1802 im Hunsrück: Hannes Bückler, genannt "Schinderhannes", ist der Anführer einer Räuberbande, die mit den armen Bauern sympathisiert. Diese leiden unter der harten Fron des Adels und der napoleonischen Besatzung.
Als die Räuber während eines Festes das Schloss des Reichsgrafen überfallen, treiben sie das Vieh aus den Ställen und geben es den Bauern. Auch Carl, der Sohn des Reichsgrafen, wird von der Bande gestellt und als Geisel genommen. Schinderhannes will den jungen Mann an der Rheinfähre freilassen. Doch Carl, der Schillers "Räuber" mit Begeisterung gelesen hat, schließt sich den Aufrührern an. Gemeinsam mit ihnen will er gegen Willkür und Unrecht kämpfen.
Als die deutsche Obrigkeit sich jedoch mit den französischen Besatzern verbündet, bekommen es die Aufrührer mit einem schier übermächtigen Feind zu tun …
„Ham's des g'hört: 15.000 Mensch' sind gekomme'! Mehr wie beim Napoleon!“ Das war ein Ding. Und passt so gut in die Legende des Räuberhauptmannes, der den Adel ärgerte und die geknechteten Bauern erfreute. Sowas wie der deutsche Robin Hood. Das war Seelenschmeichelei für die Deutschen. Der Weltkrieg lag gerade mal 13 Jahre zurück, als der Film ins Kino kam (ich wurde erst drei Jahre später geboren und habe den Film viel später, 1977 an einem Sonntagnachmittag im Fernsehen gesehen), in der vorherrschenden Meinung galt der verlorene Krieg als Niederlage. Die Niederlage eines Volkes, das von Nazi-Verbrechern übers Ohr gehauen worden war.
Deshalb ist der Titelheld dieses farbenfrohen Abenteuerfilms ein Mann aus dem Volk, der für das Volk gegen die da oben antritt – also das tut, was zwischen 1933 und 1945 irgendwie nicht möglich war; Curd Jürgens holt das als Schinderhannes jetzt nach und gibt die Herrschenden der Lächerlichkeit preis. Bis er am Ende auf dem Schafott landet. Am Ende lässt sich Geschichte eben doch nicht verleugnen.
Aber wie er mit den Kameraden aufs Schafott geht: singend, strahlend, Schulter klopfend. Als einer seiner Männer auf dem Gang zur Guillotine aus Angst zusammenbricht und sich übergibt, sagt der Räuberhauptmann „Stützt ihn. Die Leute sollen das nicht sehen!“ Da geht ein Held, der immer und stets zuerst an seine Männer denkt. So war der Ruf dieses Mannes. Und deswegen kamen mehr Menschen zu dieser Hinrichtung nach Mainz, als zum Einmarsch von Napoleon in Mainz.
Jedenfalls behauptet das der Film von Helmut Käutner ("Monpti" – 1957; Die Zürcher Verlobung – 1957; Der Hauptmann von Köpenick – 1956; "Des Teufels General" – 1955). Wie es in der Realität war, weiß ich nicht. Sicher war der Räuberhauptmann wie im Film ein Stachel im Fleisch der Mächtigen, sonst wäre er nicht in die Geschichtsbücher eingegangen. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass Käutners Film, der auf dem Stück des Mainzer Dramatikers Carl Zuckmayer basiert (das 30 Jahre vor Filmstart seine Theaterpremiere feierte), den Mann heroisiert, damit möglichst viele Nach-Nazi-Deutsche für den Film gerne Eintritt zahlen.
Zuvorderst ist der Hauptmann immer noch ein Räuber, der Menschen ausraubt, in Angst und Schrecken versetzt. So jemanden zum Helden eines Films zu machen, den die Zuschauer feiern, geht nur mit Tricks. Zuckmayers Schinderhannes ist ein einfacher Bauernsohn, der bei irgendeiner Aufgabe, die er für seinen Lehnsherren ausführte, ungerechtfertigterweise des Diebstahls bezichtigt und zu 50 Stockhieben auf den Rücken verurteilt wurde; das trieb den Mann in den Widerstand, vulgo: die Räuberei. Und die adlige Gegenseite ist durch die Raubzüge auch weniger in Angst und Schrecken, sie fürchtet nur um ihre – als lächerlich dargestellte – Autorität und den Verlust des Herrschaftsanspruchs. Der einzige Adlige mit Herz, der Gutes für die Menschen erwirken will, wechselt prompt bei erster Gelegenheit die Seiten und wird des Hannes' loyale rechte Hand.
Die Hauptrolle spielt Curd Jürgens, zu seinen großen Zeiten mit dem Spitznamen "Normannischer Kleiderschrank" geadelt (Katja, die ungekrönte Kaiserin – 1959; Duell im Atlantik – 1957; "Des Teufels General" – 1955). Er gibt den Räuberhauptmann als einen Mann, der keinen Widerspruch erwartet, der mit blau blitzenden Augen seine Unabhängigkeit beschwört – vor allem von Frauen, die ihm dennoch reihenweise ins Stroh folgen –, seinen immer angetrunkenen oder kaum deutsch sprechenden oder begriffsstutzigen Kameraden – als gebe es außer dem großen Hannes keine erwachsenen, vernünftigen Menschen in dieser Welt – kurze Kommandos entgegen bellt oder kernige Durchhaltesentenzen raunt. Und das alles in einem nur entfernt an Rheinhessisch erinnernden Dialekt. Jürgens lässt einfach das "n" am Ende eines Wortes weg – „wir gehe“, „das mache wir so“; das muss beim Normannen als rheinhessisch durchgehen. Dieser Dialekt macht dem Film insgesamt schwer zu schaffen, weil auch die 22-jährige, das Herz erwärmende Maria Schell, die seine (historisch verbürgte) Frau Julchen spielt, und viele Andere schwer arbeiten müssen, um dann doch nicht natürlich zu klingen – Siegfried Lowitz und Joseph Offenbach sind zwei der Ausnahmen, die die Regel bestätigen.
Helmut Käutner präsentiert dem Wiederaufbau gebeutelten Deutschen eine aufwendige Adaption des Räuberstücks mit Action, unfassbar vielen Statisten und Schadenfreude-Momenten, wenn wieder ein Adliger als verfressen und grausam vorgeführt wird. Das galt 1958, als der Film erschien, als großes, buntes Abenteuerkino. Heute, wo Alice Schwarzer das Wort der Frauen führt, wirkt Curd Jürgens als Mann, der sich die Frauen einfach nimmt, und Frauen, die sich ihm reihenweise hingeben, etwas peinlich. Aber für uns 77er ist der Film auch nicht gemacht. 1958 war es ein Abenteuerfilm über Kameradschaft, Freiheitsdrang, bierselige Glückseligkeit gegen grausame Diktatoren. 1977ff dürfen sich Filmstudenten dann mit den Fallstricken des Films in der Gegenwart beschäftigen.