IMDB

Plakatmotiv: Im Zeichen des Bösen (1958)

Böser Bulle und Guter Bulle in
einem düsteren Meisterstück

Titel Im Zeichen des Bösen
(Touch of Evil)
Drehbuch Orson Welles & Franklin Coen
nach dem Kriminalroman "Unfehlbarkeit kann tödlich" sein ("Badge of Evil") von Whit Masterson
Regie Orson Welles, USA 1958
Darsteller

Charlton Heston, Orson Welles, Janet Leigh, Joseph Calleia, Akim Tamiroff, Joanna Moore, Ray Collins, Dennis Weaver, Valentin de Vargas, Mort Mills, Victor Millan, Lalo Rios, Michael Sargent, Phil Harvey, Joi Lansing, Harry Shannon, Marlene Dietrich, Zsa Zsa Gabor u.a.

Genre Drama, Film Noir
Filmlänge 95 (106) Minuten
Deutschlandstart
5. September 1958
Inhalt

Der mexikanische Drogenbeamte Ramon Miguel Vargas muss vorzeitig aus seinen Flitterwochen in den Dienst zurückkehren, um den Mord an einem amerikanischen Bauunternehmer aufzuklären. Getötet von einer Autobombe, kam er auf der amerikanischen Seite der Grenze ums Leben. Doch für Vargas besteht kein Zweifel, dass die Bombe in Mexiko angebracht wurde.

Als er den korrupten Polizei-Captain Hank Quinlan, der die Ermittlungen von US-Seite aus leitet, dabei erwischt, wie er einem mexikanischen Jungen Beweismaterial unterschieben will, nimmt er Quinlans frühere Fälle genauer unter die Lupe. Gerade als er dem Verräter auf die Schliche gekommen zu sein scheint, wird seine Frau Susie von der kriminellen Grandi-Familie aus Mexiko City bedroht. Die Grandis wittern nämlich die optimale Gelegenheit, den nervigen Drogenbeamten Vargas endlich unter Druck zu setzen – oder ihn und seine Liebsten gleich ganz unter die Erde zu befördern …

Was zu sagen wäre

Unter amerikanischen Filmregisseuren gilt Orson Welles als das kreative Enfant terrible seiner Zeit. Der Regisseur, den Filmkritiker noch heute für den 1941 entstandenen Citizen Kane feiern ("Bester Film aller Zeiten"), galt als visuell und formal arbeitender Künstler, aber als schwieriger Mensch, der Fristen nicht einhielt, wenn er mit seinem Werk noch nicht zufrieden war. Seine Filme waren keine Kinokassenmagneten. Citizen Kane wurde gefeiert, brachte den Produzenten aber kaum Geld. Trotzdem finanzierten sie ihm immer wieder seine Projekte. Zwischen damals und "Im Zeichen des Bösen" drehte er zehn Film, in denen er dreimal nicht genannt wurde. Es waren Shakespeare-Stücke darunter, Dramen wie "Die Lady von Shanghai" (1947) und düstere Kalter-Krieg-Thriller.

In "Touch of Evil" deckt ein aufrechter mexikanischer Polizist illegale Machenschaften und Beweisfälschungen eines gefeierten Polizeicaptains in einer amerikanisch-mexikanischen Grenzstadt auf – in einem US-Film von 1958. Orson Welles selbst spielt den bärbeißigen, korrupten US-Cop lustvoll finster. Plakatmotiv (US): Touch of Evil (1958) Den mexikanischen Polizisten spielt dunkel geschminkter Charlton Heston mit schwarz gefärbtem Haar. Das ist ein nur insofern gelungener Besetzungscoup, als das US-amerikanische Publikum schon einen als aufrechter Amerikaner bekannten Schauspieler in der Rolle brauchte, um an dessen Integrität zu glauben (Die zehn Gebote – 1956; Am fernen Horizont – 1955; Pony-Express – 1953). Der Kniff passte zu Orson Welles' kreativem Dickkopf (Macbeth – 1948; "Die Lady von Shanghai" – 1947; Citizen Kane – 1941).

Der Film glänzt in prächtigem Schwarz-Weiß, mit schräg gestellten Kamerabildern und einer knapp vierminütigen, ungeschnittenen Eingangssequenz, in der die Kamera auf Augenhöhe einen Mann beobachtet, der im Kofferraum eines Cabriolets eine Bombe platziert, deren Zeitzünder auf wenige Minuten gestellt ist. In dieses Auto steigt ein Paar ein – älterer Mann, junge Frau. Der Mann fährt los. Die Kamera hebt sich in den Himmel, verfolgt das Cabrio, das von einem Hinterhof auf die Straße fährt, an Kreuzungen halten muss und sich langsam dem Grenzposten nähert. Die Kamera schwebt wieder zu Boden und erfasst Charlton Heston, der mit seiner frisch angetrauten Frau fröhlich die Straßen entlang geht. Sie haben einen kurzen Dialog und kommen mehrfach nahe an das Cabrio, in dem die Bombe tickt. Am Grenzposten sagt die junge Frau im Auto, dass sie ein ticken hört. Aber das interessiert niemanden. Der Wagen fährt aus dem Bild. Dann hören wir die Explosion. Ein fantastischer Einstieg. Er zeigt den Mord, um den es in der Folge gehen wird. Er stellt den mexikanischen Polizisten vor, der offenbar sehr geachtet wird in seinem Land für seine unbestechlichen Ermittlungserfolge. Auch fragen wir uns, ob die Kofferraumbombe das frisch gebackene Ehepaar in Mitleidenschaft ziehen wird – es ist immerhin ein Orson-Welles-Film – und aus heutiger Perspektive (ich schreibe den Text 1999) fragt sich der Filakademiker, ob es Welles wohl hinbekommen hat, dass die Bombe während der geschilderten Plansequenz explodieren wird, was bedeuten würde, dass die beiden Insassen unauffällig aus dem Auto geholt und gegen Dummies ersetzt werden müssten. Schließlich waren auch die Kameras 1958 nicht so klein wie heute. Diese Plansequenz war mit erheblichem Aufwand verbunden und ging zurecht in die Filmgeschichte ein.

Inhaltlich bewegt sich Welles im Rahmen des Film Noir; Gut und Böse sind nicht trennscharf zu unterscheiden. In der Gegen südlich und nördlich der amerikanisch-mexikanischen Grenze haben sich die Menschen eingerichtet. Plakatmotiv (US): Touch of Evil (1958) Polizei und Verbrecher leben nebeneinander her, die Gangs machen ihre Geschäfte, die Cops hier und da Verhaftungen. Der mexikanische Polizist ist in diesem Milieu ein Außenseiter, der die Ruhe stört. Und so tun sich der Gangsterboss und Hank Quinlan, der Oberbulle, zusammen, um den Mexikaner zu diskreditieren.

Das geht mit – für 1958 – überraschend brutalen Szenen einher, in der die nur leicht bekleidete Janet Leigh (Die Wikinger – 1958; Prinz Eisenherz – 1954) von einer Gruppe junger Männer im Motelzimmer bedroht wird – dann schließt sich die Tür, wir erfahren nicht, was der Frau angetan wird. Aber: Zwei Jahre später checkt Janet Leigh unter der Regie von Alfred Hitchcock in Psycho wieder in einem abseits gelegenen Motel ein und wird von einem wahnsinnigen Hotelbesitzer ermordet. So ein ähnlicher Typ ist in "Im Zeichen des Bösen" der Nachtportier, ein menschenscheuer, ängstlicher Typ, der seine Sinne offenbar nicht beieinander hat. Dennis Weaver, später bekannt worden in Steven Spielbergs Duell (1971) und als Cowboy in New York in der gleichnamigen TV-Serie, spielt ihn so unheimlich, dass er für Anthony Perkins möglicherweise Anschauungsmaterial für Psycho geliefert hat.

Der Film erzählt aber auch von den Selbstheilungskräften einer Gesellschaft. Als Captain Quinlan seine Machenschaften überdreht, kommen einige seiner Cops zur Besinnung und merken, dass es so nicht weitergehen kann und handeln entsprechend. Der Weg in eine positivere, gerechtere Zukunft steht also offen. Allerdings stellt sich auch heraus, dass der junge Mexikaner, den Quinlan mit seinen gefälschten Beweisen des Bombenmordes überführt hatte, auch tatsächlich der Mörder war. Waren Quinlan Methoden am Ende also zwar fragwürdig, aber von Erfolg für die Gerechtigkeit gekrönt? Mit dieser Frage entlässt uns der Film in die schwarze Nacht.

Wertung: 7 von 7 €uro
IMDB