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Plakatmotiv: Downton Abbey II: Eine neue Ära (2022)

Eine wunderbare Ablenkung
von diesem stressigen Alltag

Titel Downton Abbey II: Eine neue Ära
(Downton Abbey: A New Era)
Drehbuch Julian Fellowes
Regie Simon Curtis, UK, USA 2022
Darsteller

Hugh Bonneville, Elizabeth McGovern, Michelle Dockery, Laura Carmichael, Allen Leech, Jim Carter, Phyllis Logan, Maggie Smith, Penelope Wilton, Imelda Staunton, Robert James-Collier, Michael C. Fox, Brendan Coyle, Joanne Froggatt, Harry Hadden-Paton, Samantha Bond, Lesley Nicol, Raquel Cassidy, Sophie McShera, Sue Johnston, Kevin Doyle, Hugh Dancy, Laura Haddock, David Robb, Jonathan Coy, Douglas Reith, Paul Copley, Tuppence Middleton, Dominic West, Nathalie Baye, Jonathan Zaccai, Fifi Hart, Eva Samms, Karina Samms, Oliver Barker, Zac Barker u.a.

Genre Drama
Filmlänge 124 Minuten
Deutschlandstart
28. April 2022
Inhalt

Auf Downton Abbey brechen im Jahr 1928 turbulente Zeiten an: Um die Familienkasse aufzubessern, hat Lady Mary das Anwesen für einen Hollywood-Filmdreh zur Verfügung gestellt.

Als Stummfilm-Star Myrna Dalgleish, die nun ihren ersten Tonfilm drehen soll, mit einer riesigen Schar von Filmleuten anreist, steht Downton sofort Kopf. Kein Wunder, dass sich der Earl of Grantham, seine Frau Cora, der Rest der Crawley-Familie und auch das Dienstpersonal nach Erholung sehnen – und die bekommen sie auch, als ihnen die Gräfinwitwe Lady Violet eine überraschende Neuigkeit enthüllt.

Von einem früheren Verehrer hat sie eine Villa in Südfrankreich geerbt. Während die Crawleys noch rätseln, wie tief genau das Verhältnis zwischen Lady Violet und dem mysteriösen Mann wohl gegangen sein mag und ob das womöglich Auswirkungen auf die Erbfolge auf Downton beinhalten könnte, packen sie auch schon ihre Koffer: Die Familie reist an die sonnige Côte d’Azur, um die Erbschaft in Augenschein zu nehmen …

Was zu sagen wäre

Anstrengend, solche Filme in diesen Zeiten. Man kann sich nicht mehr vorbehaltlos an edlen Dekors, großen Schauspielern und emotional stürmischen Wendungen freuen, muss erst auf den gesellschaftlichen Terror des Kasten-Systems, des Standesdünkels, der Dichotomie zwischen der herrschenden Klasse oben im Salon und der beherrschten Klasse unten in den Gewölben eingehen und zu verstehen geben, wie ungerecht das alles ist. Dabei könnte man ja auch einfach sagen, dass die Fans, die der vorliegende Film in allererster Linie anspricht, das gesellschaftlich heikle Oben-Unten-Thema seit sechs TV-Serien-Staffeln und einem Kinofilm verfolgen. Den Neueinsteigern kann man vielleicht sagen, dass der Film eine Gesellschaft aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern beschreibt, in der die Arbeitnehmer nicht durchweg geknechtete Namenlose sind, sondern respektierte Mitglieder einer insgesamt funktionierenden Gesellschaft. Alles darüber hinaus ist die unendliche Debatte zwischen Links und Konservativ, und weil ich selbst nicht an eine egalitäre Gesellschaft glaube, in der wirtschaftliche Unterschiede keine Rolle spielen, können wir es doch mit dem Thema an dieser Stelle auch bewenden lassen.

Downton ist in Aufruhr. Das Dach leckt. Und schon im Vorgängerfilm war kein Geld da, um den Schaden zu beheben. Jetzt winkt eine Filmproduktion mit beeindruckenden Summen, die den Landsitz als Drehort besetzt, während die Ladys und Lords einen neuen Drehort ausmachen – Südfrankreich. Fortan spielt der neueste Serienableger parallel an zwei Schauplätzen: eine Villa an der – natürlich – strahlend schönen Côte d'Azur und auf Downton, wo Lady Mary das Filmteam im Zaum hält, das gerade die Härten des Wechsels vom Stumm- zum Tonfilm durchmacht. Plötzlich stellt die umschwärmte und natürlich endarrogante Stummfilmkönigin Myrna Dalgleish fest, dass sie austauschbar ist, wie ein fauler Schwamm, und merkt der attraktive Star Guy Dexter, dass er in Butler Barrow endlich den Begleiter fürs Leben gefunden hat, den sich homosexuelle Männer in jener Zeit nie eingestehen durften. Das Drehbuch formuliert kein einziges Mal das Wort "homosexuell", aber alle mit Butler Barrow vertrauten Personen geben volle Zustimmung zu seinen letztendlichen Plänen und lassen ihn ziehen. Das ist ebenso elegant gelöst, wie die bereits erwähnte Oben-Unten-Problematik.

Während sich die Filmcrew auf Downton breit macht, Lady Mary sich als Hausherrin endgültig emanzipiert und Lady Violet ihre letzten Dinge regelt, verlustieren sich Lord und Lady Grantham samt familiärem Anhang in Südfrankreich. Da gibt es Irritationen um eine pikante Erbschaft und eine dramatische Krebserkrankung aus der Welt zu räumen. Plötzlich steht der – für englische Adelskreise – unerhörte Verdacht im Raum, dass Lord Grantham der Bastard eines französischen Adeligen sein könnte. Lady Violet, die strenge, zynische, bisweilen auch boshafte alte Dame der Serie, war einst für einen Marquis de Montmirail eine umschwärmte, ja begehrenswerte Lady. Plakatmotiv: Downton Abbey II: Eine neue Ära (2022) Und weil Violet und der Marquis eine Woche gemeinsam an der paradiesischen Côte d'Azur verbrachten und Lord Grantham ziemlich genau neun Monate später zur Welt kam, steht plötzlich die dynastische Erbfolge Kopf: Der beliebte Lord könnte ein – horrible dictu – französischer Spross sein.

Dazwischen erleben wir die wunderbar geschriebenen Figuren der Serie portraitiert durch ihre respektvollen Schauspieler. Maggie Smith (Downton Abbey – 2019; Best Exotic Marigold Hotel 2 – 2015; Best Exotic Marigold Hotel – 2011; Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2 – 2011; Harry Potter und der Gefangene von Askaban – 2004; Gosford Park – 2001; Harry Potter und der Stein der Weisen – 2001; Tee mit Mussolini – 1999; Der Club der Teufelinnen – 1996; Sister Act – Eine himmlische Karriere – 1992; Hook – 1991; Das Böse unter der Sonne – 1982; Tod auf dem Nil – 1978; Eine Leiche zum Dessert – 1976) spielt ein letztes Mal die Queen Mother, die Mutter des Lord Grantham, die das Geschehen um die Zeitenwende im bislang stummen Kinofilm spitzzüngig begleitet: „Ich hätte vermutet, das Beste am Film sei, dass man ihn nicht hören kann“, sagt sie gewohnt giftig. „Noch besser wäre es, wenn man sie auch nicht sehen könnte.

Lady Mary ihrerseits, die Erbin Downtons, deren zweiter (nach dem Tod ihres ersten) Gatte sich mit seinem Automobil lieber auf dem Kontinent vergnügt, als an ihrer Seite zu stehen, beeindruckt den Filmregisseur mit ihrem Organisationstalent, ihrer häuslichen Dominanz und ihrer künstlerischen Präsenz gleichermaßen; ohne Lady Mary wäre der Filmdreh ein teurer Reinfall geworden: „Darf ich sie küssen?“, fragt der dankbare Regisseur die Lady. „Nein“, antwortet die. „Möchten Sie es nicht?“, fragt er schüchtern und sie antwortet sehr klar: „Ich fürchte, ich bin zu altmodisch, um zu glauben, dass das, was ich möchte, das Einzige ist, was zählt.

Ja, ich weiß, dass die herrschenden Verhältnisse nicht für alle die gleichen Grundlagen bieten. Aber es ist nicht die Aufgabe des Mediums Film, diese Grundlagen herbeizuführen. Die Auflage des Mediums Film ist es, diese herrschenden Verhältnisse abzubilden. Dass ein Projekt wie die Downton Abbey-Serie solche Verhältnisse sogar glorifiziert, heißt nicht, dass sie die Vertreter der einen Ebene als besser betrachtet als die der anderen.

Ansonsten ist "Downton Abbey: A new Era" ein prachtvoll ausgestatteter, elegant kostümierter, wunderbar gespielter, mitreißender Film, der uns – und zwar Oben wie Untens – zwei Stunden ablenkt von dem Mist draußen vor der Kinotür.

Wertung: 6 von 8 €uro
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