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Plakatmotiv: Frankensteins Sohn (1939)

Die Kreatur bekommt eine Seele

Titel Frankensteins Sohn
(Son of Frankenstein)
Drehbuch Willis Cooper
inspiriert durch den Roman "Frankenstein" von Mary Shelley
Regie Rowland V. Lee, USA 1939
Darsteller
Basil Rathbone, Boris Karloff, Bela Lugosi, Lionel Atwill, Josephine Hutchinson, Donnie Dunagan, Emma Dunn, Edgar Norton, Perry Ivins, Lawrence Grant, Lionel Belmore, Michael Mark, Caroline Frances Cooke, Gustav von Seyffertitz, Lorimer Johnston u.a.
Genre Horror
Filmlänge 99 Minuten
Deutschlandstart
18. Februar 1968
Inhalt

Viele Jahre nach dem Tod seines berüchtigten Vaters kehrt Baron Wolf von Frankenstein mit seiner Familie in seine alte Heimatstadt zurück. Dort werden er und seine Familie wenig herzlich willkommen geheißen, denn man erinnert sich im Städtchen Frankenstein noch sehr gut an die Kreatur, die der alte Baron aus Leichenteilen zusammengesetzt hatte und die im ganzen Ort für Angst und Schrecken gesorgt hatte. Der einzige, der Wolf von Frankenstein nicht vorverurteilt, ist der örtliche Polizeiinspektor Krogh, obwohl ihm in seiner Jugend von dem Monster der rechte Arm aus dem Gelenk gerissen worden war.

Die Mordserie, die kurz vor der Ankunft derer von Frankenstein begonnen hat, macht es der Familie nicht leichter, sich im Ort einzuleben. Bereits mehrere Männer wurden tot aufgefunden. Offenbar wurden sie von einer übermenschlichen Kraft so lange gepresst bis ihre Herzen geplatzt sind.

Eines Tages, als er das alte Labor seines Vaters wieder aufbaut, trifft Wolf auf Ygor, den buckligen alten Gehilfen seines Vaters, der noch immer in den Ruinen lebt. Dieser führt ihn durch einen Geheimgang in die Familiengruft hinunter, wo die Kreatur noch immer lebt, jedoch in einem komaähnlichen Schlaf liegt, seit sie kürzlich von einem Blitz getroffen wurde. Fasziniert von dem Geschöpf, erwacht in Wolf der Forschungsdrang.

Er will den Namen seines Vaters reinwaschen, indem er das Monster mittels einer Gehirnoperation, zum Guten verändert …

Was zu sagen wäre

Plötzlich entdeckt die Kreatur eine andere Kreatur. Es ist ihr Spiegelbild. Es ist eine anrührende Szene, wie der ungeschlachte Koloss da sich selbst gegenübersteht und erkennt, was er ist. Boris Karloff, der wieder in die aufwändige Maske der Kreatur geschlüpft ist, spielt diese Szene schwebend; im Kinosessel sollen wir uns eigene Gedanken machen: Erkennt das abnorme Gehirn in seinem Kopf lediglich, dass die Kreatur bedrohlich aussieht? Oder erkennt diese Gehirn, das mal einen Menschen gesteuert hat, dass es kein Mensch mehr ist? Das würde bedeuten, dass die Seele im Gehirn wohnt und mit übertragen wurde.

Dieser dritte Frankensteinfilm stellt in der Hälfte sehr die Wissenschaft in den Mittelpunkt. Die Lebensfähigkeit der Kreatur wird erläutert, sehr hoher Puls attestiert, eine „polymorphe Zellenstruktur, extreme Hämatrosis. Die Alphaleukozyten lösen sich anscheinend nicht auf“. Eine Veränderung in der Hypophyse sei für die enorme Körpergröße verantwortlich. Wolf von Frankenstein holt schließlich das Universum als Erklärung zu Hilfe: „Er ist unirdisch. Als Mensch sollte ich ihn vernichten. Als Wissenschaftler sollte ich alles in meinen Kräften tun, um ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen. Damit die Welt seine abnormen Funtionen studieren kann.

Das Wesen muss sich filmdramaturgisch entwickeln. Genügte es 1931 noch, die schrecklich anmutende Kreatur einfach auf ein Dorf loszulassen, eingebettet in eine Mad Scientist-Story, gab die Wissenschaft ihm 1935 schon eine Partnerin, um das Drama zu entwickeln ("Frankensteins Braut"). Nun findet die Kreatur in Ygor so etwas wie seinen großen Bruder, der sie beschützt, umsorgt und aber auch für seine finsteren Pläne missbraucht. Dabei dat sie offenbar gelernt, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden und menschlich zu handeln. Mehrmals taucht sie im Schlafzimmer von Peter auf, dem kleinen Jungen der Frankensteins – und spielt mit ihm. Auch 1931 spielte die Kreatur schon mit einem Kind – einem Mädchen; und warf es dann unbedacht in den See, wo es ertrank. Diese geistige Tumbheit ist verschwunden.

Ygor, der quasi große Bruder, hatte für Henry Frankenstein einst die Leichen aus den Gräbern geholt. Da hieß er noch Fritz und fiel der Kreatur bald zum Opfer. Solche Ungereimtheiten sollte man nicht zu eng sehen; auch viele Schauspieler aus dem ersten Film tauchen hier wieder auf, aber in anderen Rollen – Lionel Belmore spielte in Frankenstein den Dorfbewohner Herr Vogel, während er in "Frankensteins Sohn" das Ratsmitglied Herr Lang darstellt. Michael Mark, der hier Herr Neumüller ist, war vor auch schon Herr Ludwig. Auch das Städtchen hieß früher nicht "Frankenstein" sondern "Goldstadt".

Das sind Petitessen für Genau-Hingucker und Bescheid-Wisser, die hinter wieder eine wunderbar düstere Bildgestaltung zurücktritt. Die Räume in Schloss Frankenstein sind ausufernd groß, haben keine Decken, dafür schräge Wände, geheime Gänge, lange verwinkelte Freitreppen aus Holz und einen großartigen Kamin. Umgeben ist das Schloss vom Städtchen Frankenstein, das aus lauter schiefen Häuschen besteht, die an Heinzelmännchen-Behausungen erinnern. George Robinson taucht diese Welt als Director of Photography in helles Licht, das harte Schlagschatten provoziert, die von oben, mal von unten, mal von schräg die Kulisse zerschneiden. Während die Kameraperspektiven, anders als im Film von 1931, eher gewöhnlich sind, verschafft Robinsons Lichtsetzung dem Film die besondere Atmosphäre des Abnormen, die diese düstere Geschichte unterstreicht.

Boris Karloff hat sich gut in seiner Kreatur eingelebt. Unter der schweren Maske schafft er es mühelos, der tragischen Figur Würde und Emotion zu geben, die ohne Worte auskommt. Karloff ist es zu verdanken, dass Die Kreatur, die häufig als "Frankenstein" benannt wird, einer der berührenden Monster der Filmgeschichte ist. An seiner Seite spielt Bela Lugosi den Ygor. Lugosi, der 1931 als "Count of Dracula" berühmt wurde, danach als Vertragsschauspieler von Universal Pictures sich nie aus dessen Schatten lösen konnte, war ursprünglich nicht für diesen Film vorgesehen. Regisseur Rowland V. Lee, ein großer Bela Lugosi-Fan setzte ihn, der zu dieser Zeit in finanziellen Schwierigkeiten steckte und dringend Arbeit brauchte, durch. Lugosi erhielt als Gage nur 500 US-Dollar.

Einen wunderbar ambivalenten Wolf von Frankenstein spielt Basil Rathborne, der in zahlreichen Technicolor-Filmen den Schurken gespielt hat. Er kämpfte schon gegen Robin Hood, gegen Piraten und Könige aller Art. Seine adlige Attitüde, die er mit einem dünnen Menjou-Bärtchen unterstreicht, passt gut zur Arroganz des Barons den Bürgerlichen gegenüber und zur Fassungslosigkeit des unzivilisierten Auftretens von Ygor.

Wertung: 4 von 5 D-Mark
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