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Plakatmotiv: No hard Feelings (2023)

Für Pretty Woman 3.0 gibt es
kein Aufstiegsmärchen mehr

Titel No hard Feelings
(No hard Feelings)
Drehbuch Gene Stupnitsky & John Phillips
Regie Gene Stupnitsky, USA 2023
Darsteller

Jennifer Lawrence, Andrew Barth Feldman, Laura Benanti, Matthew Broderick, Natalie Morales, Scott MacArthur, Ebon Moss-Bachrach, Kyle Mooney, Hasan Minhaj, Jordan Mendoza, Amalia Yoo, Alysia Joy Powell, Quincy Dunn-Baker, Matthew Noszka, Zahn McClarnon, Madison Odenborg, Christian Galvis, Matt Walton u.a.

Genre Komödie, Romantik
Filmlänge 103 Minuten
Deutschlandstart
22. Juni 2023
Inhalt

Die Uber-Fahrerin Maddie ist vom Pech verfolgt. Als ihr Ex-Freund, seines Zeichens Abschleppwagenfahrer, ihr Auto pfändet, droht ihr der Verlust ihres Elternhauses und sie steht kurz vor dem finanziellen Bankrott.

Wie soll sie ohne das Fundament ihrer Arbeit Geld verdienen? Sie entdeckt ein verlockendes Job-Angebot auf Craigslist: „Brauchst du ein Auto? ‚Date‘ unseren Sohn“ Die wohlhabenden Helikopter-Eltern Allison und Laird wollen, dass ihr eigenbrötlerischer und sozial unbeholfener Sohn Percy endlich auch mal mit einer Frau zusammen ist, bevor er ans College nach Princeton geht. Auch wenn Maddie sich nicht sicher ist, ob der Begriff „date“ in der Anzeige in Wirklichkeit nur ein Code-Wort für Sex ist, macht sie sich daran, den Teenager zu verführen. Der annoncierte Buick Reader könnte ihr schließlich den Arsch retten.

Trotz ihrer ambitionierten Versuche Percy mit etwa Alkohol und Nacktbaden aufzulockern, erweist sich die Aufgabe schwieriger als gedacht …

Was zu sagen wäre

Schönes Mädchen mit kleinen Geldproblemen lernt Sohn aus reichem Hause kennen, sie mögen sich; sie hilft ihm, er hilft ihr und am Ende … gehen beide ihrer Wege. Die Zeiten, in denen eine Pretty Woman von ihrem Galan in der weißen Stretchlimo von der Feuerleiter des Sozialbaus gepflückt wurde, sind vorbei. Die sozialen Biotope sind nicht mehr durchlässig wie damals, 1990, deren Bewohner bleiben unter sich, treffen höchstens aufeinander, wenn die Swimming Pool-Fraktion eine Dienstleistung wünscht.

Es geht um Maddie in diesem Film. Sie lebt in Montauk, N.Y. in einem Häuschen, das sie von ihrer Mutter geerbt hat. Gelernt hat sie offenbar nichts, sie verdient ihren Lebensunterhalt als Uber-Fahrerin und hinter der Theke einer Bar. Das wäre womöglich gar nicht weiter bemerkenswert in einem Soziotop, in dem alle miteinander groß geworden sind und dann jeder seinen auskömmlichen Platz im Gefüge hat. Aber so ist Montauk auf Long Island nicht. Den Ort haben längst die Broker und Anwälte aus Manhattan entdeckt und für sich gekapert. Die Ur-Einwohner, Maddie zum Beispiel, werden mit ständig steigenden Grundsteuern zum Verkauf ihrer Grundstücke und Häuser gezwungen. Sie verlassen ihre Heimat oder schlagen sich mit Gelegenheits- und Dienstleistungsjobs durch. So wie Maddie. An dieser Stelle beginnt das Drama.

Denn eine Komödie ist "No hard Feelings" eigentlich nicht. Da sind die Helikopter-Eltern mit schniekem Bungalow über dem Meer, die ihren 19-jährigen Sohn in die Isolation seines Handys getrieben haben, dem einzigen Ort, an dem er sich nicht gestört fühlt. Und da ist Maddie, 32 Jahre alt und in dauernder Abhängigkeit von äußeren Umständen. Ihre Mutter hat sie groß gezogen, ihr Vater war auch so ein Wall-Street-Typ auf Urlaub, der Abwechslung suchte von seiner Familie; Maddie kennt ihn nicht und knabbert daran. Für ein Studium hat wohl das Geld nicht gereicht, also gehört sie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zum Heer der Niedriglohn-Dienstleister, die sich gerade so über Wasser halten können, um den Schönen und Reichen das Wasser in den Pool zu lassen.

Das war jetzt schon das zweite Swimming Pool-Bild in diesem Text. Dabei gibt es im ganzen Film nicht einen einzigen Swimming Pool zu sehen. Die "Reichen" sind in diesem Film einfach da, sie erleben an diesem wunderschönen Ort aber nichts, machen nichts, gehen abends schick essen und wenn die Kids eine wilde Hausparty schmeißen, dann sind die fürsorglichen Eltern nicht nur selbstverständlich in die Planungen eingeweiht gewesen, sie sind auch immer in Rufweite, um den lieben Kleinen zu helfen.

Maddie braucht dringend ein Auto, um wenigstens im Uber-Kosmos ihr Durchwursteln zu sichern. Also verkauft sie sich an Helikoptereltern, die ihrem Sohn vor dem Eintritt nach Princeton das Einmaleins männlicher Romantik nahebringen wollen – Frauen und Alkohol. Mit beidem hat ihr Percy nämlich nichts am Hut. Er lebt via Smartphone fremde Leben in den Sozialen Medien. Er ist zu jung, um mit Maddie auf ein romantisches Finale im Sonnenuntergang zuzusteuern – er ist 19, fängt mit dem Leben erst an, sie ist 32 und benimmt sich, als hätte sie neben wechselnden Liebhabern auch schon im ein oder anderen Pornofilm mitgewirkt. In ihrem Leben hat Sex offenbar nie etwas mit Romantik, Gefühlen oder sowas zu tun: „Du weißt das nicht, aber Frauen haben jede Menge Gründe für Sex. Ich meine, ich hatte mal Sex, weil ich zu faul war, mit den Öffentlichen zu fahren.“ „Ich hatte mal Sex mit einem Typen, weil ich nicht Siedler von Catan spielen wollte.

Da matcht gar nichts mehr mit der nachrückenden Generation. Sex spielt bei den neuen Teenagern keine Rolle mehr. Wenn sie sich auf einer Party auf die Zimmer zurückziehen, gibt es da kein American Pie-HöHöHö mehr; die Kids zocken Videogames oder drehen stylishe Clips für ihren TikTok-Account. Unter ihnen wirkt die 13 Jahre ältere Maddie wie eine alte Frau.

Jennifer Lawrence war eben selbst noch in den Rollen der rebellischen Teenagerin oder der sich emanzipierenden Twen zu sehen, das macht die Figurenkonstellation in diesem Film so bemerkenswert (Don't look Up – 2021; X-Men: Dark Phoenix – 2021; Red Sparrow – 2018; Mother! – 2017; Passengers – 2016; X-Men: Apocalypse – 2016; Joy: Alles außer gewöhnlich – 2015; Die Tribute von Panem – Mockingjay – 2014; Serena – 2014; American Hustle – 2013; House at the End of the Street – 2012; Silver Linings – 2012; Die Tribute von Panem – 2012; Winter's Bone – 2010). Dann kam Privatleben, die Geburt des ersten Kindes und plötzlich ist sie hier in der Rolle einer erwachsenen Frau zu sehen, die ihr Leben so gar nicht im Griff hat und nun einem Teenager erste Kniffe fürs Leben beibringen soll. Sie hat sich als Produzentin den Stoff und die Rolle selbst ausgesucht.

Die Dramaturgie ist überschaubar. In dem Moment, wo Gefühle ins Spiel kommen und sich alles im Sinne des Prologs auflösen könnte, kommt Percy dem fragwürdigen Spiel seiner Eltern und der Maskerade Maddies auf die Schliche. Da hatte Maddie ihren Job schon so gut gemacht, dass Percy auf sein Princeton-Studium verzichten wollte, um bei Maddie bleiben zu können. Aber das – und da sind wir bei der Abkehr vom Pretty Woman-Märchen – ist den Eltern natürlich gar nicht recht. Im Finale bringt Maddie als Uber-Fahrerin – also in der Rolle der akzeptierten Dienstleisterin – Percy nach Princeton, um dann selbst in Kalifornien einem diffusen Traum folgend in ein unbestimmtes, wahrscheinlich wieder Dienstleistungs-Leben zu treten. Die Soziotope bleiben unter sich. Wo Julia Roberts 1990 noch den Kopf hoch hielt und auf die Frage, was sie denn nun machen wolle nach dem Abenteuer mit dem Wall Street-Broker, antwortete „Get a Job. Finish High School.“, da diffundiert Maddie einfach mit Surfbrett in einem glutroten Sonnenuntergangstrand in Kalifornien. Im Kino 2023 ist kein Aufstiegsversprechen mehr.

Der einzige Triumph der Lower Class: Maddie hat ihr Grundsteuer-überteuertes Mutterhaus nicht an Manhattan-Anwälte verkaufen müssen, sondern doch an ihre beste und schwangere Freundin und deren Surfer-Dude.

Wertung: 4 von 8 €uro
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