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Plakatmotiv: Beim Sterben ist jeder der Erste (1972)

Ein schockierendes Abenteuer
aus der Hölle der wahren Natur

Titel Beim Sterben ist jeder der Erste
(Deliverance)
Drehbuch James Dickey
nach seinem Roman "Flussfahrt"
Regie John Boorman, USA 1972
Darsteller

Jon Voight, Burt Reynolds, Ned Beatty, Ronny Cox, Ed Ramey, Billy Redden, Seamon Glass, Randall Deal, Bill McKinney, Herbert 'Cowboy' Coward, Lewis Crone, Ken Keener, Johnny Popwell, John Fowler, Kathy Rickman u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
10. Oktober 1972
Inhalt

Abenteurer Lewis animiert seinen Freund Ed und dessen Kumpels Bobby und Drew zu einer gemeinsamen Kanutour. Fern von ihrer Heimat wollen sich die Großstädter am wilden Cahulawassee in Georgia ein wenig Abenteuer gönnen.

Zusätzlicher Anreiz ist die Tatsache, dass durch den Bau eines Staudamms der reißende Fluss und seine idyllische Umgebung kurz vor der Flutung stehen. Trotz einiger Stromschnellen verläuft der Ausflug ins kühle Nass zunächst ohne besondere Vorkommnisse.

Jegliche Lagerfeuerromantik ist jedoch verflogen, als Ed und Bobby, die sich von Lewis’ Boot entfernt hatten, am Ufer auf zwei Hinterwäldler treffen. Sie fesseln Ed an einen Baum, wo er mit ansehen muss, wie Bobby vergewaltigt wird. Als auch Ed zum Oralverkehr gezwungen werden soll, erschießt Lewis mit seinem Bogen einen der Hillbillies. Dessen Kompagnon kann im Eifer des Gefechts fliehen.

Plakatmotiv (US): Deliverance – Beim Sterben ist jeder der Erste (1972)Gegen den Widerstand von Drew beschließen die Männer, den getöteten Angreifer zu begraben, den Vorfall nicht den örtlichen Behörden zu melden und die lebensgefährliche Kanufahrt fortzusetzen …

Was zu sagen wäre

Ein Film über den Vietnamkrieg, der weder im Krieg spielt noch gar in Vietnam. Schauplatz ist die freie, ein bisschen wilde Natur. Da, wo der zivilisationsmüde Mensch sich hinbegibt, um ein wenig Abenteuer zu erleben, sein gebrochenes Verhältnis zur Natur zu pflegen. Oberflächlich betrachtet erzählt uns John Boorman (Point Blank – 1967) hier eine Geschichte über den dünnen Firnis der Zivilisation, der leicht reißt und dann das Wesen zum Vorschein bringt, das „des Menschen Wolf“ ist.

Irgendwo in den tiefen Wäldern der Apalachen, in der Nähe des Flusses, vergewaltigen zwei Hillbillies den Versicherungsmakler Bobby. Mit einigem Recht könnte man jetzt schulterzuckend sagen, das sei ausgleichende Gerechtigkeit, haben sich Bobby und seine Freunde doch eben noch feixend darüber ausgelassen, diese wilde Natur, die gerade für ein gigantisches Staudammprojekt gerodet wird, werde „geschändet, damit wir in Atlanta noch ein paar mehr Klimaanlagen mehr laufen lassen können“. Jetzt schändet die Natur zurück und zeigt den Klimaanlagen-Rittern mal, was Leben und Abenteuer wirklich bedeuten.

Lewis, der Naturbursche im Großstadtquartett, der nicht trinkt, weil er seine Sinne beisammen haben will da draußen in der wilden Natur, „deren Spiel“ er spielen will, erschießt den Hillbillie mit seinem Sportbogen und denkt sich nichts weiter dabei. Burt Reynolds spielt ihn als arroganten Poser mit Mordlust im Auge: So ist das halt hier draußen – entweder Du oder Ich. Woraufhin die drei anderen eine Diskussion entfachen, ob man den Toten nicht zur Polizei bringen müsse, wie denn eigentlich die Gesetzeslage sei. Und als Lewis entgeistert die Arme ausbreitet und fragt „welche Gesetze?“, da sind alle ratlos.

Ein Wochenende in der Wildnis haben sich alle irgendwie nicht als wildes Leben außerhalb des Gesetzes vorgestellt. Drew hat doch extra seine Gitarre mitgebracht für launige Stimmung am Lagerfeuer. Aber schließlich geben sie Lewis recht: Hier draußen, wo der Müll der Zivilisation, White Trash, gestrandet ist und Wurzeln geschlagen hat, gelten andere Gesetze. Fortan sind die Großstädter nicht mehr dieselben. Die Vergewaltigung durch den Hillbillie nimmt sie weniger mit, als die Erfahrung eines Lebens jenseits gesellschaftlicher Regeln, Gesetze, denn sie lernen, dass sie darauf überhaupt nicht vorbereitet sind. Mit Szenen wie dieser Diskussion um Recht und Gesetz in the Middle of Nowhere zwingt Boorman seine Zuschauer immer wieder zur Reflexion: Wer bist Du? Nur ein Tier mit Überlebensinstinkt? An anderer Stelle hängt Ed in einer glitschigen Steilwand fest, auf deren Spitze ein potenzieller Mörder lauert. Die Situation ist insgesamt eher lebensgefährlich, da entfährt es Ed mit einem Mal: „Gott, was für ein Ausblick!

Es wird weitere Tote geben und falsche Aussagen gegenüber der Polizei. Die Vergewaltigung durch die Natur, die die schrecklichen Geheimnisse der Überlebenden einst in sich begraben wird, sobald sie selbst durch das Staudammprojekt vergewaltigt worden sein wird, wird den Überlebenden schlaflose Nächte bereiten, denen stellvertretend Jon Voight (Catch 22 – Der böse Trick – 1970; "Asphalt Cowboy" – 1969) jene Mischung aus Fassungslosigkeit und zivilisatorischer Besserwisserei gibt, die zur dauernden Vergewaltigung der Natur führt.

Aber was unterscheidet dieses grausame Abenteuer eigentlich von jenen in Vietnam, die die Soldaten durchleiden, die für die USA dorthin in den Krieg gezogen sind? Sogar die Topographie ist ähnlich. Auch dort werden Männer in extreme Situationen getrieben, zelebrieren Männlichkeitsrituale, betrinken eine derbe Kameradschaft, verbergen ängstlich ihre Schwächen und kämpfen gegen innere Schweinehunde und unsichtbare Gegner, die längst nicht immer menschlicher Gestalt sein müssen. "Deliverance" hat mehr mit dem Krieg zu tun als die meisten anderen Filme, die in den vergangenen Jahren vom Krieg zu erzählen behaupteten, weil er mit kaltem Blick die psychische Seite der Situation Krieg entblättert, bei dem es ja nur am grünen Tisch um Eroberungen geht. Draußen, in der grünen Natur geht es immer nur ums nackte Überleben.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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