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Plakatmotiv: Herrscher der Insel (1970)

Ambitionierte Romanverfilmung
scheitert an leeren Charakteren

Titel Herrscher der Insel
(The Hawaiians)
Drehbuch James R. Webb
nach dem Roman "Hawaii" von James A. Michener
Regie Tom Gries, USA 1970
Darsteller

Charlton Heston, Tina Chen, Geraldine Chaplin, Mako, John Phillip Law, Alec McCowen, Don Knight, Miko Mayama, Virginia Ann Lee, Chris Robinson, Naomi Stevens, Keye Luke, Khigh Dhiegh, Mary Munday, Harry Townes, Lyle Bettger, James Hong, Jeffrey Chang u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 134 Minuten
Deutschlandstart
12. November 1970
Inhalt

Kapitän Whipple Hoxworth hat auf Hawaii eine Plantage geerbt und will sich nun fortan um den Anbau von Ananas kümmern. Dazu bringt er neben seiner Frau Purity noch einige chinesische Arbeiter mit, die sich um die Plantage kümmern sollen.

Als Purity einen Sohn zur Welt bringt, verfällt sie in Depressionen und zieht sich in eine Hütte am Strand zurück, während sich die Arbeiterin Nyuk Tsin um das Kind kümmert. Als Nyuks Mann allerdings an Lepra erkrankt, laufen die Dinge auf der Plantage vollkommen aus dem Ruder …

Was zu sagen wäre

Die Romanvorlage zu diesem Film ist so umfangreich, dass die erste Hälfte schon vor fünf Jahren verfilmt wurde – 1965 dreht George Roy Hill "Hawaii" mit Max von Sydow, Julie Andrews, Richard Harris und Gene Hackman. Von den Zuschauern begeistert aufgenommen, von der Kritik verschont wurde die Geschichte Hawaiis in der Zeit von 1820 bis 1841 erzählt, der Niedergang der hawaiischen Kultur durch westliche Einwanderung und Landnahme. Alles weitere hat jetzt, ohne sich groß auf den anderen Film zu beziehen, Tom Gries übernommen, ohne eine Fortsetzung drehen zu wollen. Hawaii wird Teil der Vereinigten Staaten von Amerika und rottet die Beulenpest aus.

Das Projekt scheitert grandios. Gries hat ein reiches Personaltableau, das er über einen Zeitraum von 30 Jahren verstreut. Erwähnt wird die Ansiedlung von Chinesen als billige Arbeitskräfte, die dann von Japanern verdrängt werden, die noch billiger sind. Erwähnt wird eine scheiternde Ehe zwischen der Hauptfigur und seiner Frau, die lieber mit ihrem hawaiischeu Volk in Hütten leben möchte anstatt in einem Herrenhaus. Erwähnt wird die Urbarmachung der Insel durch Wasser, das ein Genie aus unerwartet tiefen Gesteinsschichten an die Oberfläche holt, und der Anbau von aus Französisch-Guyana geraubter Ananasfrucht, die zumGrundstein eines Imperiums wird. Erwähnung findet auch die unterschiedliche Auffassung von Familie bei Weißen und bei Chinesen. Und natürlich gibt es irgendwann einen militärischen Konflikt, bevor Hawaii schließlich ein US-Bundesstaat wird.

Das ist ein farbenfroher Bilderbogen, aufwändig, vielschichtig, dramatisch. Nur gar nicht spannend. Ich habe nicht zufällig geschrieben, was alles erwähnt wird. Denn alles wird nur erwähnt – nicht erzählt. Dauernd steht Whipple Hoxworth vor einem riesigen Problem. In der nächsten Szene sind ein paar Tage, ein paar Monate, ein paar Jahre vergangen, das Problem ist längst keines mehr, es hat sich zu Whipples Gunsten erledigt. So sammeln wir Geschichtsahnung an – ach so: Ananas, ja? Und tatsächlich: Kein Wasser auf der Vulkaninsel?. Die Figuren bleiben eindimensional. Plakatmotiv (US): The Hawaiians (1970) Whips Gattin mit dem schönen Namen Purity zeugt ihm ein Kind und besinnt sich dann auf ihre hawaiischen Wurzeln. Warum? Bleibt unerklärt und ungezeigt. Der Konflikt zwischen den beiden wird ausschließlich über sexuelle Frustration – er will, sie nicht – erzählt, und über Geraldine Chaplins (Doktor Schiwago – 1965) ängstlich verweinte Augen. Whip also schnappt sich „meinen Sohn!“ und stapft dem nächsten Problem entgegen und ein paar Filmminuten später ist der Sohn erwachsen und übernimmt die Facette Gutes Gewissen, während Whip mit dem Alter zunehmend knurriger und herrischer wird; eine Paraderolle für Charlton Heston, den hölzernen Prachtkerl mit Baumstamm-Charme (Planet der Affen – 1968; Der Verwegene – 1967; Sierra Charriba – 1965; El Cid – 1961; Ben Hur – 1959; König der Freibeuter – 1958; Weites Land – 1958; Im Zeichen des Bösen – 1958; Die zehn Gebote – 1956; Am fernen Horizont – 1955; Pony-Express – 1953). Nach Der Verwegene ist "The Hawaiians" seine zweite Zusammenarbeit mit Tom Gries.

Es gibt noch Whipple Cousin, der ein intriganter Geschäftsmann ist, später aber plötzlich ein ganz ordentlicher Typ; es gibt noch die Chinesin Nyuk Tsin, die hauptsächlich geschäftstüchtig ist und viele Söhne und Enkelkinder bekommt. Und so galoppiert der Film immer weiter, ist mal hier, mal da, konzentriert sich auf nichts richtig und dann ist Hawaii plötzlich angeschlossen, das alte Chinatown wird, um die Ratten auszumerzen, abgefackelt und dann bauen Whipple und Nyuk Tsin die Insel nach dem Abspann vermutlich zu heutiger Blüte auf und werden beide steinreich.

"The Hawaiians" ist ein gutes Beispiel für eine gescheiterte Romanverfilmung. All das, was James A. Michener in seinem Buch noch erzählt hat, was den Charakteren Tiefe und Spannung und den nötigen Schuss Melodram gab, kann die Verfilmung nicht liefern, weil sie mit 130 Minuten Lauflänge schon kaum die reine Rahmenhandlung in den Griff bekommt. Je länger der Film mit seinen vielen leeren Figuren dauert, desto langweiliger wird er.

Wertung: 2 von 8 D-Mark
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