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Plakatmotiv: Die Nackten und die Toten (1958)

Ein böser Blick auf die
Strukturen des Militärs

Titel Die Nackten und die Toten
(The Naked and the Dead)
Drehbuch Denis Sanders & Terry Sanders
nach dem gleichnamigen Roman von Norman Mailer
Regie Raoul Walsh, USA 1958
Darsteller

Aldo Ray, Cliff Robertson, Raymond Massey, Lili St. Cyr, Barbara Nichols, William Campbell, Richard Jaeckel, James Best, Joey Bishop, Jerry Paris, Robert Gist, L.Q. Jones, Max Showalter, John Beradino, Edward McNally, Greg Roman, Henry Amargo, Alan Austin, Jered Barclay, Paul Bryar, David Carlile, John Close, Audrey Conti, John Dennis, Saundra Edwards, Lydia Goya, Norman Grabowski, Tom Greenway, Edwin Gregson, Val Hidey, Robert Hosai, William Hudson, Nelson Leigh, Taffy O'Neil, Liz Renay, Ronnie Rondell Jr., Larry Sterling, Bert Stevens, Vern Taylor, Bruce Underhill, Ralph Volkie, Grace Lee Whitney u.a.

Genre Drama, Krieg
Filmlänge 131 Minuten
Deutschlandstart
24. September 1959
Inhalt

Lieutenant Hearn dient als Adjutant unter General Cummings, der in dem Lieutenant eher einen Freund und Sohn sieht. Der General ist der Überzeugung, dass verantwortliche Offiziere in ihren Leuten Angst erwecken sollen, um so die Disziplin zu stärken. Hearn hingegen ist der Meinung, die Soldaten sollten untereinander, unabhängig vom Rang, Respekt haben.

Hearn wird zum Kommandanten eines Zuges gemacht, der auf eine gefährliche Aufklärungsmission geschickt wird. Der ursprüngliche Kommandeur der Einheit, Sergeant Croft, muss nun unter Hearn dienen. Der Sergeant ist für seine Härte und Grausamkeit bekannt. Während Hearn idealistische Ansprüche an seine Soldaten hat, will Croft unter allen Umständen gewinnen.

Plakatmotiv: Die Nackten und die Toten (1958)Hearn erfährt von der gewaltigen Stärke der japanischen Streitkräfte und will die Mission abbrechen. Croft kann ihm jedoch einreden, dass die Zahl der Feinde doch nicht so hoch sei. Bei verschiedenen Gefechten erleiden die US-Soldaten Verluste, mehrere Soldaten werden getötet, Hearn wird verwundet. Während Hearn von einigen Soldaten auf einer Trage zurückgebracht wird, zieht Croft mit den übrigen Männern weiter. Die Mission ist ein Erfolg, die Soldaten können dem Hauptquartier wertvolle Informationen liefern. Doch bei der Mission ist Croft getötet worden.

Der Rückmarsch der anderen Gruppe gestaltet sich schwierig. Die Idee, Hearn zurückzulassen, um schneller entkommen zu können, wird fallengelassen. Die Männer entscheiden sich, ihren Kommandeur weiterzutragen. Die Überlebenden, unter ihnen Hearn, schaffen es zurück zum Hauptquartier. Hier erzählt Hearn dem General, dass die Männer ihn aus Liebe und nicht aus Angst getragen haben …

Was zu sagen wäre

Wenn das eher liberale Hollywood einen Film über den Krieg plant, geraten das jeweilige Studio in ein Dilemme. 1958, als „Die nackten und die Toten“ entsteht, liegt der Zweite Weltkrieg gerade 13, der Koreakrieg gar erst fünf Jahre zurück. Den menschen sind die Greuel des Krieges noch sehr in Erinnerung, ein Heldenepos mit Durchhalteparolen entfällt,eine kritische Bestandsaufnahme ist schwierig, schließlich möchte man es sich auch nicht mit den Soldaten, deren Familien und Freunden verscherzen; die sollen bitte Eintrittskarten kaufen.

Raoul Walsh (Drei Rivalen – 1955; Des Königs Admiral – 1951; "Maschinenpistolen" – 1949; Entscheidung in der Sierra – 1941; Nachts unterwegs – 1940; Die wilden Zwanziger – 1939) hat sich einen Bestseller vorgenommen, den ersten Roman Norman Mailers unter dem gleichen Titel. Und er hat die zynische Schlussfolgerung Mailers auf den Kopf gestellt. In der Romanvorlagesetzt sich das führen durch Angst gegen das Führen mit Respekt durch. Im Film ist es umgekehrt. Es bleibt die Frage, warum dann überhaupt diese Verfilmung? Hätte es ein eigenständiger Film nicht auch getan? Der hätte sich vermutlich nicht so leicht an der Kinokasse getan.

Der Film konzentriert sich auf die Frage, wie sich Befehl & Gehorsam am Besten errewichen lassen. Da stehen sich zwei Denkschulen gegenüber, personifiziert hier durch General Cummings und Sergeant Croft, die auf Härte und strenge Disziplin setzen und dort durch Major Hearn, ein Lebemann aus wohlhabender Familie, der Respekt und Anstand auch in auswegloser Situation anmahnt, im Zivilleben als Smoking trangender Partylöwe aber selbst nichts anbrennen lässt..

Der Zynismus des buches ist dem Film trotz der umgedrehten Vorzeichen, erhalten geblieben. Daran hat Raymond Massay großen Anteil, der als General Cummings brilliert, der das Soldatendasein als andauernden Schwanzvergleich versteht. Der sich hinstellt und seinem Adjudanten wegen einer ausgetretenen Zigarettenkippe mit Karriereknick droht und ihn dann wegen selbständigen Denkens in den Fronteinsatz schickt – nur weil er das kann. Da wird der Krieg zum reinen Karrieenetzwerk. Für Cummings ist Krieg ein Spiel, ein Schachspiel: „Wie geplant: Erste Welle, 6 Uhr genau. Zweite Welle, 6.20 Uhr. Dritte Welt 6.40 Uhr. Erwartete Verluste in diesem Abschnitt: 150. Tatsächliche Verluste bisher 130. Habe ich mich eine Kleinigkeit geirrt.“ Während die Admiralität die prognostizierten Toten mit den aktuellen toten Soldaten abgleicht, lernen wir dieses Kanonenfutter individuell kennen: Spieler, werdende Väter, Boxer, Loser und allerlei andere Sympathen, der auf Machtausübung durch Angsterzeugung setzt; das Individuum wird sichtbar hinter den Zeitungsstatistiken über die Verluste im Krieg.

Der zweite hart, Sergeant Croft lässt den toten Japanern die Goldzähne rausbrechen und erschießt unbewaffnete Gefangene. Aldo Ray (Wir sind keine Engel – 1955) spielt diesen Sergeanten überzeugend zwischen Mensch und militärischer Maschine. In einer Szene outet er sich als der perfekte Befehlsempfänger ohne eigene Leidenschaft: Plakatmotiv: Die Nackten und die Toten (1958)Das ist der Unterschied zwischen mir und Euch, Männer: Ihr habt alle nichts, wozu Ihr gehört!“ In einer Rückblende erleben wir, wie Croft seine große Liebe mit einem Schnösel im Bett überrascht. Das federt seine brutale Härte ein wenig ab, es wirkt, als habe Croft mit seiner Verlobten auch seinen Lebenswillen verloren.

Überhaupt: die Soldaten und ihre Frauen. Da fliehen Männer vor der eingebildeten Untreue ihrer Frauen in den Krieg, wo sie dann jede Hure flachlegen, die des Wegs kommt: „Gestern kriegte ich einen Brief von meiner Frau“, sagt einer. „Sie wäre knapp.“ „Was ist denn dabei? Schick ihr doch das Geld!“ „Ich bin doch kein Idiot: Ich werde ihr noch mehr schicken, damit sie noch mehr herumludert!“ „Sie ist schließlich Deine Frau! Sie kann doch nicht betteln gehen!“ „Soll sich ruhig über mich beschweren. Vielleicht holen sie mich dann nach Hause!“ Ein Soldat erfährt, dass seine Frau bei der Geburt des Sohnes gestorben ist. Es wird deutlich, wie wenig oder wie sehr die Männer an ihrer Freundin/Frau daheim hängen – das unterstreicht Crofts Härte, für den es keine Frau mehr gibt.

Walsh teilt seinen Film in zwei Teile. Eine Stunde lang zeigt er das Leben der Soldaten in der Etappe: illegale Schnapsbrennereien, Langeweile, Männer, die alles versuchen, auf der Krankenstation bleiben zu können, Generäle, die ihrer Ordonanz befehlen, jeden Tag frische Blumen auf den Schreibtisch zu stellen. Die zweite Hälfte gehört dann den Erkundungstrupp, der dem Zuschauer Einblicke in die Gnadenlosigkeit des Krieges gibt. Es wird scharf geschossen, aus dem Hinterhalt und ohne Warnung. Nachdem man eine japanische Patroullie im hohen Gras verbrannt hat, ätzt einer: „Wir haben sie fertig gemacht. Feuerbestattung.

Während des Marsches über die Insel bricht der Konflikt zwischen Croft und seinem ungeliebten Gruppenführer, Major Hearn („Hier geht es um Menschen, nicht um (Schach)Figuren!“) nur unterschwellig, für den Zuschauer aber klar zu erkennen, aus. Croft schreckt nicht davor zurück, Hearn in japanisches Gewehrfeuer laufen zu lassen, indem er wider besseren Wissens behauptet, die Japaner seien längst abgzogen.

Walsh bettet das Drama in gewaltige Landschaftspanoramen – gedreht wurde in Panama – deren ewige Weite der Absurdität des Krieges einen Kontrapunkt setzt. Die Verfilmung des Bestsellers zeigt offen menschenverachtende Befehlshierarchien, machtverliebte Vorgesetzte und als Kanonenfutter geopferte Soldaten. Die Schlussfolgerung also mag eine andere sein als im Buch, das liberale Hollywood aber hat Sinnlosigkeit und Zynismus des Krieges adäquat ins Bild gesetzt.

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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