Ein Serienkiller, der immer bei Vollmond zuschlägt, hält die Polizei von Alabama und Umgebung sowie das FBI auf Trab. Die Beamten nennen ihn "Zahnfee", weil er seinen Opfern charakteristische Bisswunden zufügt. In ihrer Not sucht FBI-Agent Jack Crawford die Hilfe des früheren Kollegen Will Graham.
Graham galt als einer der besten seiner Zunft, bis er beinahe selbst zum Opfer des kannibalischen Serienkillers Dr. Hannibal Lecktor geworden wäre, den er zu fassen versuchte. Will hatte daraufhin schwer traumatisiert seinen Dienst quittiert.
Crawford gelingt es, seinen Protegeé zu reaktivieren. Auf der Suche nach Francis Dollarhyde, so der bürgerliche Name der Zahnfee, muss sich Graham seinem Trauma stellen, da zwischen Hannibal und Francis eine Verbindung besteht, auf die sie der Gefängnisdirektor Frederick Chilton bringt, unter dessen Führung Hannibal mittlerweile einsitzt.
Als die Zahnfee als Zeichen der Warnung den schmierigen Sensationsreporter Freddy Lounds auf spektakuläre Weise aus dem Leben scheiden lässt und auch Grahams Familie bedroht, versucht dieser die Ermittlungen noch stärker voran zu treiben. Derweil hat die Zahnfee in der blinden Reba McClane ein besonderes Objekt der Begierde gefunden …
„Das hälst Du nicht durch. Entweder Du wirst verrückt, oder Du wirst getötet“, sagt die Ehefrau zu ihrem FBI-Ehemann. Verrückt ist der schonmal geworden; beinahe jedenfalls. Michael Mann (Der Einzelgänger – 1981) stellt keinen schießwütigen Cop in den Mittelpunkt seines Thrillers, hält sich überhaupt fern von allem, was nach der in Cop-Filmen gewohnten Action aussieht, Schüsse fallen erst im Finale.
"Manhunter" geht über die Psyche. Will Graham, der Cop im Mittelpunkt, ist begabt darin, sich in Mörder hinein zu versetzen; stundenlang streift er durch den Tatort, stellt dem imaginären Killer Fragen, will herausfinden, warum er was und wie getan hat und warum nicht anders. Je besser sich der Jäger in seine Beute einfühlen, jeden Schritt voraus ahnen kann, desto höher sind seine Chancen, die Beute auch tatsächlich zu erlegen. Die Sicherheitsbehörden haben dafür die Position des "Profilers" geschaffen. Der Profiler schaut nicht, ob Fingerabdrücke am Tatort sind. Der Profiler versetzt sich in die Psyche des Täters, um der Finger zu werden, der den Abdruck hinterlassen hat.
Der Autor der Romanvorlage, Thomas Harris, hat die Arbeit der Profiler in einen Serienmörder-Thriller eingebaut. Weil der Profiler sich dem Täter auf der psychologischen Ebene zu nähern versucht, ist er selbst auch psychologisch verletzbar. Will Graham hat vor drei Jahren einen Menschenfresser gefasst, Dr. Hannibal Lecktor. Das hat Graham fast den Verstand geraubt. Er stieg aus dem Polizeidienst aus. William Petersen (Leben und Sterben in L.A. – 1985) spielt diesen hochintelligenten Cop als sensiblen, an seiner Seele verletzten Kraftkerl. Ihm zur Verfügung steht ein technisch hochgerüstetes FBI, das mit allerlei Spezialgeräten auch die unwahrscheinlichsten Spuren finden und auswerten kann. Aber diese Spuren bringen in diesem Film keinen weiter. Graham sucht die anderen Spuren, die sich im Kopf des Killers zu einer Motivation fügen.
Der Killer hat zwei Familien bestialisch gemordet. Jeweils in der Vollmondnacht. Das FBI geht davon aus, dass er wieder morden wird, in dreieinhalb Wochen, wenn wieder Vollmond ist. Das ist der Countdown, der den Film vorantreibt. Michael Mann bleibt bei den Morden auf der Oberfläche – viel rotes Blut auf weißen Wänden in gestylten Häusern. Im Haus beider Familien sind die Spiegel zerschlagen und Spiegelscherben in die Augen und in die Vagina der Familienmutter eingefügt. Die toten Familienmitglieder wurden in die Nähe gesetzt, damit sie sehen können, wie der Mörder die Mutter anfasst und sie vergewaltigt.
Bilder der ausgestellten Opfer hat Mann nicht gedreht, wir erfahren es aus Gesprächen der Polizeibeamten. Was wir nicht erfahren, sind die grausigen Details, die Harris in seiner Romanvorlage geschrieben hat.
Michael Mann ist bekannt vor allem als Erfinder und Produzent der TV-Serie "Miami Vice", in der zwei in Leinensakkos gewandete Cops mit Bundfaltenhose und Loafern Koks-Dealer in Miami jagen; die Serie besticht durch ihr stylisches Design, das die Story bisweilen überstrahlt. In "Manhunter" wiederholt sich das Konstrukt. Michael Mann legt Wert auf exakte Kadrierung seiner Bilder, sein Protagonist steht nicht einfach im Bild. Er steht exakt in die Mitte des Bildes komponiert, dessen Hintergrund sorgfältig ausgewählt ist. Einmal besucht Cop Graham einen Serienkiller, den er vor einigen Jahren gefasst hat und der heute in einer schneeweißen, fensterlosen Zelle sitzt. Der Fall damals hätte ihm beinahe den Verstand geraubt, Als das Gespräch mit diesem Dr. Lecktor beendet ist, rennt er aus dem Gefngnisgebäude, das überhaupt nicht wirkt, wie ein Gefängnisgebäude. Gedreht hat Mann die Szene im strahlend weißen High Museum of Art in Atlanta. Auch die Häuser der Opferfamilien sind schicke Architekturereignisse, viel Weiß, viel Glas. Eine Welt kontrollierter Ordnung, so stylisch, dass schon mittlere Blutspritzer reichen, um eine Ordnung aus den Fugen zu erzählen. Die Fantasie der Zuschauer im Kinosaal macht daraus mehr, als jedes grausige Bild es vermitteln könnte.
Dabei bleibt diese aseptische Welt auf seltsame Weise menschenleer. Wir sehen das Leben der ermordeten Familien auf Super-8-Filmen. Andere Normalbürger gibt es nicht. Wenn nicht nach der Hälfte des Films schon der Mörder uns Zuschauern sein Gesicht zeigen und uns in der Folge mit in sein sehr durchschnittliches Leben nehmen würde, in welchem er sich in eine Kollegin verliebt, bekämen wir nur FBI-Beamte zu sehen. Ein Leben außerhalb dieser Kriminaler, die eigentlich dafür da sind, diese Welt außerhalb zu schützen, existiert im Film nicht. Das führt zu einer zweistündigen Sammlung eleganter Abbildungen interessanter Architektur, Portraits schöner Menschen und einer alles in allem doch schwer greifbaren Welt.
Die Forensik wird zum Fetisch, wo bislang Wo waren Sie gestern zwischen 6 und 8 Uhr oder Schießen statt Fragen vorherrschte. Wunderbar, dass die schöne Frau des Profilers Graham so nonchalant cool mit dem Wortbruch ihres nun doch wieder ermittelnden Gatten umgeht. Aber realistisch? Interessant, dass ein Serienkiller im Hochsicherheitstrakt in der Lage ist, sich mit einem Serienkiller draußen via regelmäßiger Zeitungsannonce auszutauschen. Aber glaubwürdig? Spannend, dass Spitzenbeamte der Sicherheitsbehörden in der Spurensicherung am Tatort wichtige Spuren übersehen. Aber ernsthaft?
"Manhunter" ist visuell ein starker Film, erzählerisch aber kein starker Thriller. Die Figuren in ihm erfüllen Funktionen, anstatt ein Eigenleben zu entwickeln. Will Graham verlässt den Film, wie er ihn betreten hat, in kurzer Jeans am Strand von Miami. Er wird weder verrückt noch getötet, eine Entwicklung erfährt die Figur nicht und die einzige Bedrohung, die Spannung bringt, ist nach zehn Minuten ausgestanden. Graham grübelt viel, diskutiert mit seinen FBI-Kollegen oder rettet mit seinem kleinen blonden Sohn Schildkröteneier vor Krebsen. Dagegen ist das Leben seines Antagonisten, des Killers, ist langweilig. Der Mann hat eine Hasenscharte und ist deswegen verunsichert. Nichts Bestialisches treibt ihn um. Die sich entwickelnde Liebesgeschichte zu einer blinden Laborantin erzählt Michael Mann so hölzern, als habe er noch nie romantische Gefühle gehabt. Der Mörder bleibt mir fremd.
Am interessantesten wirkt die Figur im Hochsicherheitstrakt Dr. Lecktor, offenbar ein intelligenter ehemaliger Psychiater, der seine Opfer sehr grausam zu Tode gebracht hat. Ausgerechnet ihn bitten Graham um Hilfe bei der psychologischen Eingrenzung des Mörders und ausgerechnet der steht mit diesem Mörder in – so gut das eben in so einer fensterlosen Zelle geht – regen Austausch. Aber Lecktor spielt im Film nur eine kleine Nebenrolle. <Nachtrag1999>Hannibal Lecter tritt – in neuer Schreibweise – fünf Jahre nach diesem Film wieder auf. 1991 kommt Das Schweigen der Lämmer ins Kino, in dem ihn Anthony Hopkins spielt und er weit mehr Szenen hat. Erst dieser Film von Jonathan Demme machte den Psychopathen weltberühmt und provozierte mehrere Fortsetzungen, zu denen auch eine Neuverfilmung des vorliegenden Films gehört.</Nachtrag1999>
"Manhunter" bietet mehr Oberfläche als Leben, ist dabei manchmal etwas zäh, aber auch nicht ohne Qualität. ich habe ihn gerne geguckt, aber so richtig zünden tut er nicht.
Die Kannibalen-Serie im Kino
- Blutmond / aka "Roter Drache – Manhunter" (1986) als Hannibal Lecktor
- Hannibal Rising – Wie alles begann (2007)
- Roter Drache (2002)
- Das Schweigen der Lämmer (1991)
- Hannibal (2001)

Die Kinofilme von Michael Mann
- Der Einzelgänger (1981)
- Die unheimliche Macht (1983)
- Blutmond aka: Manhunter – Roter Drache (1986)
- Der letzte Mohikaner (1992)
- Heat (1995)
- Insider (1999)
- Ali (2001)
- Collateral (2004)
- Miami Vice (2006)
- Public Enemies (2009)
- Blackhat (2009)
- Blackhat (2023)
