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Plakatmotiv: Katja, die ungekrönte Kaiserin (1959)

Elegant, bunt, schön, herzig.
Politmärchen in Gala-Uniform.

Titel Katja, die ungekrönte Kaiserin
(Katja)
Drehbuch Georges Neveux & Charles Spaak
frei nach dem Roman von Prinzessin Marthe Bibesco
Regie Robert Siodmak, Frankreich 1959
Darsteller

Romy Schneider, Curd Jürgens, Pierre Blanchar, Antoine Balpêtré, Françoise Brion, Monique Mélinand, Michel Bouquet, Bernard Dhéran, Margo Lion, Jacqueline Marbaux, Hubert Noël, Marcel d'Orval, Yves Barsacq, Yves Gladine, Alain Saury, Gabrielle Dorziat, Senta Berger, Liliane Chenevière u.a.

Genre Drama
Filmlänge 91 Minuten
Deutschlandstart
22. Dezember 1959
Inhalt

Katja, eine selbstbewusste Prinzessin, stammt aus dem verarmten Adelsgeschlecht der Dolgorukis. Dennoch schwärmt sie für Zar Alexander II. und träumt von einem Kennenlernen. Als er eines Tages ihr Mädchenpensionat besucht, wird sie ihm vorgestellt.

Während einer gemeinsamen Schlittenfahrt verliebt sich der verheiratete Herrscher Hals über Kopf in die temperamentvolle, junge Frau. Später lädt er sie nach St. Petersburg zum Hofball in sein Winterpalais ein und eröffnet mit ihr das Fest. Um dem Gerede am Hof zu entgehen – denn die Liebe der beiden zueinander ist längst kein Geheimnis mehr – schickt Alexander seine Geliebte schweren Herzens nach Paris.

Zwei Jahre später, als der Zar zur Weltausstellung nach Paris kommt und von Napoleon III. empfangen wird, sehen sie sich wieder. Kurz darauf entgeht Alexander nur knapp einem Attentat. Katja wird Zeugin und beide schwören, sich fortan nie mehr zu trennen. Er nimmt sie mit zurück nach St. Petersburg, wo sie zunächst als Hofdame seiner kranken Frau, Zarin Maria Alexandrowna, lebt. Nach deren Tod dürfen sie sich endlich vermählen.

Unter dem Einfluss von Katja will Alexander im März 1868 eine neue fortschrittliche Verfassung für Russland vorstellen. Zuvor aber soll Katja zur Kaiserin gekrönt werden. Vor den Feierlichkeiten kommt es zu einem Bombenattentat …

Was zu sagen wäre

"Sissi" ist wieder da. Nur jetzt auf russisch. Nachdem Romy Schneider nach drei Sissy-Filmen unter Ernst Marischka (1955-1957) vom Image der süßen Kaiserin genug hatte und erste Meriten im sogenannten ernsten Schauspielfach errungen hatte – sie hatte gute Kritiken für "Mädchen in Uniform" (1958) als lesbische Internatsschülerin, die sich in ihre Lehrerin, Lilli Palmer, verliebt, lernte sie bei Dreharbeiten Alain Delon kennen und ging mit ihm nach Frankreich. Hier wollte sie ein neues Leben anfangen, ihren Durchbruch als künstlerisch anerkannte Schauspielerin schaffen. Vorher jedoch musste sie noch vertragliche Verpflichtungen abarbeiten. Zu diesen gehörte die Unterschrift unter den Vertrag für "Katja, die ungekrönte Kaiserin". Regie führt der deutsche Regisseur Robert Siodmak, vor den Nationalsozialisten geflohen, in den USA als Regisseur von Thrillern und Films noirs gefeiert, dann entnervt dem dort herrschenden Studiosystem zurück nach Deutschland entflohen und dort für "Die Ratten" (1955) und "Nachts, wenn der Teufel kam" (1957) gefeiert.

In "Katja" haut Siodmak voll in den Farbtopf des großen Melodrams. Goldene Paläste, elegante Kostüme, Herren in goldbetrassten Uniformen und Zar Alexander II. mit strahlend blauen Augen in Großaufnahme. Die erzählte Geschichte hangelt sich lose an den historischen Fakten entlang. Der echte Zar und die echte, 29 Jahre jüngere Katja lernten sich kennen, da war Katja 10 Jahre alt; ihre Affäre begann, da war Katja 19. Romy Schneider war während der Dreharbeiten 21 und kann dem Zaren also gleich charmant Kontra geben, was die 10-jährige wahrscheinlich noch nicht getan hat. Später haben beide geheiratet, da hatten sie schon vier Kinder, und eigentlich wollte Alexander abdanken, um mit seiner Frau beider Lebensabend an der französischen Riviera zu verbringen.

Der Film verdichtet die Biografien dramatisch bis ins Melo. Als sich beide bei einer Schlittenfahrt näher kennenlernen, strahlt der Schnee um sie herum in unschuldigstem Weiß; kein schiefer Ast lugt aus dem Schnee. Ähnlich klar sind Liebenden: Hier eine junge Frau in bedingungsloser Liebe und klaren Ansichten zur Freiheit und Gleichheit unter den Menschen. Dort ein energischer Alleinherrscher, der unter seiner Allmacht leidet, der seinen Ministerrat vorführt, indem er erfundene Generäle zur Auszeichnung vorschlägt, woraufhin sich die Minister in Lobhudeleien über eben diesen – erfundenen – General ergehen; der eine Verfassung entwirft, die freie Wahlen verspricht und damit auf Widerstand im Adel trifft, der sich mit linken Attentätern verbündet, um den Herrscher auszuschalten. Das ist alles mit eher grobem Strich erzählt, episodenhaft beinah springt die Kamera durch die Jahre, gerade haben sich die Liebenden für Jahre verabschiedet, da sind diese Jahre auch schon rum, eine Entwicklung der Charaktere findet kaum statt. Katja ist lieblich und auf Zack, Alexander zielbewusst und sehnsüchtig verliebt. Und tot, bevor der im allgemeine langweilige und graue Alltag eines Ehepaares mit Kindern beginnen könnte.

Bei Siodmak bleiben Katja und Alexander kinderlos in einer üppig dekorierten, prachtvollen Märchenschlosswelt, wo sie den bösen Ränken einer rückwärtsgewandten, aus kalten Augen blitzenden Uniformträgerschaft zum Opfer fallen. Curt Jürgens, 44 Jahre alt, gibt als entschlossener Zar Alexander einen prächtigen Märchenprinzen ab (Duell im Atlantik – 1957; "Des Teufels General" – 1955). Sein augen glänzen, denkt er an seine Katja. Das tun sie sonst nur, wenn er an die freiheitliche Verfassung denkt, die er gerade schreibt. Und Romy Schneider ist als Katja – nach ihrer harschen Trennung von den Sissi-Filmen mag ich es kaum schreiben – bezaubernd in der Rolle der kleinen großen Zarin, die immer den Kopf über Wasser hält und selbst Attentäterinnen und Zarin Maria Alexandrowna (der Erstgemahlin des Geliebten) mit Respekt und Fürsorge gegenübertritt.

Mit den historisch verbrieften Tatsachen geht der nach einem Roman der französischen Schriftstellerin Marthe Bibesco entstandene Film also sehr frei um. Er ist auch in seiner Dramaturgie, seinem Frauenbild und seiner politischen Naivität eher nicht so gut gealtert. Aber er macht auch heute noch Freude an einem lauen Sonntagnachmittag mit duftendem Tee.

Wertung: 3 von 7 D-Mark
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