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Plakatmotiv (Fr.): L'enfer – Die Hölle (1994)

Ein französischer Film über Romantik,
die in krankhaft tobendem Terror endet

Titel Die Hölle
(L'enfer)
Drehbuch Claude Chabrol & Jean Ferry & José-André Lacour
nach einem Originaldrehbuch von Henri-Georges Clouzot
Regie Claude Chabrol, Frankreich 1994
Darsteller
Emmanuelle Béart, François Cluzet, Nathalie Cardone, André Wilms, Marc Lavoine, Christiane Minazzoli, Dora Doll, Mario David, Jean-Pierre Cassel, Sophie Artur, Thomas Chabrol, Noël Simsolo, Yves Verhoeven, Amaya Antolin, Jean-Claude Barbier u.a.
Genre Drama
Filmlänge 102 Minuten
Deutschlandstart
28. April 1994
Inhalt

Das Ehepaar Paul und Nelly ist seit Kurzem verheiratet und betreibt ein relativ gut gehendes Hotel im Süden Frankreichs. Da die Eröffnung des Hotels mit einem großen Kredit finanziert wurde, stürzt sich Paul in Unmengen von Arbeit.

Durch Stress und die viele Arbeit leidet Paul an Schlaflosigkeit, was seine Belastung noch verstärkt. Hinzu kommt, dass er die ständig gierenden Augen der Männer satt hat, die keinen Hehl aus ihrer Zuneigung für die wunderschöne Nelly machen.

Als Nelly eines Tages von Paul bei einem Treffen mit dem Automechaniker Martineau gesehen wird, wird der Ehemann misstrauisch. Er beginnt Nelly bei ihren Ausflügen zu verfolgen und entwickelt ein Misstrauen, das schon bald in pure paranoide Obsession umschlägt …

Was zu sagen wäre

Der Film beginnt mit einem Schwenk über das Paradies, eine Seenlandschaft in Südfrankreich mit kleinen Segelbooten, mit Bäumen rund ums Ufer und blauem Himmel darüber. Da wirkt der Titel "L'enfer' ("Die Hölle") schon deplatziert. Aber Claude Chabrol (Hühnchen in Essig – 1985) wird uns in den kommenden 100 Minuten zeigen, wie nah die Hölle am Paradies hängt, wie nah sich Schönheit und Verderben sind.

Dafür konstruiert er ein Szenario, das auf die suggestive Kraft des visuellen Mediums Film setzt und den Zuschauer auf subtile Weise in Haftung nimmt. Er inszeniert Emmanuelle Béart ("Ein Herz im Winter" – 1992; "Die schöne Querulantin" –1991) als das Klischee eines Männertraums – luftige Sommerkleidchen, beschwingter, hüftbetonter Gang, mädchenhafte Fröhlichkeit, geschürzte Lippen, große Augen, lange Haare leuchtend im Gegenlicht. Ihren Mann Paul inszeniert Chabrol als freundlichen, hart arbeitenden Durchschnittstypen, kein Erfolgsmann; sein Hotel läuft okay, sollte aber angesichts der drückenden Kredite besser laufen. Wie kriegt denn so jemand so eine schöne Frau? provoziert Chabrol unterschwellig die Frage bei seinem Publikum, bei dem die Rollenverteilung eben so ist, wie sie in unserer Gesellschaft nun mal ist: Männer gucken, Frauen rechnen. Männer suchen sich schöne Frauen, Frauen erfolgreiche Männer. Plakatmotiv: Die Hölle (1994) Diesem Wahn verfällt Paul, den Chabrol ständig in Spiegeln zeigt wie einen Mann mit zwei Seelen, der tatsächlich Selbstgespräche mit seinem dunklen Ich führt, das nach und nach die Oberhand gewinnt, bis er ausrastet und seine Frau vor allen Gästen ohrfeigt.

Nelly, von Béart mit hingebungsvoller Liebe und unverrückbarer Treue zu ihrem Mann gespielt, verliert zusehends ihren Glanz, so wie im Film der scheinbar ewige Sommer in einen düsteren, wolkenverhangenen Herbst übergeht. Pauls Eifersucht ist durch nichts untermauert, aber je mehr Nelly versucht, ihrem Mann Treue zu schwören, desto tiefer reitet sie ihn in den Wahn, bis der glaubt, sie habe mit allen männlichen Hotelgästen und -Angestellten geschlafen. „Beweis es mir!“ fordert er Nelly auf in grotesker Verdrehung der Unschuldsvermutung; sie soll beweisen, dass sie unschuldig ist. Da hat sein dunkles Ich endgültig die Regie übernommen. Chabrol legt keinen gestiegenen Wert auf Cinema Vérité, in dem jede Entwicklung logisch nachvollziehbar ist. Ihn interessiert, was passiert, wenn ..? Was passiert, wenn einen Mann die Eifersucht packt? Warum ihn die packt, ist Chabrol nicht so wichtig, wie die Folgen dieser Eifersucht. Das erzählt er klar strukturiert in ruhigen Bildern, mit zurückhaltendem Score – die meisten Szenen kommen ohne Musik aus – und subtilem Terror: Je sonniger das Wetter über dem malerischen See, an dem das pittoreske Hotel liegt, je fröhlicher die Bewohner und Gäste in der dörflich geprägten, südfranzösischen Region, desto schneller wächst die Eifersucht. Auch hier konstruiert Chabrol das Klischee: Giftige Erotik gedeiht im ungezwungenen Sonnenschein.

Der französische Regisseur beendet seinen Film nicht mit dem klassischen "Fin". Statt dessen steht auf der Leinwand „San fin“ („Ohne Ende“) und das ist die letzte Bosheit dieses sehr bösen Films aus Frankreich über die Liebe.

Wertung: 10 von 10 D-Mark
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