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Plakatmotiv: Knives Out – Mord ist Familiensache (2019)

„Wer hat's getan?“ ist nicht die
richtige Frage. Sondern „Warum?“

Titel Knives Out – Mord ist Familiensache
(Knives Out)
Drehbuch Rian Johnson
Regie Rian Johnson, USA 2019
Darsteller

Daniel Craig, Chris Evans, Ana de Armas, Jamie Lee Curtis, Michael Shannon, Don Johnson, Toni Collette, LaKeith Stanfield, Christopher Plummer, Katherine Langford, Jaeden Martell, Riki Lindhome, Edi Patterson, Frank Oz, K Callan u.a.

Genre Komödie, Crime
Filmlänge 131 Minuten
Deutschlandstart
2. Januar 2020
Inhalt

Harlan Thrombey ist tot! Und nicht nur das – der renommierte Krimiautor und Familienpatriarch wurde auf der Feier zu seinem 85. Geburtstag umgebracht. Doch natürlich wollen weder die versammelte exzentrische Verwandtschaft noch das treu ergebene Hauspersonal etwas gesehen haben.

Ein Fall für Benoit Blanc! Der lässig-elegante Kommissar beginnt seine Ermittlungen und während sich sämtliche anwesenden Gäste alles andere als kooperativ zeigen, spitzt sich die Lage zu und das Misstrauen untereinander wächst. Ein komplexes Netz aus Lügen, falschen Fährten und Ablenkungsmanövern muss durchkämmt werden, um die Wahrheit hinter Thrombeys vorzeitigem Tod zu enthüllen …

Was zu sagen wäre

Rian Johnson hat offenbar eine Ablenkung vom Trubel gebraucht, der um seine Star-Wars-Episode VII Die letzten Jedi entstanden ist. Die Wütenden wollten den Teil aus der Serie verbannt sehen, die Begeisterten ihm sowohl die Regie der nächsten Episode als auch die Konzeption der Folge-Trilogie übertragen. Johnson hat das alles dankend abgelehnt und lieber was, na sagen wir: Kleines gedreht.

"Knives Out" erinnert an die gute alte Agatha-Christie-Dramaturgie: Ein Herrenhaus, ein toter Patriarch und mehrere Familienmitglieder, die Grund hatten, den Alten zu töten, dazu gesellt sich ein Privatdetektiv mit franko-belgischem Namen und lauter Gründe, warum es keiner der Verdächtigen gewesen sein kann. Es wird viel geredet in solchen Filmen, zwangsläufig, also besetzt man am besten gute Schauspieler, die die Wo-waren-Sie-zur-Tatzeit-Dialoge und Wir-sind-eine-glückliche-Familie-Antworten glaubwürdig sprechen können. Das ist Rian Johnson gelungen.

Aber dann dreht er den Spieß um. Während die Fox-Studios zurzeit die Christie-Klassiker mit Kenneth Branagh neu auflegen, biegt Johnson auf halber Strecke vom Agatha-Christie-Way ab. Nicht nur legen allerlei Indizien und Tatortuntersuchungen nahe, dass der Patriarch sich selbst die Kehle durchschnitten hat, auch liegt das, was in der besagten Nacht geschah, schon bald offen zutage, weil es uns der/die Verantwortliche nach 45 Minuten selbst erzählt und die Zuschauer im Kinosessel zwingt, mit ihr/ihm zu bangen, denn Ausgangspunkt war offenbar ein Unfall, eine Verwechslung.

Zu solchen Filmen gehört die Szene, in der das Testament des Verstorbenen verlesen wird. Die Kamera weidet sich an den gierigen Grimassen der längst als eitel, unfähig, ohne Empathie entlarvten Familienmitglieder, der Notar erklärt, der Erblasser habe das Testament „eine Woche vor seinem Tod geändert“, die gierigen Grimassen werden unruhig und im Kinosessel ahnen wir schon, wie das neue Testament lautet und sind bereit, alles über den Haufen zu werfen, was wir als Gewissheit bis jetzt in uns trugen. Die Oberklasse, die Johnson uns hier vorführt, ist eine, die es so nicht gibt, nicht geben kann, alle ruhen sich auf den Millionen des Erfolgskrimis schreibenden Großvaters aus. Agatha Christie entlarvte ihre reichen Verdächtigen in klug zugespitzten Dialogen als Snobs, Johnson nimmt einen weißen Strickpullover mit Löchern, in dem Chris Evans als verzogener Sohn seine arbeitende-Menschen-gehen-mir-am-Arsch-vorbei-Attitüde herumträgt.

Das würde sich verspielen, gäbe es nicht auch in diesem Herrenhaus Menschen, die die Arbeit erledigen, in diesem Fall die Pflegerin des alten Herrn, Tochter illegaler Einwanderer, die alle in der Schriftstellerfamilie behaupten, besonders zu lieben – aber nicht mal wissen, woher sie stammt, jeder weiß etwas anderes, Brasilien, Paraguay, Uruguay. Die Kubanerin Ana de Armas spielt sie (Yesterday – 2019; Blade Runner 2049 – 2017), still, großäugig, duldsam und kreativ. Es werden die jungen Mitglieder der Familie sein, die sich in ihrer ganzen Verachtung für das Personal schließlich verstolpern und entlarven. Rian Johnson hat sicher ganz viel Spaß gehabt, als er das Drehbuch entwarf und dann aufschrieb und sukzessive alle Stolperdrähte und Logiklöcher füllte, seinem Donut quasi mit einer sättigenden Mitte sein Loch stopfte.

Die Donut-Metapher steht im Drehbuch. Daniel Craig sagt sie, als er erläutern will, wie weit seine Ermittlungen gediehen seien. Er habe einen klaren Fall mit einem Loch in der Mitte wie bei einem Donut und dieses Loch fülle ein weiterer Donut – das Loch bliebe also, wäre nur ein ganz anderes. Daniel Craig im Tweedanzug von der Stange spielt den Außenseiter im Rund der verhinderten Erben und trägt nichts James-Bond-artiges zur Schau, ergötzt sich stattdessen in breitem Südstaatenakzent an diesem Rollengeschenk. Zu ihm gesellen sich die Grand Dame Jamie Lee Curtis (Halloween – 2018; Der Schneider von Panama – 2001; Virus – Schiff ohne Wiederkehr – 1999; Wilde Kreaturen – 1997; True Lies – Wahre Lügen – 1994; "Blue Steel" – 1990; Ein Fisch namens Wanda – 1988; Buckaroo Banzai – Die 8. Dimension – 1984; Die Glücksritter – 1983; The Fog – Nebel des Grauens – 1980; Halloween – Die Nacht des Grauens – 1978), Miami-Vice-Denkmal Don Johnson, Hollywood-Urgestein Christopher Plummer, die Australierin Toni Colette und Michael Shannon, Spezialist für zwielichtige Typen (Shape of Water: Das Flüstern des Wassers – 2017; Nocturnal Animals – 2016; Man of Steel – 2013).

Rian Johnson hat, nachdem er gerade erst die Star-Wars-Reihe auf erfrischende Weise wieder auf die Füße gestellt hat, hier nun dem Whodunnit ein Uplift verpasst, dem ich mich im Kinosessel gerne hingebe und tatsächlich mit der Hauptfigur mitfiebere.

Wertung: 7 von 8 €uro
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