach einem mit radioaktiven, chemischen und bakteriologischen Waffen geführten Krieg unfruchtbar; die wenigen Fruchtbaren gelten jetzt offiziell als „unser kostbarster Rohstoff“ und so werden sie auch behandelt. Der Film hat Momente, da glaubt man nicht, einer Social Fantasy aus der Zukunft zuzuschauen, das Verhalten mancher Männer Frauen gegenüber ist auch heute schon dem im Film ähnlich. Sie werden an kurzer Leine von "Tante Lydia" erzogen und gedrillt: „In den Tagen der Anarchie hattet Ihr die Freiheit zu entscheiden. Heute seid Ihr von der Entscheidung befreit. Unterschätzt das nicht!“ Victoria Tennant (Der 4 1/2 Billionen Dollar Vertrag – 1985; Solo für 2 – 1984) hat hier Gelegenheit, ihre harten Gesichtszüge zwischen Blondhaarige und Braunauge gewinnbringend einzusetzen.

Der Film folgt Kate, die wir kennenlernen, als sie versucht, mit Mann und kleiner Tochter heimlich über die grenze zu kommen. Der Mann wird erschossen, die Tochter verschwindet, sie wird als Fruchtbare zur Sklavin gemacht, die zwischen grotesken Zeugungsakten versucht, etwas über das Schicksal ihrer Tochter zu erfahren. Es gibt eine zarte – geheime, weil gefährliche – Liebesgeschichte und die Revolutionäre von Innen. Die politischen Kämpfe erfahren wir ausschließlich über Ausschnitte aus TV-Nachrichten. Die Verheerungen der Unterdrückten, die Leiden der Sklavinnen werden in zwei, drei Bildern mit ordentlich Blut auf der Haut thematisiert. Aber dann geht es einfach immer weiter.

Wer die Romanvorlage nicht kennt, sitzt einigermaßen mit offenem Mund im Kinosessel, weil diese Art der Unterdrückung – vor allem die Nonchalance der Unterdrückung –nicht weit weg von der Zeit ist, aus der wir doch erst kommen: Wir müssen uns halt fortpflanzen. Also fügt Euch! An eigenem bietet der Film nicht viel. Regisseur Volker Schlöndorff selbst ("Der Tod eines Handlungsreisenden" – 1985; "Eine Liebe von Swann" – 1984; Die Blechtrommel – 1979; Die verlorene Ehre der Katharina Blum – 1975) spricht abschätzig von einer „Auftragsarbeit“, Natasha Richardson ("Die Schattenmacher" – 1989) läuft mit ihren großen Augen durchs Bild und tut wenig, ihren angeblich erwachenden Widerstandsgeist für die Zuschauer erlebbar zu machen. Wenigstens der große Robert Duvall kann seine Klasse halten (Tage des Donners – 1990; "Colors – Farben der Gewalt" – 1988; Der Unbeugsame – 1984; Apocalypse Now – 1979; "Die Körperfresser kommen" – 1978; Der Adler ist gelandet – 1976; Network – 1976; Der Pate II – 1974; Der Dialog – 1974; Sinola – 1972; Der Pate – 1972; THX 1138 – 1971; M.A.S.H. – 1970; Bullitt – 1968) und dem Film damit einen ordentlichen Antagonisten liefern, dessen bigotte und rassistische Geilheit einen frieren lassen.

Was hat der Film mir abseits der Buchvorlage Neues erzählt? Harold Pinter, gefeierter Dramaturg, hat dem Stoff für sein Drehbuch nichts abgewinnen können, das im Gedächtnis bleibt. Es bleibt eine Erinnerung daran, wie dünn der Firnis der Zivilisation dauerhaft ist. Das ist ja nicht das Schlechteste.

Wertung: 5 von 10 D-Mark
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