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Plakatmotiv: Diva (1981)

Visuell berauschendes Kunstwerk,
dem die passende Geschichte fehlt

Titel Diva
(Diva)
Drehbuch Jean-Jacques Beineix & Jean Van Hamme
nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Odier
Regie Jean-Jacques Beineix, Frankreich 1981
Darsteller

Wilhelmenia Fernandez, Frédéric Andréi, Roland Bertin, Richard Bohringer, Gérard Darmon, Chantal Deruaz, Jacques Fabbri, Patrick Floersheim, Thuy An Luu, Jean-Jacques Moreau, Dominique Pinon, Anny Romand, Raymond Aquilon, Eugène Berthier, Gérard Chaillou, Andrée Champeaux, Nathalie Dalyan, Laurence Darpy u.a.

Genre Krimi, Musikfilm
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
25. März 1983
Inhalt

Weil Operndiva Cynthia Plattenaufnahmen ablehnt, schneidet Verehrer Jules eines ihrer Konzerte heimlich auf seinem NAGRA-Tonband mit. Das bekommen zwei Taiwanesen mit, die ihm dieses Band unbedingt abluchsen wollen, um in ihrer Heimat damit kräftig abzukassieren; sie spekulieren darauf, dass, weil die Sängerin keine Platten mit ihrem Gesang veröffentlicht, diese Aufnahme Millionen wert sein könnte.

Gleichzeitig gerät der Postbote in eine Verfolgung, bei der mutmaßliche Polizisten eine Prostituierte jagen. Die Prostituierte ist bald darauf tot; aber vorher konnte sie unbemerkt eine Kassette in Jules' Mopedtasche gleiten lassen. Diese Kassette enthält das Geständnis des toten Callgirls, das einen Kommissar als Dealer entlarvt.

Ohne, das er ahnt, welchen Staub er mit seiner Aufnahme der Diva aufgewirbelt hat, und welch brisante Fragt sich in seiner Mopedtasche verbirgt, schwebt Jules bald in Lebensgefahr – ohne recht zu verstehen, wer eigentlich was von ihm genau will. Hilfe erhält er von der Vietnamesin Alba und deren rätselhaften Freund …

Was zu sagen wäre

Ein junger Mann gerät durch zwei Tonaufnahmen in Teufels Küche. Ausgangssituation für einen Thriller, in dem es bald um internationalen Mädchenhandel, Polizeikorruption, Fan-Kultur und Raubkopien geht; und um einen schweigsamen Mann, der in seiner Fabrikhallenwohnung ein gigantisches Puzzle, das nur aus blauen und weißen Steinen besteht, legt, und auch sonst über erstaunliche Fähigkeiten im Großstadtdschungel verfügt. Dieser Mann ist Jean-Jacques Beineix' Rückversicherung, um aus dieser verfahrenen Nummer am Ende auf jeden Fall wieder rauszukommen. Der Film markiert das Regiedebüt Beineix', der sich nicht so ganz sicher scheint, ob er einen Liebesfilm oder einen Thriller oder einen Film Noir erzählen möchte. Augenscheinlich sicher war Jean-Jacques Beineix sich, dass er einen visuell herausstechenden Film drehen wolle.

Jedes Bild strahlt, scheint durchkomponiert in Farbe und Bewegung zu sein. Blau und Rot sind die vorherrschenden Farben, vor allem die blaue Schwärze der Nacht. In den beeindruckenden Bildern kann man getrost schwelgen, während man im Kinosessel sitzt. Auf der Handlungsebene nämlich passiert mal mehr mal weniger, da folgt der Film dieser erzählerischen Nonchalance im französischen Kino, mit der sich Francois Truffaut schon mal von einem Frauengesicht oder Philippe de Broca von einer aufregenden Kulisse kurzfristig von ihrer eigentlichen Story ablenken lassen.

Wir lernen gleich zu Beginn Jules kennen, Postbote in blauer Uniform mit rotem Helm auf gelbem Moped, der ein Konzert der von ihm verehrten Sängerin Cynthia Hawkins besucht und es heimlich mitschneidet. Auch Jules wohnt, ähnlich wie der geheimnisvolle Mann, in einer Art Fabrikhalle, in seinem Fall ist es eine alte Autowerkstatt, in der die Wracks alter Autos das Entrée bilden, über das man mit einem ruckeligen Fahrstuhl in ein unaufgeräumtes mit rostigem Charme und Autofantasien als Wandmalereien ausgestattetes Loft kommt. Der Junge hat nicht viel, er ist Postbote, aber eine beeindruckende Phalanx von Tonbandmaschinen, die für jedermann frei zugänglich zu sein scheint. Eine abschließbare Tür zum Beispiel gibt es nicht. Im Laufe des Films stellen verschiedene Gangster sowie die Polizei das Loft auf den Kopf. Wir sind im Kino, da sollte man solche Gegebenheiten besser nicht hinterfragen. Plakatmotiv: Diva (1981) Dennoch funktioniert nichts von dem, was wir hier in beeindruckenden Bildern in schicken Kulissen sehen. Die heimliche Aufnahme, die Jules von dem Konzert macht, klingt aus seinen Boxen wie von vielen Mikrofonen aufgenommen und mit modernster Technik abgemischt, dabei hat er maximal ein Mikrofon in der Tasche (wir sehen es nie), in der es dann auch nie raschelt. Wenn die Leute sein Werkstatt-Loft zerdeppern, bleiben alle Tonbandmaschinen unversehrt. Und weil er sich dann halt Zuhause nicht mehr recht sicher fühlt, wohnt Jules halt bei Freunden – diesmal in beengten Wohnverhältnissen – übernachtet mehrmals bei einer Prostituierten, die er kaum kennt und kann sich so immer leicht seinen Häschern entziehen. alles kein Problem, is' halt so sagt Jules und zuckt ratlos mit den Schultern.

Zwischen korrupten Polizisten und verrückten Killern, die auch im dunklen Konzertsaal nie ihre Spiegelsonnenbrillen abnehmen – was, wieder, als Bild beeindruck, in der Handlung aber albern ist –  entwickelt Beineix auch noch eine Liebesgeschichte zwischen Jules und der Sängerin, rein platonisch natürlich, denn es geht um die Kunst und deren Bewunderer und nicht etwa um fleischliche Gelüste. Die gemeinsame Nacht im Hotel, sie im Bett, er auf dem Sofa, geht über in eine atemlose Verfolgungsjagd quer durch Paris mit Moped, Auto und zu Fuß über Straßen, Treppen, durch Metrostationen, in die Metro selbst (mit knatterndem Mopedmotor) und wieder raus auf die Straßen. Das ist eine großartige Szene, die auf den Punkt Visuell beeindruckend einzahlt. Aber aus der kann ihn dann eben nur noch der geheimnisvolle Mann befreien. Der wird gespielt von Richard Bohringer (La Boum – Die Fete – 1980; Die letzte Metro – 1980; Ein irrer Typ – 1977), der wenn er nicht Zigarre rauchend in der Badewanne oder vor seinem gigantischen Puzzle sitzt, in bester Geheimdienstmann-Natur Schurken gegen Killer ausspielt, immer ein As im Ärmel und einen Fluchtwagen in der Garage stehen hat. Aber wer er ist, lässt der Film offen – halt der Sugardaddy einer jungen Asiatin, mit der Jules in einem Plattenladen angebandelt hat und der die tiefere Bedeutung der heimlichen Aufnahme von der Sängerin, die keine Plattenaufnahmen von sich machen lassen möchte, in der ersten Sekunde durchdringt.

Ein visuell interessantes Regiedebüt, dessen Drehbuch eine klarere Struktur gut getan hätte.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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