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Plakatmotiv: Hotel New Hampshire (1984)

Ein bezaubernder Film
über das Leben an sich

Titel Hotel New Hampshire
(The Hotel New Hampshire)
Drehbuch Tony Richardson
nach dem gleichnamigen Roman von John Irving
Regie Tony Richardson, UK, Kanada, USA 1984
Darsteller

Jodie Foster, Rob Lowe, Beau Bridges, Nastassja Kinski, Lisa Banes, Paul McCrane, Jennifer Dundas, Seth Green, Wilford Brimley, Wallace Shawn, Matthew Modine, Anita Morris, Dorsey Wright, Jonelle Allen, Amanda Plummer, Joely Richardson u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
22. Februar 1985
Inhalt

Obwohl Winslow Berry gerade eine gescheiterte Hotelgründung im Raum von New Hampshire hinter sich hat, will er nicht so einfach aufgeben. Trotzdem er schon in einem sehr fortgeschrittenen Altern ist, will er das Hotel eines Freundes in Wien übernehmen und dieses wieder zu einem blühenden und erfolgreichen Geschäft machen.

Jedoch gestaltet sich das schwerer als gedacht und es kommt zu einer Reihe chaotischer Begebenheiten, in dessen Verlauf der alte Winslow erblindet. Doch gerade jetzt will er einen letzten Versuch unternehmen und beschließt, dem Hotel in New Hampshire noch einmal eine Chance zu geben.

Durch seine Blindheit sollen ihm seine Kinder bei der Gründung behilflich sein, besonders seine Tochter Frannie nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Und die Kinder hecken einen turbulenten Plan aus, um ihren Vater scheinbar glücklich zu machen …

Was zu sagen wäre

Das Leben ist ein Märchen!“, sagt Lilly nach 105 Filmminuten und so ist es dann auch. Alle Personen, auch die, die unterwegs durch Herzinfarkt, Flugzeugabsturz oder Suizid abhanden gekommenen sind, sind wieder da und tanzen durch die Sommerfrische im dritten Hotel New Hampshire an der Küste von Main. Selbst "Kummer", der Familienhund, der wegen seiner für einen Hotelbetrieb untragbaren Flatulenzen eingeschläfert worden war und in der Folge einen bizarren Einfluss auf die Geschichte der Familie Berry haben wird.

Der Versuch, einen Roman von John Irving zu verfilmen, ist zum Scheitern verurteilt. Zu komplex, zu voll sind seine Geschichten mit, nun ja, mit Leben. Schicksale, die sich über hunderte von Seiten entwickeln, Plakatmotiv: Hotel New Hampshire (1984) sind verwoben mit anderen, ebenfalls sich über lange Strecken entwickelnden Schicksalen und zwischendurch gibt es Katastrophen ungeheuren Ausmaßes und da reden wir nicht von einer Flammendes Inferno-Katastrophe, sondern von plötzlichen, unerwarteten, auch mal schmerzvollen Todesfällen im Kreise der Familie. Ein durchschnittlich 100 Minuten dauernder Spielfilm kann die sich entwickelnden Schicksale nur begrenzt erzählen.

Tony Richardson ist ein guter Hybrid zwischen den Erfordernissen eines Romans und den Möglichkeiten des Films gelungen. Im Film "Hotel New Hampshire" verfolgen wir die Schicksale der Mitglieder der Berry-Familie. Wir erleben einen engen Familienverbund, in dem viel geredet wird, Geschichten erzählt werden, gestritten und sich vertragen wird und nach außen zusammengehalten.

Aus dem Off erzählt wird die Geschichte von John, zweitältester Sohn der Familie und sehr eng mit seiner Schwester Franny. Der älteste Sohn, Frank, ist unter den Geschwistern, zu denen noch eine kleine Schwester und ein ganz junger Bruder gehören, lange ein Außenseiter, der seine Nase in jeder Situation in einem Buch stecken hat. Großvater und Vater sind Lehrer, aber Dad hat darauf keine Lust mehr und macht ein Hotel auf. Es gehört zum Wesen von John-Irving-Romanen, dass solche Entscheidungen positiv getroffen werden. Jemand entscheidet, jetzt machen wir es anders, und dann wird es anders gemacht. Die Familie zieht mit. Die dramatischen Situationen, die auch zu einem Irving-Roman gehören, kommen von ganz allein.

Von dem Hotel hat Winslow, der Vater, immer geträumt. Aber dessen Vater wiederum, Iowa Bob, stellt lapidar fest, dass sein Sohn immer geträumt hat von morgen, nie im heute steckte. Er wollte es nach Harvard schaffen und als er da war, wollte er möglichst schnell fertig werden, weil er eigentlich was anderes vorhat. Da erinnert Vater Winslow an den jungen Luke Skywalker, dem Meister Yoda vorhält, mit seinen Gedanken nie ganz bei sich zu sein, sondern schon weiter. Winslow ist also ein typischer Vertreter der heutigen Gesellschaft, bei der immer alles schnell gehen muss, damit dann endlich die eigenen Träume verwirklicht werden können. Aber Leben ist das, was passiert, während man versucht, seine Träume zu leben und Pläne zu machen.

Tony Richardson hat den Geist des Romans gut eingefangen und ein bisschen ein Reader’s Digest daraus gemacht, was man ihm aber nicht vorwerfen kann, denn das ist die Voraussetzung, um einen Irving-Roman überhaupt verfilmen zu können. Der Film ist bezaubernd geworden, weil er von liebenswerten Figuren getragen wird, die von klasse Schauspielern dargestellt werden. Überraschend, wie gut die Chemie zwischen Rob Low, der bislang eher als Schönling in Teenie-Komödien in Erscheinung trat ("Class – Vom Klassenzimmer zur Klassefrau" – 1983; Outsider: Rebellen ohne Grund – 1983), und Jodie Foster funktioniert, deren Karriere sich ja beinahe schon dem Status einer Großschauspielerin nähert ("Bugsy Malone" – 1976; "Das Mädchen am Ende der Straße" – 1976; Taxi Driver – 1976). Plakatmotiv: Hotel New Hampshire (1984) Die beiden spielen das sehr enge Geschwisterpaar John und Franny, deren Liebe zueinander über die Jahre immer weiter wächst, bis sie sich schließlich in einem mehrstündigen Sex-Marathon ein für alle Mal entlädt.

"Hotel New Hampshire" ist ein Drama, eine Komödie, in der verschiedene Mitglieder der Berry-Familie ihre individuellen Traumata überwinden müssen und das ist, wenn man so will, der Rote Faden, der sich aus den 109 Minuten zunehmend herauskristallisiert; der aber zunächst lange ohne Bedeutung ist. Da legt Tony Richardson seine Fäden aus, erzählt ein wenig High-School-Drama, ein wenig Familienklamotte, ein wenig Abenteuerspielplatz für Kinder, in dem ein Hotel gegründet und dann verkauft wird, um in Wien ein neues Hotel aufzumachen und schließlich an der Ostküste der USA wieder eines, um den großen Traum von Vater Winslow endlich zu perfektionieren – und das ist dann eines, in dem es gar keine Gäste gibt; aber da Winslow zwischenzeitlich erblindet ist, bekommt er das nicht mit und lebt stattdessen seinen Traum. Beau Bridges spielt den Winslow als gutmütigen Teddybär, der seine Familie zusammenhält und dafür von ihr vorbehaltlos geliebt und unterstützt wird.

In einer kleinen Rolle als schüchterne, ebenfalls traumatisierte Susie, die sich nur im Bärenkostüm unter Menschen traut, sehen wir Nastassja Kinski (Paris, Texas – 1984; Katzenmenschen – 1982; "Einer mit Herz" – 1981; "Tess" – 1979; Falsche Bewegung – 1975), die sich mühelos zu so etwas wie der älteren Schwester für Jody Foster entwickelt.

Wenn man einen Roman von John Irving nicht verfilmen kann, dann ist "Hotel New Hampshire" eine gelungene John-Irving-Verfilmung – voller liebenswerter Figuren, skurriler Momente, abscheulicher Situationen, menschlicher Höhenflüge und albernen Todesfällen.

Ein bisschen also wie das Leben selbst.

Wertung: 7 von 9 D-Mark
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