Erin Tierney ist auf der Flucht. In Boston ist ihr die Polizei auf der Spur, verdächtigt sie, einen Mord begangenen zu haben. Es verschlägt sie nach Southport, ein kleines, beschauliches Küstenstädtchen in North Carolina.
Hier will Erin versuchen, ein neues Leben zu beginnen. Sie nimmt den Namen Katie an, mietet sich ein kleines Holzhaus im Wald und findet in einem Lokal am Strand einen Job als Kellnerin. Sie will nicht auffallen, im Hintergrund bleiben. Aber in so einem kleinen Städtchen, das so wirkt, als bestehe es aus einem Kramladen, einem Fischrestaurant und entspannten Touristen, kann man nicht im Hintergrund bleiben. Katie/Erin fühlt sich wohl, von der aufrichtigen Wärme und Zuneigung der eng verbundenen Gemeinschaft von Southport angezogen, ganz besonders von Alex Wheatley, der alleine zwei Kinder, Lexie und Josh, aufzieht und den Kramladen im Ort führt. Alex findet Katie sympathisch, seine Tochter Lexie versteht sich sofort prächtig mit ihr, sein Sohn Josh ... sein Sohn hat den Tod der Mutter noch nicht verarbeitet und kapselt sich ab.
Ebenfalls engen Kontakt knüpft Erin/Katie zu ihrer Nachbarin Jo, die auch in einer Hütte im Wald lebt, auch allein. Jo ist tough, gibt Erin den entscheidenden Schubs zurück ins Leben, ohne freilich zu ahnen, welche Vergangenheit Katie mit sich herum trägt. Diese Vergangenheit holt Erin immer wieder ein, schreckliche Erinnerungen verfolgen sie, nachts schreckt sie aus Albträumen hoch und gefährden ihr fragiles Glück. In Boston hat die Polizei Erin Tierney gerade zur bundesweiten Fahndung ausgeschrieben, sie wird als Mörderin gesucht. Vor ihrer Flucht hatte Katie offenbar einen Mann – ihr Freund? Ihr Mann? – mit einem Messer verletzt, nachdem der sie in einem seiner jähzornigen Anfälle angegriffen hatte.
Alex und Katie/Erin haben gerade Vertrauen zueinander gefasst, da entdeckt Alex auf der Polizeistation in Southport ein Fahndungsplakat mit einem Phantombild. Er wird wütend auf Erin, weil die ihm nichts davon erzählt hat und macht ihr schwere Vorwürfe. Verzweifelt packt Erin ihre Sachen zusammen und verlässt die beschauliche Idylle.
Jetzt macht Alex sich Vorwürfe, weil er ihr Vorwürfe gemacht hat, ohne erst einmal zuzuhören. Dabei hat er längst sein Herz an sie verloren. Aber da hat die Fähre mit Katie drauf schon abgelegt …
Der Ort der Erlösung erstrahlt im satten orange-gelb des Indian Summer an der Nordost-Küste der USA. Es ist der größtmögliche Unterschied zum nächtlichen, verregneten Großstadt-Polizei-Einsatz, der den Prolog bildet. Diese ersten Bilder unter dem Titel sagen: Alles wird gut, lehn′ Dich zurück, Du bist in einer Geschichte von Nicholas Sparks (Das Leuchten der Stille – 2010; Wie ein einziger Tag – 2004; Message in a Bottle – 1999), Lasse Halström hat die Regie. Hallström (Das Leuchten der Stille – 2010; Ein ungezähmtes Leben – 2005; Schiffsmeldungen – 2002; Chocolat – 2000; Gottes Werk & Teufels Beitrag – 1999; Power of Love – 1995; Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa – 1993; ABBA: Der Film – 1977) hat ein Händchen für gelungene romantische Filme. An diesem hat er sich verhoben. Das liegt aber nicht an seiner Regie. Es ist die Geschichte, die durchhängt.
Nicholas-Sparks-Kino funktioniert wir Systemgastronomie
In eine Nicholas-Sparks-Verfilmungzu gehen ist dasselbe, wie Systemgastronomie zu besuchen: Du weißt vorher, wie's schmeckt. Deswegen gehst Du ja hin. Die Nicholas-Sparks-Romantik funktioniert immer nach demselben Rezept: Boy meets Girl. Einer der beiden hat viel zu früh den Lebenspartner verloren. Er/Sie hat ein oder zwei entzückende Kinder behalten, von denen eines – wenn es denn zwei Kinder sind – muffig/in sich gekehrt/abweisend/sonstwie schlecht drauf ist. Es gibt eine Tante oder einen Onkel älteren Semesters, die/der das keimende neue Glück wissend/wohlwollend lächelnd mit kauzigen Kommentaren begleitet – seit Sparks durch Message in a Bottle, der Verfilmung seines dritten Romans, dem ganz großen Publikum bekannt wurde, in dem Paul-Newman diese gütig kauzige Senior-Rolle inne hatte, hat Sparks sie in all seine Geschichten eingebaut, die längst schon zweigleisig entwickelt werden – Buch und Drehbuch entstehen parallel.
Und natürlich spielt unsere Romanze an einem malerischen Ort – ständige Beigaben sind Strand und Meer und gerne North Carolina – an dem alle ganz furchtbar nett sind – bis auf den einen, der für die dunklen Wolken in unserer Geschichte sorgt. Kurz: Auch in "Safe Haven" fühle ich mich gleich gut und geborgen. Dass Cobie Smulders (Avengers – 2012; "How I met Your Mother" - US-TVserie 2005-2013) mitspielt, gibt dem ganzen das Sahnehäubchen. Sie gibt die allein lebende Nachbarin im Wald, den erwachsenen Freundinnenpart zu der propperen Blondine mit den blauen Augen und den patenten Händen, die sich auf jeden Fall selber helfen will und kann. So weit also, so gut also. Die optischen Zutaten stimmen. Das ist nicht wirklich überraschend, in der US-Filmindustrie sitzen die Profis, die eine Romanze Romanze sein lassen und ihr nicht eine gesellschaftskritische Haltung beimischen wollen.
Der Film liefert Bausteine, aber kein fertiges Haus
Bei solchen Filmen kommt es vor allem darauf an, die neuralgischen Punkte (s.o.) so zu erzählen, dass sie frisch und glaubwürdig erscheinen. aber das funktioniert in "Safe Haven" nicht. Die beiden Hauptfiguren finden keine gemeinsame Chemie, ihr verliebtes aneinander herantasten bleibt Behauptung. Die – erwarteten – Storywendungen (siehe "dunkle Wolken") werden herbei konstruiert, nicht hergeleitet. Gleich nach der ersten romantischen Nacht sieht Alex einen Steckbrief und wirft Katie/Erin aus seinem Leben. Diese Situation ist in dieser Art Geschichten/Filmen wichtig, um wenig später eine anrührende Versöhnungsszene mit "Ich liebe Dich"-Ausspruch erzählen zu können. Nachbarin Jo, die der offenbar verzweifelten Frau helfen will, lässt sich von einem – nahe liegenden – Satz in die Schmollecke vertreiben. Das erklärt sich, wie so manches komische Randverhalten, in einem Twist am Ende, aber da ist die gute Kinozuschauer-Laune schon dem ganzen Bausteinkino zum Opfer gefallen. Hallström liefert alle Bausteine, baut aber nicht das Haus – für das eigentlich ich den Eintritt bezahlt habe.
Was hat zum Beispiel Joey, den muffig-rebellischen Jungen, bewogen, Katie plötzlich zu mögen? Sparks und seine Autoren Dana Stevens und Gage Lansky bleiben die Erklärung schuldig, erzählen hier beliebig und ohne Charme. Dass alles so kommt, wie es kommt, liegt bei dieser Art Filmen (s.o.) auf der Hand – auch wenn ich ehrlich gesagt den Ersten Kuss im Regen vermisst habe: Den Regen gibt es, den Kuss und die bei Sparks dann bislang zwingend folgende leidenschaftliche erste Begegnung gibt es hier nicht – was sofort als Mangel auffällt, so als gäbe es auf dem Cheesburger plötzlich keine Gurkenscheibe mehr.
EffektEffektEffekt
Und also finden sich die beiden wieder und es kommt – nach weiterer romantischer Zweisamkeit – zur großen Lebensbeichte, bei der er oben ohne im Bett liegt, sie aber noch das Feinripp anhat(?!?). Das ist EffektEffektEffekt um eines romantischen Bildes wegen – da hat sich Hallström, der es ja kann, von Nicholas Sparks' Romantikgesäusel blenden lassen.
Es ist nicht gut, wenn solche Stories gleichzeitig für den Buch- und den Filmmarkt produziert werden. Da bleibt zwangsläufig der Charme einer schönen Erzählung auf der Strecke und reduziert sich auf ein Tränen ziehendes Ende.