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Plakatmotiv: Untraceable (2008)

Ein etwas aus der
Zeit gefallener Thriller

Titel Untraceable – Jeder Klick kann töten
(Untraceable)
Drehbuch Robert Fyvolent & Mark Brinker & Allison Burnett
Regie Gregory Hoblit, USA 2008
Darsteller

Diane Lane, Colin Hanks, Billy Burke, Joseph Cross, Mary Beth Hurt, Perla Haney-Jardine, Tyrone Giordano, Christopher Cousins, Tim De Zarn, Jesse Tyler Ferguson, Peter Gray Lewis, Trina Adams, Brynn Baron, Dan Callahan, Erin Carufel, Ryan Deal, Marilyn Deutsch u.a.

Genre Krimi, Thriller
Filmlänge 101 Minuten
Deutschlandstart
3. April 2008
Inhalt

FBI-Agentin Jennifer Marsh und ihr Kollege Griffin Dowd arbeiten Nacht für Nacht gemeinsam in der Abteilung für Cyber Crimes, als sie auf die Seite "killwithme.com" stoßen. Dort können Menschen live einer Katze beim Sterben zusehen. Jennifer stellt Nachforschungen über die Seite und ihren Betreiber an, doch der scheint sich mit der Technik bestens auszukennen. Seine Spuren sind im Internet nicht zu verfolgen.

Einige Tage nach dem Tod der Katze wird ein weiteres Livevideo freigeschaltet. Dieses Mal wird ein Mann gefoltert. Ein Text auf der Internetseite erklärt: Je mehr Menschen die Seite anklicken, desto höher wird die Dosis eines ihm verabreichten Antigerinnungsmittels, wodurch der Gefangene immer schneller verblutet. Rasch gewinnt die Internetseite an Popularität. Warnungen des FBI, die Domäne nicht zu besuchen, werden von Presse und Öffentlichkeit ignoriert. Plakatmotiv (US): Untraceable (2008) Der Mann stirbt.

Bald folgen ihm weitere Opfer, die vor den Augen der Weltöffentlichkeit qualvolle Tode sterben, beschleunigt durch die hohe Zahl der Besucher auf der Seite. Und Jennifer und ihrem Team läuft die Zeit davon …

Was zu sagen wäre

Gaffer-Stau“ nennt die Kollegin von Jennifer Marsh die Verkehrsbehinderung, in der die gerade steckt. Ein Unfall. Auf der Straße liegt ein Mensch, notdürftig bedeckt mit einem Tuch. Und alle fahren seehr langsam daran vorbei: Rückstau. Menschen können an einer Unfallstelle nur schwer einfach vorbei fahren. Es hebt ihren Status, wenn es anderen schlechter geht. Das ist eine augenscheinlich natürliche Reaktion.

In "Untraceable“ wird der Gaffer-Stau auf die Weltgemeinschaft übertragen: Ein Mensch ist in Lebensgefahr, gefilmt von einer Web-Cam, und je mehr Menschen sich einloggen, desto schneller stirbt der Mensch. Na, dann klickt man einfach nicht rein, ist der erste Reflex des Zuschauers im Kinosessel. Aber das ist naives Wunschdenken. Der Thriller von Gregory Hoblit ("Das perfekte Verbrechen" – 2007; Das Tribunal – 2002; Frequency – 2000; Dämon – Trau keiner Seele – 1998; Zwielicht – 1996) zeigt: Die Menschen sind geil auf Drama und die Qual anderer.

Der Killer hat es darauf abgesehen, auf die Gier der Menschen nach Sensation. Er war selbst Opfer dieser Lust. Hoblit zeigt das in verstörenden, weil so realen Bildern. Da kommentieren User trocken die Live-Bilder der Webcam, in denen zu sehen ist, wie Menschen ausbluten, langsam verbrennen oder in Säure zerfallen, als würden sie irgendeinem Schlammcatchen zuschauen. Ein Fachmann sagt, die User würden das im Internet gezeigte Leid der jeweils Gemarterten gar nicht für echt halten und deshalb so fleißig klicken – dass genau dies dann den Tod des Opfers beschleunigt, schreibe sich niemand auf die eigene Kappe. Tatsächlich klicken sie alle, um das Gesprächsthema des Tages nicht zu verpassen. Als die Show vorbei ist, schimpft eine Userin, dass nicht erkennbar sei, wo man sich die Videos nun runterladen könne.

Der Film spießt die Sensationsgier des Menschen auf und bietet keinen Ausweg. Gregory Hoblit imitiert ein bisschen den Serienkiller-Thriller Seven (1995) von David Fincher; Plakatmotiv (US): Untraceable (2008) da gab es auch Opfer von unappetitlichen Morden zu sehen und Cops, die ins Fadenkreuz des Killers gerieten.

Filme, die sich mit der Sensationsgier des Menschen befassen, sind gemein: Kino lebt von Bildern; je spektakulärer, desto Kino. "Untraceable" nun kritisiert genau diesen unseren Umgang mit spektakulären Bildern, indem er spektakuläre Bilder von Menschenqual anbietet. Keines der Bilder kommt an die unterschwellige Angst heran, die Sieben im Kopf seiner Zuschauer erzeugte. Seit damals sind 13 Jahre Medienkonsum ins Land gegangen. Das Thema "Sensationsgier" ist zu den Akten gelegt; man sagt uns nichts Neues mehr, wenn man darauf hinweist, dass Menschen das Leid anderer genießen. Die RTL-Show "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" zeigt das seit 2004.

Um diese Sensatonsgier herum liefert Gregory Hoblit einen soliden Thriller mit Diane Lane (Die Hollywood-Verschwörung – 2006; "Frau mit Hund sucht Mann mit Herz" – 2005; Unter der Sonne der Toskana – 2003; Untreu – 2002; The Glass House – 2001; Hardball – 2001; Der Sturm – 2000; Mein Hund Skip – 2000; Mord im Weißen Haus – 1997; Jack – 1996; Judge Dredd – 1995; Cotton Club – 1984; Straßen in Flammen – 1984; Rumble Fish – 1983; Die Outsider – 1983), die als allein erziehende FBI-Ermittlerin andauernd versucht, Broterwerb und Familie in Einklang zu bringen und uns im Kinosessel eine Zeitlang fürchten lassen soll, dass vielleicht ihre kleine Tochter in die Fänge des Killers geraten könnte. Aber was das Personal angeht, trampelt der Thriller dann durch sehr ausgewalzte, familienkompatible Pfade.

Voyeurismus, Neue Medien und die mangelnde Übung des Menschen damit sind ein gutes Thema für einen ordentlichen Thriller, aber die klassische Thrillerstruktur, die sich seit den 90ern wenig verändert hat, scheint nicht mehr der geeignete Nähboden dafür.

Wertung: 4 von 7 €uro
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