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Plakatmotiv: Ein Fisch namens Wanda (1988)

Culture-Clash, Fish-Eater,
sehr sexy und sehr lustig

Titel Ein Fisch namens Wanda
(A Fish called Wanda)
Drehbuch John Cleese + Charles Crichton
Regie Charles Crichton (und John Cleese), UK, USA 1988
Darsteller

John Cleese, Jamie Lee Curtis, Kevin Kline, Michael Palin, Maria Aitken, Tom Georgeson, Patricia Hayes, Geoffrey Palmer, Cynthia Cleese, Mark Elwes, Neville Phillips, Peter Jonfield, Ken Campbell, Al Ashton, Roger Hume u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
26. Januar 1989
Inhalt

Dem schmierigen Ganoven George gelingt der ganz große Coup. Zusammen mit seinem Bruder, dem stotternden Tierschutzaktivisten Ken, seiner Geliebten Wanda und deren Bruder Otto, einem pseudointellektuellen Ex-CIA-Killer, gelingt es ihm, Juwelen im Wert von 13 Millionen Pfund zu rauben.

Die Beute wird in einem abgelegenen Versteck gut verwahrt, danach will man weitersehen. Doch George kehrt noch einmal zurück und nimmt die kostbaren Klunker an sich, denn er traut Otto nicht über den Weg.

Plakatmotiv (DDR): Ein Fisch namens Wanda (1988)Völlig berechtigt, wie sich herausstellt, da dieser mitnichten mit Wanda verwandt ist und mit ihr zusammen die ganze Zeit über ein doppeltes Spiel gespielt hat …

Was zu sagen wäre

Eigentlich eine harmlose Geschichte. Vier Räuber rauben Diamanten. Drei spielen falsch und prompt geht alles schief. Nicht schiefgehen im Sinne von Polizeisirenen, Verfolgungen und solche Sachen. Nein, es geht schief, weil die Kommunikation nicht funktioniert. Wanda und Otto spielen falsch und verraten den Anführer, George, an die Polizei. George ist aber der einzige, der weiß, wo die Diamanten sind, die er – auch Falschspieler – aus dem gemeinsamen Versteck geholt hat. Wanda findet dann eher zufällig den Schlüssel für das entscheidende Schließfach, von dem es aber im Großraum London Tausende gibt. Das sagt sie niemandem, auch nicht Otto, den sie bei erfolgreichem Abschluss des Geschäfts ebenso aus dem Verkehr ziehen will wie George.

Und damit wird es kompliziert. Jetzt augenklimpert sich Wanda an Archie Leach heran, Georges Anwalt. Der müsste doch als erster erfahren, wo George die Diamanten versteckt hält. Und man(n) kann den honorigen Anwalt verstehen, dass er den Verführungskünsten der attraktiven Frau verfällt. Jamie Lee Curtis spielt die Wanda ("Dominick und Eugene" – 1988; "Perfect" – 1985; The Fog – Nebel des Grauens – 1980; Halloween – Die Nacht des Grauens – 1978). Und sie spielt sie als sexuell schamlose, eiskalte, geldgierige Frau, die aber selbst noch nicht so genau weiß, was sie will. Sie mag es offenbar auch, Leute zu manipulieren und auszutricksen. Als Femme fatale strotzt sie vor Selbstbewusstsein, ist frei von was für Komplexen auch immer. John Cleese erzählt, er sei bei der Suche nach den richtigen Schauspielern für den Film über den Film Die Glücksritter (1983) gestolpert und sei von Curtis' Energie begeistert gewesen. Das merkt man. Die beiden ergänzen sich wunderbar. Da mögen sich zwei.

Cleese ("Clockwise" – 1986; Silverado – 1985; "Kapitän Dotterbart" – 1983; "Der Sinn des Lebens" – 1983; "Time Bandits" – 1981; Das Leben des Brian – 1979; Die Ritter der Kokosnuss – 1975) erzählte später im Audiokommentar der DVD zum Film, Curtis habe ihn dazu bewegen wollen, ohne Probe zu spielen. Das war Cleese bis dahin fremd. Normalerweise probe er eine Szene, bis sie sitzt. Das habe zur Folge, dass er in der Lage ist, sie beliebig oft genau gleich zu spielen. Für das Genre sei das aber gut: „Die Komödie verlangt exaktes Timing.“ Aber er ließ sich auf Curtis' Wunsch ein und entdeckte: Er konnte spielen, was im Moment wichtig war. Offenbar hat auch ihm das geholfen.

Cleese ist wunderbar in diesem Film. Seine Augen sagen alles: Archie Leach, der verklemmte Brite, weiß, dass er knapp 20 Jahre älter ist als diese offenherzige Amerikanerin. Er weiß, dass er sich da in etwas verrennt, das der Brite verabscheut – Neues. In einer Szene sagt er, in Großbritannien sei es das hehre Ziel, Probleme für sich zu behalten, nicht aufzufallen, „Du fragst Haben Sie Kinder? und die Antwort ist Sie sind letzten Mittwoch bei dem Hochhausbrand ums Leben gekommen.

Videocover (US): Ein Fisch namens Wanda (1988)Die Romanze mit Wanda war im Ursprung des Films gar nicht angelegt. Ursprünglich hätte Wanda Archie genauso entsorgt wie seine Vorgänger. Aber Cleese, der sich mit seinem 30 Jahre älteren Freund und Kollegen Charles Crichton Drehbuch und Regie gemeinsam erarbeitet hatte, ist ein Ensemble-Mensch, das hat er bei Monty Python gelernt. Also hörten er und Crichton auf die Ideen, die vor allem Kevin Kline in großer Zahl einbrachte (Silverado – 1985; Der große Frust – 1983; "Sophies Entscheidung" – 1982), und hörten später auf die Meinungen der Zuschauer einiger Testvorführungen. Letztere wollten ein Happy End und, dass die im Script anfangs nur als Möglichkeit gedachte Romanze eine tatsächliche Romanze wird. Also musste ein bisschen nachgedreht werden. Das hat sich gelohnt.

Man merkt diesem Film seine Harmonie jederzeit an. Als die Besetzung stand, wurde plötzlich deutlich, dass da zwei US-Amerikaner auf zwei Briten treffen. Also verschärfte Cleese, der ein großer Sprach-Fan ist, zusammen mit Kevin Kline diesen Aspekt. Heraus kommt eine Kriminalgroteske, in der die Protagonisten sich wegen mangelnder Kommunikation in immer neue Schwierigkeiten bringen. Und das ist lustig, weil hinter der Kamera offenbar eine sehr fruchtbare Kommunikation funktionierte. „I've got an Idea!“ soll das geflügelte Wort am Set gewesen sein. Jeder durfte sich einbringen. Was normalerweise tödlich ist für einen Film – viele Köche hier, exaktes Timing bei Komödien da – hat bei dem Monty-Python-erprobten John Cleese großartig funktioniert.

Auch der britisch-amerikanische Gegensatz, den der Film so wunderbar karikiert, hat hinter der Kamera begonnen. John Cleese, der, wie gesagt, gerne erschöpfend probt, stand Kevin Kline gegenüber, der den Otto spielt und der vor allem sehr sehr gerne improvisiert. Kline sagt, Cleese habe ihn damit gelockt, den „bösesten Mann der Welt“ spielen zu dürfen. Er solle einfach selbst rausfinden, ob Ottos Selbstbild (Genie) oder die Außenwahrnehmung (dämlich) der Wahrheit näher kommt. In einer zehntägigen Klausur gingen die beiden – der Brite und der Amerikaner – das Drehbuch durch. Mit Kline geriet jede Probe anders. Er entdeckte vieles in seiner Rolle spontan, darunter Gesten, wie Ottos Schnüffeln in seiner Achselhöhle, als auch originelle Wendungen, wie das unerwartete „Ich bin enttäuscht!“ beim Anblick des leeren Safes – alles Dinge, sagt Cleese, „die einem Drehbuchautor nicht am Schreibtisch einfallen würden“.

Dieser Otto ist eigentlich angelegt als grandioser Unsympathischer, ein Killer, ein Macho, ein Brutalinski, ein Aufschneider, am Ende isst er auch noch lebende Fische – was im Kino für mehr Empörung sorgt als etwa die Attentatsversuche auf die freundliche alte Dame. Otto ist die schillerndste Figur des Films. Kline spielt ihn so, dass ich hin- und hergerissen bin. In ihm spiegelt sich der historisch bedingte Minderwertigkeitskomplex Amerikas gegenüber dem Mutterland England. Dem Vorwurf geistig-kultureller Armut begegnet er mit Imponier- und Machtgehabe. Cleese sagt, Otto symbolisiere Amerikas Absurditäten und Exzesse. Er hält sich selbst für großartig, während alle Welt denkt, Mein Gott, diese Amis. Wanda, die andere Figur aus Amerika, ist da ähnlich. Sie mag cleverer sein als Otto, nicht aber gebildeter, auch sie erfüllt das gängige Vorurteil vom bornierten Amerikaner.

Es lässt sich nur mutmaßen, was das für ein Film geworden wäre, wenn das Ursprungs-Script umgesetzt worden wäre, das eher Richtung Schwarze Komödie zielte. Deswegen sollte ich das lassen. Am Ende steht ein wunderbarer Film mit gut gelaunten Akteuren, der auf mehreren Ebenen Geschichten erzählt – und sehr, sehr lustig ist.

Wertung: 9 von 10 D-Mark
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