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Plakatmotiv: Die Akte Odessa (1974)

Eine blutleere Verfilmung
eines spannenden Romans

Titel Die Akte Odessa
(The Odessa File)
Drehbuch Kenneth Ross + George Markstein
nach dem gleichnamigen Roman von Frederick Forsyth
Regie Ronald Neame, UK, BRD 1974
Darsteller

Jon Voight, Maximilian Schell, Maria Schell, Mary Tamm, Derek Jacobi, Peter Jeffrey, Klaus Löwitsch, Kurt Meisel, Hannes Messemer, Garfield Morgan, Shmuel Rodensky, Ernst Schröder, Günter Strack, Noel Willman, Martin Brandt u.a.

Genre Drama, Thriller
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
7. Februar 1975
Inhalt

Hamburg, 1963: Per Zufall gerät der freie Reporter Peter Miller an das Tagebuch des verstorbenen Salomon Tauber. Der ehemalige KZ-Häftling berichtet über seine Zeit im Konzentrationslager in Riga, über den Verlust seiner Frau und insbesondere klagt er einen besonders skrupellosen SS-Offizier an, den Schlächter von Riga, Eduard Roschmann.

Peter Miller will der Sache nachgehen, stößt jedoch auf vielfachen Widerstand. Eine Geheimorganisation namens Odessa schützt die Kriegsverbrecher der NS-Zeit, um im Verborgenen an den Zielen der Nationalsozialisten weiterzuarbeiten.

Miller erfährt, dass der ehemalige Schlächter noch am Leben ist und heftet sich an seine Fersen. Plakatmotiv (US): The Odessa File – Die Akte Odessa (1974) Bald schon steckt er in einem verwirrenden Katz und Maus-Spiel, in das nicht nur mächtige Altnazis, sondern auch der israelische Geheimdienst Mossad verwickelt ist.

Als Miller von einem Vorfall erfährt, bei dem Roschmann einen deutschen Offizier erschossen haben soll, wird er neugierig …

Was zu sagen wäre

Eine gruslig spannende Geschichte, die Frederick Forsyth 1972 aufgeschrieben hat. Gerüchte, Mutmaßungen, unbestätigte Berichte gibt es immer wieder, dass es eine geheime Gruppe gibt, in der sich Altnazis sammeln und auf den Tag der Rache warten. Forsyth beschreibt ein weitläufiges Netzwerk, dessen Mitglieder in Behörden, in hohen Regierungsämtern und den Polizeibehörden des Landes sitzen und dessen Krakenarme bis nach Ägypten und nach Südamerika reichen.

Ronald Neame (Die Höllenfahrt der Poseidon – 1972) hat Forsyths Roman verfilmt. Es zeigt sich, das ein spannender Roman in seiner verfilmten Version ein sich unangenehm ziehender Langeweile sein kann. Eine Stunde lang sehen wir einem mimisch limitierten Jon Voight (Beim Sterben ist jeder der Erste – 1972; Catch 22 – 1970; "Asphalt-Cowboy" – 1969) dabei zu, wie er als freier Journalist seinen Alltag lebt: Er besucht seine Mutter, fährt Auto, besucht einen Freund bei der Polizei. Er liest das Tagebuch eines jüdischen KZ-Überlebenden und kommt dadurch auf die Idee, den im Tagebuch beschriebenen Kommandanten des KZ in Riga, von dem der junge Mann annimmt, dass der noch lebt, ausfindig zu machen und gerät bald ins Visier einer Gruppe alter Männer, die sich als trinkfeste ehemalige SS-Angehörige entpuppen. An äußerer Handlung ist bis dahin noch nichts passiert. Einmal stößt ein alter Mann Miller vor eine einfahrende S-Bahn. Ein kurzer Schreckmoment, den Miller natürlich schadlos übersteht, der aber ein gutes Motiv für das Filmplakat abgibt. Es ist der einzige Spannungsmoment während der ersten Filmstunde.

Plakatmotiv (US): The Odessa File – Die Akte Odessa (1974)Vom ruhigen, lange Zeit unklaren Aufbau her erinnert das an Fred Zinnemann Der Schakal aus dem vergangenen Jahr, einer anderen Forsyth-Verfilmung, bei der Produzent John Woolf, Drehbuchautor Kenneth Ross und Cutter Ralph Kemplen auch schon zusammengearbeitet haben. Während im "Schakal" von Anfang an klar ist, dass alles, was wir an rätselhaften Verhalten und kuriosen Vorbereitungen sehen, auf das Attentat auf den französischen Präsidenten zuläuft und dadurch eine fiebrige Spannung entwickelt, ist in Ronald Neames "Akte Odessa" lange Zeit gar nichts klar. Dass es eine SS-Geheimorganisation gibt, die Raketen auf Israel abfeuern will, ist als MacGuffin okay, liefert aber keine Spannung. Und bis auf den S-Bahn-Schubser werden die SS-Leute auch nicht aufdringlich. Erst, als sich israelische Agenten einschalten, bekommt der Film etwas Drive.

Da wird Peter Miller von einem glatzköpfigen Schleifer – im Roman wird er als ehemaliger Angehöriger der SS eingeführt, im Film bleibt das offen – in die Gepflogenheiten der alten SS-Seilschaften eingeführt, weil Miller in die Geheimorganisation OdeSSa (Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen) eingeschleust werden soll. Hier baut sich Spannung auf, weil die SS-Leute plötzlich Struktur bekommen, einen bedrohlichen Rahmen. Und weil die Hauptfigur plötzlich nachvollziehbar und dauernd in Lebensgefahr ist – auch, weil er einen blöden Anfängerfehler macht. Schon in der Romanvorlage wunderte ich mich, dass ein Journalist, der undercover arbeitet, mal eben seine Freundin anruft.

Tempo bekommt der Film bis zum Finale nicht, das mit dem Nazi-Schlächter Roschmann – von Maximilian Schell (Urteil von Nürnberg – 1961) als erst mörderischer Sadist, dann bierbäuchiger Arroganzling gespielt – weniger nachsichtig umgeht, als Forsyth in seinem alles in allem realistischer erzählten Roman das tut. Im Unterhaltungskino müssen die Dinge am Ende halt eindeutig geklärt sein. Wenn sie vorher nur auch spannend erzählt worden wären.

Wertung: 3 von 8 D-Mark
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