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Kinoplakat: Die Blechtrommel
Günther Grass im Kino
verstörend und zäh
Titel Die Blechtrommel
Drehbuch Jean-Claude Carrière + Günter Grass + Volker Schlöndorff + Franz Seitz
nach dem gleichnamigen Roman von Günther Grass
Regie Volker Schlöndorff, BRD, Frankreich, Polen, Jugoslawien 1979
Darsteller
David Bennent, Mario Adorf, Angela Winkler, Daniel Olbrychski, Katharina Thalbach, Tina Engel, Berta Drews, Roland Teubner, Tadeusz Kunikowski, Andréa Ferréol, Heinz Bennent, Ilse Pagé, Werner Rehm, Käte Jaenicke, Helmut Brasch u.a.
Genre Drama
Filmlänge 142/162 Minuten
Deutschlandstart
3. Mai 1979
Inhalt

1924: In Danzig wird Oskar Matzerath geboren, ein frühreifes, hellhöriges Bürschchen. Zu seinem dritten Geburtstag bekommt Oskar eine Blechtrommel geschenkt. An diesem Tag beschließt er aus einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung heraus, sein Wachstum einzustellen, indem er sich die Kellertreppe hinunterstürzt.

Kinoplakat: Die BlechtrommelGeistig und männlich entwickelt er sich sehr wohl weiter, doch seine körperliche Erscheinung schafft von diesem Tag an automatisch eine gewisse Distanz zwischen Oskar und der Welt der „Erwachsenen“. Leidenschaftlich revoltiert der anarchische Zwerg auf seiner Blechtrommel gegen fanatische Nazis und deren feige Mitläufer …

Was zu sagen wäre

Günther Grass‘ Romanvorlage zu verfilmen, gilt als unmöglich. Zu verschachtelt, zu aufgeladen mit bizarren Ereignissen, als dass sich daraus ein Struktur für ein Drehbuch machen ließe. Volker Schlöndorff (Die verlorene Ehre der Katharina Blum – 1975) beweist mit seinem Fim, dass das Buch nicht verfilmbar ist, es sich aber lohnt, Grass‘ Bilderwelten für das Kino dramaturgiwsch aufzuarbeiten.

Es ist aufregend, sich in dieser Welt vor, während und nach dem Nazi-Terror umzuschauen. Es ist lustig, den spinnerten Figuren aus Danzig zu folgen, dem tumben, aber liebenswerten Kolonialwarenhändler Alfred Matzerath, dem der wuchtige Mario Adorf mit rheinischem Dialekt zu Leibe rückt. Der zerbrechlichen Agnes, die Alfred heiratet, die Beziehung zu ihrem Cousin aber weiterführt und der Angela Winkler gewohnt somnambul entrückt Gesicht und Stimme leiht. Diese Welt, beobachtet aus der Welt eines erwachsenen, Menschen mit kindlicher Perspektive. Was bei Grass ein geschickter Erzählkniff ist, wirkt im Film schwer bemüht. Nicht, dass David Bennent, der den schweren Part dieses jungen Erwachsenen spielen muss, nicht grandiose Szenen hätte. Aber seine Texte aus dem Off sind ob der nicht ausgebildeten Stimme schwer zu verstehen, und Szenen, in denen der tatsächlich 13-jährige Junge einen zärtichen Erwachsenen spielen soll, gleiten vollends ins Groteske.

Es bleibt unklar, inwieweit das geplant war, aber diese Groteske spiegelt sich in vielen Szenen und Bildern wider, die der Film aneinanderreiht; eine dramaturgisch begründete Handlung ist nicht festzustellen, die Entwicklung kommt von außen, ganz im Sinne des (auch) nur beobachtenden Jungen ist keine der Hauptfiguren handelnde Person; sie alle werden getrieben – Geschichte machen andere.

Schlöndorff hat die Romanvorlage auseinander genommen, nur zwei der drei Bücher filmisch übersetzt und auch die Rahmenhandlung, in der klar wird, dass Oskar, als er die Geschichte aus dem Off erzählt, in einer Heilanstalt sitzt, gestrichen. Die Frage, wie glaubwürdig der Junge ist, die sich im Buch durchaus stellt, stellt der Film nicht. Schlöndorff leistet sich die Freiheit, aus Grass‘ Schelmenroman das Zerrbild einer verzerrten Zeit zu entwerfen. Die gesellschaftlichen Vorgänge im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen sind bizarr genug, Schlöndorff malt die Bilder dazu und setzt das passende Personal hinein. Dabei schafft er Filmszenen für die Ewigkeit.

Wenn der kleine Oskar mit seiner Blechtrommel einen Nazi-Aufmarsch aus dem Takt bringt, bis die braun Uniformierten im Regen Walzer tanzen; wenn Oskar und Maria – die anbetungswürdige Katharina Thalbach – sich gegenseitig mit Brausepulver erotisieren; wenn der Junge mit irrem Blick und spitzem Schrei Glas zerspringen lässt. Das alles ist großes Kino. Es ist aber kein Kino für die Freunde von Geschichtenerzählern.

Wertung: 8 von 9 D-Mark
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