IMDB

Plakatmotiv: Black Panther: Wakanda Forever (2022)

Parabel auf weiße Kolonialpolitik
im Gewand eines Fantasyfilms

Titel Black Panther: Wakanda Forever
(Black Panther: Wakanda Forever)
Drehbuch Ryan Coogler & Joe Robert Cole
nach den Comics von Stan Lee & Jack Kirby
Regie Ryan Coogler, USA 2022
Darsteller

Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong'o, Danai Gurira, Martin Freeman, Daniel Kaluuya, Letitia Wright, Winston Duke, Sterling K. Brown, Angela Bassett, Forest Whitaker, Andy Serkis, Florence Kasumba, John Kani, David S. Lee u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 161 Minuten
Deutschlandstart
9. November 2022
Website marvel.com/blackpanther/
Inhalt

Das Königreich Wakanda befindet sich nach dem Tod seines Königs T’Challa in Trauer. Weil er in Wien vor den Vereinten Nationen versprochen hatte, die Technologien und Ressourcen seines Landes zum Wohl der ganzen Menschheit einzusetzen und das Königreich so gegenüber der Welt zu öffnen, kommt es zu Spannungen mit anderen Nationen. Wakandas amtierende Königin Ramonda, T’Challas Mutter, weigert sich, Vibranium und die darauf basierende Technologie mit dem Rest der Welt zu teilen, da sie um die Auswirkungen und den Frieden auf der Welt fürchtet.

Die USA sind unterdessen mit ihrer Suche nach Vibranium im atlantischen Ozean erfolgreich. Mithilfe eines Sensors sind sie am Grund des Meeres auf ein kleines Vorkommen gestoßen. Bei näherer Untersuchung werden sie jedoch von unbekannten humanoiden Kreaturen aus dem Meer angegriffen, bei dem die gesamte Besatzung des Forschungsschiffs ums Leben kommt. US-Behörden machen Wakanda für den Angriff verantwortlich.

Ramona hat es mit Misstrauen und Gier von vielen internationalen Seiten zu tun – und mit Hass von unerwarteter Seite. Nicht nur, dass französische Spione versuchen, in die Labore des Landes einzudringen; die trauernde Königin und ihre Tochter erhalten auch noch Besuch von Namor, dem König des Unterwasserreichs Talocan, das zur Überraschung des wakandianischen Herrscherstabs ebenfalls im Besitz von Vibranium ist. Namor, ein Mutant aus Mensch und Wasserwesen, will sich mit Wakanda verbünden, um einen Krieg gegen die gesamte Welt an der Oberfläche vorzubereiten. Weil Ramonda und ihre Berater davon nicht überzeugt sind, macht sich ihre Nation Namor zum Feind …

Was zu sagen wäre

Das war ja klar: Nachdem der junge König T'Challa, inspiriert durch seinen aufbrausenden Cousin Kilmonger sein Land Wakanda der Welt geöffnet hat, ist die Welt, vor allem die hochgerüstete Erste Welt in Aufruhr. Die hochentwickelten Industrielstaaten kommen nicht damit klar, dass mitten in – ausgerechnet – Afrika ein Staat existiert, der über Bodenschätze verfügt, die ihn technisch und wirtschaftlich soweit nach vorne bringen, dass die sogenannte Erste Welt, die USA, Frankreich – andere Großmächte wie China oder Mittelmächte wie Großbritannien spielen keine Rolle – dagegen aussieht, wie ein Entwicklungsland. Und dann wollen diese Wakandaner ihre Bodenschätze auch noch für sich behalten, weil sie der weißen Welt misstrauen – vor der UN macht die wakandanische Königin, die dort in eleganten Roben und einer beeindruckenden Schar bunt gekleideter Leibwächterinnen auftritt, als werde sie gleich für das Cover eines Hochglanzmagazins fotografiert, den grauen Anzugtypen und -frauen in der Versammlung klar, dass sie ihnen misstraue. Das können die Franzosen nicht auf sich sitzen lassen, schicken ein hochgerüstetes Killerkommando los, um sich die wakandanischen Schätze zu sichern und werden blamabel in Ketten vor die UNO geschleift. Die USA suchen mit einem extra entwickelten Vibraniumdetektor und werden fündig auf dem Meeresboden, werden dort allerdings von rätselhaften Wesen vernichtend geschlagen, die, wie sich herausstellt, auf dem Meeresboden leben und ebenfalls über das wertvolle Vibranium verfügen.

Es entwickelt sich ein hitziger Streit zwischen zwei Supermächten, die bis gestern noch keiner auf dem Schirm hatte. Plakatmotiv: Black Panther: Wakanda Forever (2022) Die weiße Welt da draußen nimmt die blauen Unterwasserbewohner zunächst gar nicht wahr, was denen auch ganz recht ist. Mit Menschen, spanischen Konquistadoren im 17. Jahrhundert, haben die Unterwasserwesen ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Über die Öffnung Wakandas gegenüber der Welt nun drohen sie aber wegen der weißen Gier nach Vibranium aufzufliegen. Und weil Angriff die beste Verteidigung ist, will der Herrscher dieser Unterwasserwelt, Namor, die Welt an der Oberfläche mit seiner geballten Macht aus Vibranium und sämtlichen Meeressäugern vernichten. Dieser Amor ist einer der ältesten Marvel-Charakter. Ursprünglich sann der Sub-Mariner auf Rache an den Menschen, weil im Zweiten Weltkrieg ein Teil seines Reichs Atlantis zerstört wurde. Im vorliegenden Film wurde vor rund 500 Jahren Namors Mutter, Herrscherin über ein Reich in Zentralamerika, von Konquistadoren ins Meer vertrieben, wo sie mit Hilfe des Vibraniums eine neue Rasse gründete. Das passt in die Zeit: Im modernen Comicfilm hat auch Namor eine Vorgeschichte als Opfer des Kolonialismus. Er wird als Mutant geboren, der sehr langsam altert, und gerät im Film zum Rachegott buchstäblich versunkener Hochkulturen wie der Maya und Azteken. Um Wakanda und um das Unterwasserkönigreich Talocan ist es dann tatsächlich eine weiße Welt und eine weiße Gier, in der als einziger CIA-Mann Everett Ross eine Rolle spielt, nämlich die etwas hilfsbedürftige Figur des Sidekicks, der auftaucht, dann aus dem Film länger verschwindet und am Ende von einer Hauptfigur aus der Patsche befreit wird – also eine Rolle, die im traditionellen Hollywood stets von Afroamerikanern gespielt wurde.

Der erste Black Panther-Film kam 2018 in die Kinos und wurde sofort zu einem Klassiker, zu einem Phänomen. Er bewies, dass ein Film von People of Color ausschließlich besetzt mit People of Color ganz unverkrampft afrikanisches Selbstbewusstsein zur Schau stellen und damit ein weltweiter Hit an den Kinokassen werden kann. Der neue Plack-Panther-Film dreht das noch ein bisschen weiter. In der UN-Vertretung in der Schweiz, an Schreibtischen in den USA sitzen hauptsächlich weiße alte Männer, die aus traurigen Augen auf eine neue Weltordnung gucken, während sich im Zentrum des Films ein schwarzes Matriarchat und blaue Unterwasserwesen bekriegen. Was wäre geschehen, wenn Afrika nicht von weißen Europäern kolonisiert worden wäre? Wakanda ist eine Antwort (im Film unter Zuhilfenahme von ein bisschen Weltraumzauber). Es ist ein Reich, in dem nach dem Tod des geliebten Königs ausschließlich Frauen das Sagen haben – die Königin, deren technisch höchstbegabte Tochter Shuri, die Kriegerinnen der Dora Milaje und die Agentin und ehemalige Geliebte des verstorbenen Königs, Nakia. Dass solche Filme im amerikanischen, hocheffizienten Blockbusterkino möglich sind, ist den Frauen und Männern in den MARVEL-Büros, die in den zurückliegenden Jahren viel More-of-the-Same-Zeug geliefert haben, anzurechnen. Für ihr metastasierendes Marvel Cinematic Universe, in dem "Wakanda Forever" gerade die "Phase 4" beschließt, holen sie sich immer wieder junge, unbekannte Regisseure, die sie – bis zu einem gewissen Grad – ihre Visionen umsetzen lassen. Manchmal kommt es dann zu den berüchtigten kreativen Differenzen und die Regie wird neu besetzt, aber meistens lassen die Bosse die Regisseure einfach machen, selbst wenn ein so fragwürdiger Film wie im vergangenen Jahr Eternals unter der Oscar prämierten Regisseurin Chloé Zhao dabei entsteht. Unter der Regie von Ryan Coogler, der sich bis zu seinem ersten Black Panther-Film vor allem als Autor und Regisseur in den jüngeren Rocky-Franchises ausprobiert hat, ist nun ein üppig ausgestattetes Actiondrama mit epischen Bilderwelten aus einer realen Tragödie heraus entstanden. 

Bald nach Beendigung der Dreharbeiten zum ersten Black Panther-Film starb Chadwick Boseman, der Hauptdarsteller und Titelheld. Unter Comiclesern ist es gelernte Realität, dass Figuren in solchen Fällen (der Autor verlässt die Serie, der Zeichner will sich anderen Zielen öffnen) einfach umbesetzt werden. Im Comic ist ihr betrauerter Tod irgendwann durch irgendeine irre Wendung beendet, im Film wird aus Terrence Howard als Rhodey (bzw. "War Machine") in Iron Man Don Cheadle in Iron Man 2, weil Howard um eine zu hohe Gage gepokert hatte. Aus Eric Bana in Hulk (2003) wurde Edward Norton in Der unglaubliche Hulk (2008) und nach kreativen Differenzen schließlich Mark Ruffalo in den Avengers-Filmen. Aus Richard Harris in Harry Potter und der Stein der Weisen wurde in Harry Potter und der Gefangene von Askaban Michael Gambon. Chadwick Boseman wurde nicht ersetzt. Mit ihm stirbt im MCU auch König T'Challa.

Der aktuelle Film beginnt mit einer elegischen Trauerzeremonie für den an „einer rätselhaften Krankheit“ verstorbenen T'Challa. Die Trauer um diesen Verlust durchweht den ganzen Film, der mit 161 Minuten nach Avengers: Endgame der zweitlängste im bisherigen Marvel Cinematic Universe ist. Die Wakandaner sind zunächst sehr mit sich und ihrem Platz in der Welt beschäftigt und kämpfen dann, wie schon im ersten Film, in ihren wichtigsten Schlachten nicht gegen weiße Gegner, sondern gegen eine Army of Color. Und warum? Weil sich Schwarz und Blau nicht einigen können, wie sie mit der latent aggressiven weißen Welt umgehen sollen. Koexistenz? Oder Krieg? Namor und seine Unterwasserarmee zieht den totalen Krieg vor; und das Drehbuch verschafft ihm gute Gründe und also Sympathien ambivalenter Art im Kinosessel. Ihm entgegen stellt sich Prinzessin Shuri, die jüngere Schwester T'Challas, die in früheren Filmen eine unterhaltsame Nebenrolle als bezauberndes Technikgenie hatte und hier zur Hauptfigur avanciert. Sie ist hin und hergerissen zwischen Rachelust für den Mord an ihrer Mutter, der Königin Ramona, und dem völkerverständigen Appeasement-Ansatz ihres verstorbenen Bruders; damit wird sie zu einer komplexen Gegnerin des zornigen Sub-Mariners, die die dramatische Tiefe des Films betont

Ryan Coogler bietet mit seinem bunten Spektakel auf dem Land, auf dem Wasser und in einer dunklen Stadt mit künstlicher Sonne in den Tiefen des Meeres einen intelligenten Blick auf die internationale Politik, auf das Verhältnis von Hochtechnologieland zu Entwicklungsland unter umgedrehten Vorzeichen. 

Wertung: 6 von 8 €uro
IMDB