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Plakatmotiv: Blutmond – Manhunter (1986)

In Michael Manns Kino
geht Form vor Inhalt

Titel Blutmond
(Manhunter)
Drehbuch Michael Mann
nach dem Roman "Roter Drache" von Thomas Harris
Regie Michael Mann, USA 1986
Darsteller

William Petersen, Kim Greist, Joan Allen, Brian Cox, Dennis Farina, Tom Noonan, Stephen Lang, David Seaman, Benjamin Hendrickson, Michael Talbott, Dan Butler, Michele Shay, Robin Moseley, Paul Perri, Patricia Charbonneau u.a.

Genre Crime, Horror
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
29. Januar 1987
Inhalt

Ein Serienkiller, der immer bei Vollmond zuschlägt und sich "Zahnfee" nennt, weil er seinen Opfern charakteristische Bisswunden zufügt, hält die Polizei von Alabama und Umgebung sowie das FBI auf Trab. In ihrer Not sucht die Institution in Gestalt von Jack Crawford die Hilfe des früheren Kollegen und ehemaligen Profilers Will Graham. Plakatmotiv: Blutmond – Manhunter (1986) Graham galt als einer der besten seiner Zunft, bis er beinahe selbst zum Opfer des kannibalischen Serienkillers Dr. Hannibal Lecktor geworden wäre, den er zu fassen versuchte. Will hatte daraufhin schwer traumatisiert seinen Dienst quittiert.

Crawford gelingt es, seinen Protegeé zu reaktivieren. Auf der Suche nach Francis Dollarhyde, so der bürgerliche Name der Zahnfee, muss sich Graham seinem Trauma stellen, da zwischen Hannibal und Francis eine Verbindung besteht, auf die sie der Gefängnisdirektor Frederick Chilton bringt, unter dessen Führung Hannibal mittlerweile einsitzt.

Als die Zahnfee als Zeichen der Warnung den schmierigen Sensationsreporter Freddy Lounds auf spektakuläre Weise aus dem Leben scheiden lässt und auch Grahams Familie bedroht, versucht dieser die Ermittlungen noch stärker voran zu treiben. Derweil hat die Zahnfee in der blinden Reba McClane ein besonderes Objekt der Begierde gefunden …

Was zu sagen wäre

Der Jäger und der/die/das Gejagte – das ist eine Beziehung, die weit über den Flintenlauf, den der eine auf den/die/das andere richtet, hinausgeht: Je besser sich der Jäger in seine Beute einfühlen, jeden Schritt voraus ahnen kann, desto höher sind seine Chancen, die Beute auch tatsächlich zu erlegen. Die Sicherheitsbehörden in aller Welt haben dafür die Position des "Profilers" geschaffen. Der Profiler schaut nicht, ob Fingerabdrücke am Tatort sind. Der Profiler versetzt sich in die Psyche des Täters, um der Finger zu werden, der den Abdruck hinterlassen hat.

Thomas Harris hat die Arbeit der Profiler in einen Serienmörder-Thriller eingebaut. Weil der Profiler sich dem Täter auf der tiefenpsychologischen Ebene zu nähern versucht, ist er selbst auch psychologisch verletzbar. Will Graham hat vor drei Jahren einen Menschenfresser gefasst, Dr. Hannibal Lecktor. Das hat Graham fast den Verstand geraubt. Er stieg aus dem Polizeidienst aus. William Petersen (Leben und Sterben in L.A. – 1985) spielt diesen hoch intelligenten Cop als sensiblen, an sich selbst zweifelnden Kraftkerl.

Jetzt gibt es einen neuen Serienkiller, der Familien auf grausame Weise mordet. Michael Mann (Der Einzelgänger – 1981) bleibt mit seinem Film da sehr auf der Oberfläche – viel rotes Blut auf weißen Wänden in gestylten Häusern. Wir müssen die Romanvorlage zu Hilfe nehmen, um das Ausmaß der Morde zu erahnen: Der Killer hat zwei fünfköpfige Familien gemordet. Im Haus beider Familien sind die Spiegel zerschlagen und Spiegelscherben in die Augen und in die Vagina der Familienmutter eingefügt. Die toten Familienmitglieder wurden in die Nähe gesetzt, damit sie sehen können, wie der Mörder die Mutter anfasst und sie vergewaltigt. Plakatmotiv (US): Manhunter – Blutmond (1986) Solche Bilder wollten uns Michael Mann und seine Produzenten ersparen. Und so heben sie die ganze Story auf eine Meta-Ebene.

Michael Mann ist bekannt vor allem als Erfinder und Produzent der TV-Serie "Miami Vice", in der zwei in Leinensakkos gewandete Cops mit Bundfaltenhose und Loafern Koks-Dealer in Miami jagen; die Serie besticht durch ihr stylisches Design, in dem die Story, bislang unbestreitbarer Mittelpunkt jedes Films, zum Baustein degradiert ist. Dieses Muster findet sich in "Blutmond" wieder.

Die Welt, in der Manns Polizeiprotagonisten leben und arbeiten, ist so stylisch und klinisch rein, dass schon mittlere Blutspritzer reichen, um eine Ordnung aus den Fugen zu erzählen. Auf der Ebene kann man es sich dann schon mal leisten, kaum zu beschreibende Grausamkeiten auf ein paar schneeweiße Schlafzimmer, die mit rotem Blut verschmiert sind, zu reduzieren.

"Blutmond" funktioniert auf einer künstlichen Ebene ganz gut: Die Identifikationsfiguren für den Zuschauer im Kinosessel leben in einer sauberen Welt und die Unordnung, die der Killer dort hinein bringt, wird durch Unordnung in der aseptischen Welt bebildert. Das führt zu einer zweistündigen Sammlung eleganter Abbildungen interessanter Architektur, Portraits schöner Menschen und einer alles in allem doch schwer greifbaren Welt.

"Blutmond" ist ein für die Leinwand aufbereitetes Thesenpapier darüber, welche Verheerung kriminelle Taten in der menschlichen Welt anrichten. Dazu dirigiert Mann designte Personen durch designte Kulissen, die Funktionen erfüllen, aber keine Rolle spielen.

Die Forensik wird zum Fetisch, wo bislang Wo waren Sie gestern zwischen 6 und 8 Uhr oder Schießen statt Fragen vorherrschte. Wunderbar, dass die schöne Frau des Profilers Graham so nonchalant cool mit dem Wortbruch ihres nun doch wieder ermittelnden Gatten umgeht. Aber realistisch? Interessant, dass ein Serienkiller im Hochsicherheitstrakt in der Lage ist, sich mit einem Serienkiller draußen via regelmäßiger Zeitungsannonce auszutauschen. Aber glaubwürdig? Spannend, dass Spitzenbeamte der Sicherheitsbehörden in der Spurensicherung am Tatort elementare Fehler machen, die sich schon ein Praktikant nicht leisten sollte. Aber ernsthaft!?

Michael Mann scheint sich von seinem Miami-Vice-Erfolg noch nicht erholt zu haben – aber das kann ich ihm nicht unterstellen. Das Artifizielle aber, dass seine TV-Serie zum jahrelangen Hit machte, macht seinen Serienkiller-Thriller im Kino kaputt. Dem Film fehlt eine Seele.

Wertung: 4 von 10 D-Mark
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