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Plakatmotiv: Leichen pflastern seinen Weg (1968)

Ein sehr kalter Western

Titel Leichen pflastern seinen Weg
(Il grande silenzio)
Drehbuch Sergio Corbucci & Bruno Corbucci & Mario Amendola & Vittoriano Petrilli
Regie Sergio Corbucci, Italien, Frankreich 1968
Darsteller

Jean-Louis Trintignant, Klaus Kinski, Frank Wolff, Luigi Pistilli, Vonetta McGee, Mario Brega u.a.

Genre Western
Filmlänge 105 Minuten
Deutschlandstart
21. Februar 1969
Inhalt

Winter 1898. In dem kleinen Dorf Snowhill in Utah herrscht Hunger. In ihrer Not beginnen die Ärmsten damit, sich zu organisieren und die Wohlhabenderen zu überfallen. So werden sie zu Gesetzlosen, die sich in den Bergen verstecken müssen, weil auf jeden von ihnen ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Während die Menschen leiden, wird das Dorf zu einem Paradies für Kopfgeldjäger, denen die als Gesetzlose geltenden Armen nichts entgegenzusetzen haben.

Als der Ehemann von Pauline dem skrupellosen Kopfgeldjäger Loco (spanisch: der Verrückte) zum Opfer fällt, heuert sie den stummen Silence an, der Loco erschießen soll. Seit Silence als Kind hat mitansehen müssen, wie seine Eltern von Kopfgeldjägern getötet wurden, zieht er durchs Land auf der Jagd nach Leuten, die unter dem Deckmantel des Gesetzes für Geld morden.

Um nicht selbst gegen das Gesetz zu verstoßen und dann auf die Abschussliste der Kopfgeldjäger zu geraten, provoziert Silence sein Gegenüber so lange, bis dieser als Erster die Waffe zieht. Dann kann er ihn in Notwehr erschießen. Loco lässt sich jedoch nicht provozieren. Erst als er den neuen Sheriff, der im Auftrag des Gouverneurs die Ordnung in der Gegend wieder herstellen und den Hungernden in den Bergen Amnestie gewähren soll, umgebracht hat, stellt er sich zusammen mit seinen Kollegen dem letzten Kampf mit Silence …

Was zu sagen wäre

Ein Western im Schnee. Sergio Corbucci war der Aussichtslosigkeit seines Westernhelden Django, den er zwei Jahre zuvor gerade noch so hatte davonkommen lassen, auf die Pelle gerückt. In "Il Grande Silencio" ist die Landschaft winterlich karg und kalt, der Held hat keine Stimme und keine Chance mehr.

Das Kapital ist das Gesetz ist das Kapital

Corbucci treibt die Motive des klassischen Western in ihrer Absurditä auf die Spitze. Kapital und Recht sind Eins: Klaus Kinski betont mehrfach, er habe kein einziges Gesetz übertreten und der Friedensrichter in dem Dörfchen ist der Kaufmann am Ort; Corbucci (Romulus und Remus – 1961) drehte seinen Film parallel zum Aufstand der Studenten 1968 und griff den linken Zeitgeist in der Figur dieses Richters auf. Hier vertritt das Kapital das Gesetz, der Staat schützt nur das Eigentum und vergibt Kopfgeldprämien, anstatt die Menschen zu versorgen, die die pure Not zwingt zu stehlen.

Auch Silence pocht auf Recht und Gesetz, wenn er tötet – stets lässt er dem anderen den ersten Schuss, um auf Notwehr plädieren zu können. Ein Darling ist auch er nicht. Für seinen Job, Loco zu töten, verlangt er dieselbe Summe, die Loco für die Ermordung von Paulines Ehemann bekommen hat. Aber Silence – die Identifikationsfigur für den Zuschauer – wird als Getriebener eines traumatischen Kindheitserlebnisses gezeigt. Vergleicht man diesen Film mit Sergio Leones drei Jahre zuvor entstandenem Für eine Handvoll Dollar fällt auf, wie unterschiedlich auch innerhalb der strengen Grenzen des Italowesterns Figuren auftreten können. Gegen Corbuccis geschäftstüchtige, juristisch versierte Kopfgeld-Killer werden die Kopfgeldjäger bei Leone, dem anderen großen Regisseur des Genres, geradezu naiv gezeichnet.

Ein ungewöhnlich brutales Ende

Wie schon in Django (1966) spielt Corbucci auch hier wieder reichlich auf Bibel und Christentum an. Auch Silence werden die Hände zertrümmert – das Motiv entstammt der römischen Geschichte und ist ein Verweis auf die Legende von Gaius Mucius Scaevola.

Klaus Kinski als Loco und Jean-Louis Trintignant geben in ihrer innern Kargheit ein rasantes Antagonisten-Paar ab. Sie umlauern einander, tricksen, täuschen. Kinski kann seinen Ruf als Verrückter ausspielen und richtet ein Blutbad an, das für das Kino des Jahres 1968 unerhört ist.

<Nachtrag2009>Im selben Jahr entstanden die Klassiker 2001 - Odyssee im Weltraum, Spiel mir das Lied vom Tod, Rosemaries Baby, Planet der Affen oder "Tschitti Tschitti Bäng Bäng". Da kommt zu der einmaligen Schneelandschaft das außergewöhnlich brutale Ende, das "Il Grande Silenzio" in diesem kulturellen Umfeld leicht zum Klassiker machen konnte.</Nachtrag2009>

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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