In jungen Jahren ist Wilhelm Voigt auf die schiefe Bahn geraten und landet hinter Gittern. Nach seiner Entlassung beschließt er endlich ein ehrliches Leben zu führen. Doch Voigt hat keinen Pass.
Seine Versuche, sich Papiere zu beschaffen, bringen ihn immer wieder in Schwierigkeiten – „Keene Aufenthaltsjenemijung, keene Arbeit. Keene Arbeit, keene Aufenthaltsjenemijung.“ Zufällig stöbert er eines Tages in einem Trödelladen und findet dort eine alte Hauptmanns-Uniform. Er zieht sie an und gibt dann einer Garde den Befehl, ihm nach Köpenick aufs Rathaus zu folgen.
Dort verhaftet er den Bürgermeister und den Stadtkämmerer, um sich in Ruhe einen Pass zu beschaffen …
Dies ist die Geschichte über den kurzen gesellschaftlichen Aufstieg eines arbeitslosen Schusters sowie den langsamen Niedergang einer maßgeschneiderten Uniform für einen Hauptmann der Garde im Preußen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Helmut Käutners dramatische Komödie dekliniert die Erkenntnis, die der graue, staubige Wilhelm Voigt formuliert, als er bei einer Dirne abblitzt: „So wie De aussiehst wirste angesehen.“ Kleider machen Leute. Uniformen machen Herrscher.
Käutners Film nach der gleichnamigen Komödie von Carl Zuckmayer denkt die preußische Befehl-und-Gehorsams-Seligkeit jehorsamst zu Ende. Zu den Titel-Credits marschieren blank gewienerte Schaftstiefel über blauen Uniformhosen über Berliner Kopfsteinpflaster. Die Gesichter der dazugehörenden Soldaten schneidet die Kamera am oberen Bildrand ab; Gesichter stören die entindividualisierende Uniform der Garde. Neben den marschierenden Stiefeln versucht ein Zivilist mit abgerissenem Anzug Gleichschritt zu halten. Er scheitert. Es ist Wilhelm Voigt. Der am Preußischen Gescheiterte. Als junger Kerl, um ein Mädchen zu beeindrucken, auf die schiefe Bahn geraten, mit zwölf Jahren Gefängnis bestraft. Dort zum Schuster ausgebildet sitzt der Mann heute zwischen den Stühlen der preußischen Ordnung. „Wer einmal auf die schiefe Bahn gerät …“, vielsagen die uniformierten Beamten hinter ihren Bürgertresen beim Blick in Voigts Personalpapiere, die insgesamt 22 Jahre Gefängnis ausweisen. „Wat hier in Ihren Papieren steht, det is Ihnen so fest jewachsen, wie die Nase in Ihrem Jesicht!“ Papiere lügen nicht im preußischen Berlin.
„Wo soll ich'n hin?“ fragt Voigt, von Käutner vielsagend durch die Armbeuge des blauuniformierten Amtmannes gefilmt, und empört sich später angesichts der bürokratischen Ausweglosigkeit seiner Situation. „Muss doch 'n Platz geben, wo der Mensch leben kann!“ „Ein Mensch biste doch nur, wenn Du Dich in die menschliche Ordnung stellst. Leben tut auch 'ne Wanze.“ „Sehr richtig, die lebt. Und weeste, warum die lebt? Erst kommt die Wanze, Friedrich. Und dann die Wanzenordnung. Erst der Mensch! Und dann die Menschenordnung!!“
Kurz: Der Schuster mit dem Pappkarton, in dem er seine Habseligkeiten transportiert, den der Schriftzug der künstlichen Würze MAGGI ziert, hat in Preußens bürokratischer Gloria keine Chance auf ein Dasein als Mensch. Und wenn er sich sein Dasein als Mensch auf unbürokratische Weise erstempeln will, nachts beim Einbruch ins Potsdamer Polizeirevier, dann würde er das nie an Ort und Stelle tun, keineswegs die Stempel mitnehmen und später benutzen: „Die brauchen se doch morjen.“ Dieser Wilhelm Voigt ist ordentlicher als jeder preußische Beamte. Aber auch mehr Mensch. Das ist sein Problem.
Mit diesem Schuster gibt Heinz Rühmann sein fulminantes Comeback auf der Leinwand. Rühmann, der den Ballast seiner Tätigkeit und Popularität während der Zeit des Nationalsozialismus mit sich trägt, wirkte abgemeldet in den Nachkriegsjahren des deutschen Kinos, war auch nicht erste Wahl der Produzenten Walter Koppel und Gyula Trebitsch, beide jüdische Nazi-Verfolgte; Curd Jürgens oder Hans Albers waren deren Präferenzen. Helmut Käutner aber bestand auf Heinz Rühmann und kann sich im Nachhinein bestätigt sehen. Rühmann kann aus der eigenen Erfahrung schöpfen. Er sei nie Anhänger der Nazis gewesen, erklärte er immer wieder, er habe arbeiten wollen und deshalb zu unklar Stellung bezogen. Nun stattet er den Voigt mit der ganzen Verlorenheit des aufrechten Bürgers in einem bigotten Staatswesen aus, ist freundlich untertänig, aufbrausend empört und wunderbar schnoddrig als falscher Hauptmann, der sich ein ums andere Mal genugtuend freut „Na, jeht doch.“ Rühmann spielt diese durch die falsche Weltordnung taumelnde Rolle mit ganzem Körpereinsatz, vom Gesicht bis in die Füße, die in zu großen Stiefeln stecken, über deren Sporen der falsche Hauptmann stolpert. Rühmann karikiert nicht, Rühmann nimmt diese tragische Figur in dieser Farce todernst, ist tatsächlich tragikomisch.
Die zweite Hauptrolle spielt die blaue Gardeuniform aus der Schneiderei des Hoflieferanten Wormser in Potsdam. Als wir sie kennenlernen, wird sie gerade an den Körper des frisch gebackenen Hauptmanns der Garde von Schlettow angepasst, der sofort merkt, dass die Knöpfe am Schoß der Jacke nicht korrekt sitzen, „Das hab' ich im Gefühl.“ Dann wird dieser Vorzeigeoffizier in eine Lokalrangelei verwickelt, was seine militärische Karriere stante pede beendet. Nun geht die nunmehr „gebrauchte Uniform“ in den Besitz des Oberleutnant zur Reserve Dr. Obermüller über – nur noch Oberleutnant, nicht mehr Hauptmann, nur noch zur Reserve; nicht neu, nur mehr aus zweiter Hand. Über die Jahre wächst Obermüller, mittlerweile Bürgermeister von Köpenick, aus der Uniform heraus; sie landet beim Trödel, wo sie in den Besitz des arbeitslosen Schusters übergeht, dessen Weg sich mit dem Weg der Uniform im Laufe des Films immer wieder gekreuzt hat.
Schuster und Uniform sind so lange umeinander gekreist, bis die Kreise so eng waren, dass sie nicht mehr aneinander vorbei konnten und den Schuster endlich erlösten. Denn nicht nur Papiere lügen nicht im preußischen Berlin. Uniformen lügen auch nicht.
Ein großer deutscher Nachkriegsfilm.
Die Karriere der Hauptmanns-Uniform erlebte im Drehbuch eigentlich noch einen tieferen Sturz. Voigt erzählt bei seiner Begnadigung nach der Hauptmann-von-Köpenick-Posse dem Gefängnisdirektor, dass er die Uniform einem der Aufseher geschenkt habe, der sie für seinen Garten haben wolle. Käutner drehte ein Schlussbild, in dem die ehemals staatstragende, später historische Uniform eine Vogelscheuche ziert. Dieses Bild war den Produzenten, elf Jahre nach dem Krieg, wohl doch zu defätistisch. Statt dessen verzichtet nun im Schlussbild Schuster Voigt auf seinen den ganzen Film über geforderten Pass mit Aufenthaltsgenehmigung, weil ihn doch nun jeder kenne als – und nach einem Bildschnitt rennt eine Horde Kinder dem Zivilisten Voigt hinterher und schreit – „Der Hauptmann von Köpenick!!!“
Der Film wurde ein enormer Publikumserfolg mit zehn Millionen Zuschauern in den ersten fünf Monaten. Er wurde in 53 Länder exportiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter am 21. Juni 1957 mit dem Deutschen Filmpreis. Der Hauptmann von Köpenick war der erste deutsche Nachkriegserfolg in den USA und wurde für den 1957 erstmals vergebenen Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ nominiert.
Der Film war wesentlich für das Comeback Rühmanns als Schauspieler nach dem Krieg. Bis dahin hatte Rühmann in der Nachkriegszeit Theater gespielt und in weniger wichtigen Filmen mitgewirkt. Da nicht an den Originalschauplätzen in Ostberlin gedreht werden konnte, entstanden die wenigen Außenaufnahmen in Hamburg. So diente etwa das Finanzamt am Schlump im Stadtteil Eimsbüttel als Köpenicker Rathaus. Die Front des Altonaer Rathauses wurde zum Bahnhof, bei dem Rühmann sich als Hauptmann maskiert.