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Plakatmotiv: Die Hand an der Wiege (1992)

Ein Thriller, der sich nicht traut,
mal wirklich böse zu werden

Titel Die Hand an der Wiege
(The Hand that rocks the Cradle)
Drehbuch Amanda Silver
Regie Curtis Hanson, USA, UK 1992
Darsteller

Annabella Sciorra, Rebecca De Mornay, Matt McCoy, Ernie Hudson, Julianne Moore, Madeline Zima, John de Lancie, Kevin Skousen, Mitchell Laurance, Justin Zaremby, Eric Melander, Jennifer Melander, Ashley Melander, Cliff Lenz, Penny LeGate, Mary Anne Owen, Therese Tinling, Todd Jamieson u.a.

Genre Drama, Thriller
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
2. Juli 1992
Inhalt

Als die schwangere Claire Bartel einen neuen Gynäkologen, Dr. Victor Mott, aufsucht, wird sie von diesem sexuell missbraucht. Claire zeigt den Arzt an und auch weitere Frauen, die von dem Gynäkologen missbraucht wurden, gehen mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit. Mott begeht daraufhin Selbstmord. Ereignisse, die seine ebenfalls schwangere Witwe, so sehr belasten, dass es zu einer Frühgeburt kommt. Das Baby stirbt gleich nach der Geburt.

Am Boden zerstört muss Mrs. Mott erleben, wie ihr ganzes Leben aus den Fugen gerät. Für ihr Unglück macht sie nur eine Person verantwortlich: Claire Bartel, die ihrer Meinung nach die Ereignisse durch ihre Anzeige ins Rollen gebracht hatte.

Mrs. Mott, die sich nun Peyton Flanders nennt, strikt einen perfiden Plan, um Rache an Claire zu nehmen. Als Kindermädchen heuert sie bei Familie Bartel an und beginnt, sich unentbehrlich zu machen. Geschickt gelingt es ihr, die Kinder auf ihre Seite zu ziehen und auch Claires Mann Michael gegen seine Frau anzustacheln. Tricks, Intrigen und Drohungen reihen sich aneinander mit nur einem Ziel: Peyton will Claire das rauben, das die Frau vermeidlich ihr geraubt hat. Peyton will Claire beseitigen und ihren Platz in der Familie übernehmen …

Was zu sagen wäre

Die Hand an der Wiege ist die, die die Welt regiert.“ Die Bilderbuchfamilie Bartel im Bilderbuchhäuschen erlebt den Albtraum schlechthin. Der Feind – in diesem Fall die Feindin – lebt im eigenen Haus. Sie hat lange blonde Haare, hellblaue Augen und zeigt großes Einfühlungsvermögen in kritischen Situationen. Die kleine Tochter liebt sie.

Das ist eine lehrbuchmäßige Ausgangssituation für einen Thriller: Eine Familie, die Keimzelle der Gesellschaft, wird bedroht. Nicht mehr wirtschaftliche Verteilungskämpfe stehen im Mittelpunkt verfilmter Auseinandersetzungen – der Whisky ist geschmuggelt, das Land aufgeteilt, die bösen Stiefmütter besiegt. Die Menschen haben es sich in ihren wahr gewordenen Träumen gemütlich eingerichtet. Hier ist es ein Wissenschaftler, der einen erstaunlich gut dotierten Beruf im Labor hat. Seine Frau muss nicht arbeiten – „Schatz, wir haben genug Geld. Wir können uns ein Kindermädchen leisten.“ – kann sich ganz ihrem floralen Hobby hingeben; den Rest erledigt Peyton, das patente Kindermädchen. Auch am Haus tätig ist Solomon, ein Farbiger mit geistiger Beeinträchtigung, den das Drehbuch erfunden hat, um einen zusätzlichen Spannungsfaktor im Spiel zu haben. Ex-Ghostbuster Ernie Hudson spielt diese zur Fremdscham einladende Figur. In der Welt der Schönen, Reichen und vor allem Weißen reicht es für die Nachfahren der Sklaven immer noch nur für die Rolle des unberechenbaren Gärtners mit kindlichem Gemüt, der von der weißen Bilderbuchfamilie auch genauso behandelt wird. Dass Claire ihn nicht mit „Dutzi Dutzi, das hattu aber schööön gemalt“ anspricht, ist nachgerade verwunderlich.

Das Kindermädchen, das eigentlich eine rachsüchtige Witwe ist, die weniger ihren suizidierten Mann betrauert als vielmehr dessen Vermögen, das die Anwälte wegen anhängiger Verfahren eingefroren haben, spielt Rebecca De Mornay (Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen – 1991; "Runaway Train" – 1985; Lockere Geschäfte – 1983; "Einer mit Herz" – 1981) so stimmig, dass romantische Rollen für sie kaum noch in Frage kommen dürften. Die Rolle des Eiskalten Engels steht ihr. Ihr Gegenspieler ist nicht der Mann im Haus. Der ist in diesem Duell der Frauen lediglich der Geldverdiener, der der Gattin die Entscheidung für ein Kindermädchen leicht, ein sanftmütiger ehrlicher, aufrechter Mann ohne weitere Eigenschaften. Gegenspielerin ist die Ehefrau und Mutter Claire. Film-Mütter, das wissen wir nicht erst seit James Camerons Aliens – Die Rückkehr, sollte man nicht bedrohen, weil die leicht zum Tier werden. Hier nicht, Annabella Sciorra ist nicht die Type fürs Tier ("Jungle Fever" – 1991; Auf die harte Tour – 1991; "Die Affäre der Sunny von B." – 1990; "Cadillac Man" – 1990; Internal Affairs – Trau' ihm, er ist ein Cop – 1990). Sciorra spielt die Claire als zugewandte Mutter, freundliche Nachbarin und clevere Austrickserin ihrer Gegnerin. Meist mit einem entzückenden Lächeln, das im Mittelteil des Films schwindet, wenn sich Peyton Tricksereien auszuzahlen beginnen.

Hier ist das Drehbuch nicht besonders aufregend. Die Tricksereien sind nicht intelligent vorbereitet, das Kindermädchen verlässt sich auf seine Intuition. Peyton fällt etwas auf – Großaufnahme Peytons Gesicht, Schnitt auf etwas – und wenige Minuten später hat sie daraus einen Punkt für sich gemacht. Peyton hört etwas – Großaufnahme Peytons Gesicht – und wenige Filmminuten später hat sie es gegen jemanden eingesetzt. Spannungselemente werden in schlichter Reihe montiert, aufgebaut, aufgelöst. Es fehlt wenigstens mal ein großer, raffiniert verschachtelter Überraschungsbogen über mehrere Szenen hinweg. Es gibt den einen, großen Spannungsbogen, ob es der bösen Witwe über 100 Filmminuten gelingen wird, die Bilderbuchfamilie auseinanderzunehmen (mithilfe all der kleinen Spannungsbögen). Aber die kleinen Beobachtungen, die über mehrere Szenen halb in Vergessenheit geraten und im spannungsgeladen richtigen Moment etwas auslösen, gibt es nicht.

Der Film schafft es im letzten Drittel, tatsächlich so etwas wie einen düsteren Schatten über dem Bilderbuchhaus auszubreiten, der es so wirken lässt, als könnte Peyton gewinnen. Aber Bilderbuchfamilien in Bilderbuchhäusern, das wissen wir, wenn wir in einem Hollywoodfilm aus dem Hause Disney sitzen (Das produzierende Hollywood-Pictures ist eine Tochterfirma), verlieren nicht. Dass sie aber nicht einmal wenigstens mit einer familiären Schramme den Abspann erreichen, abgesehen von dem genreüblichen "Unfalltod" im engen Freundeskreis, ist Verschwendung. Anlagen für einen bittersüßen, statt nur für einen süßen Thriller hatte das Drehbuch.

Wertung: 6 von 10 D-Mark
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