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Plakatmotiv: Wie gut ist Deine Beziehung? (2019)

Wunderbare Dialoge und bezaubernde
Figuren im Hamsterrad des Liebeslebens

Titel Wie gut ist deine Beziehung?
Drehbuch Ralf Westhoff
Regie Ralf Westhoff, Deutschland 2019
Darsteller

Friedrich Mücke, Julia Koschitz, Bastian Reiber, Maja Beckmann, Michael Wittenborn, Anna Drexler, Michael Maertens, Steffen Groth, David Baalcke, Anna Drexler, Jennifer Genova, Steffen Groth, Doris Grunert, Patrick Güldenberg, Bastian Hagen, Jakob Immervoll, Dagmar Leesch, Michael Maertens u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
28. Februar 2019
Inhalt

Der IT-Spezialist Steve lebt seit fünf Jahren mit seiner Freundin Carola zusammen und möchte, dass es immer so bleibt. Es verstört ihn, als sein Freund und Kollege Bob verlassen wird – ganz aus heiterem Himmel und für den deutlich älteren Tantra-Lehrer Harald!

Als Steve den wortgewandten Esoteriker kennenlernt, keimen bei ihm Zweifel auf: Könnte ihm das gleiche Schicksal drohen? Wie empfänglich ist Carola für Avancen eines anderen? Ein Treuetest, für den er Harald engagiert, löst bei Steve die höchste Alarmstufe aus. Bevor es ein anderer tut, beschließt er präventiv seine Freundin selbst aufs Neue zu erobern. Mit einem ambitionierten Fitnessprogramm, heimlichen Tantrakursen und romantischen Einfällen legt er sich mächtig ins Zeug.

Carola erkennt unterdessen ihren Steve gar nicht wieder. Ihre Singlefreundin Anette dagegen sieht darin eine typisch männliche Midlife-Crisis, die unweigerlich zum schmerzhaften Beziehungsaus führt. Nun möchte Carola gegensteuern – nur leider kommt dies ganz anders bei Steve an: Ihre frisch blondierten Haare passen genau ins Angstszenario ihres zutiefst verunsicherten Freundes …

Was zu sagen wäre

Wenn's dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis. Der Satz könnte dem Film vorangestellt werden. Denn eigentlich ist alles okay im Leben von Steve und Carola, beide Mitte, Ende 30, er in einem kumpelhaft fröhlichen IT-Unternehmen, sie in einer gut laufenden Organisation für Nachhaltigkeit, nettes Haus, überzeugte Fahrradfahrer mit einer Couch im Wohnzimmer, auf der sich jeden Abend der Traum vom Glück entfaltet: Sofa, Glas Wein, Fernsehen.

Nun ist Steve aber Systemanalytiker. Er ist darauf trainiert, Lösungen zu suchen. Und als – von außen betrachtet wie aus heiterem Himmel – sein Best Buddy Bob von seiner Freundin verlassen wird, kommt der Computermann ins Grübeln. Mehrfach thematisiert der Film, dass Computermenschen und "andere" Menschen in zwei verschiedenen Universen leben, keinen Draht zueinander finden, ja die Computerleute sogar einen menschlichen Betreuer zur Seite gestellt bekommen sollten. Damit ist die innere Logik dieser schwer nachvollziehbaren Geschichte wieder hergestellt: Computermann Steve erkennt ein Problem und begibt sich auf die Suche nach einer Lösung. Dass das im zwischenmenschlichen Bereich nicht so funktioniert, wie beim Fixen einer Datenbank, muss er nicht wissen, er ist ja ein Computermann.

Ralf Westhoff ist ein kluger Chronist der Männer und Frauen im gesellschaftlichen Taumel. In Shoppen (2007) spürte er den Großstadt-Singles nach, die auf ihrer verzweifelten Suche nach einer Zweisamkeit zum Speed-Dating gehen und auf lauter Singles treffen, die dasselbe wollen, aber alle eine andere Vorstellungen von der Zweisamkeit haben. Es ging darum, wie sich Menschen hinter Rollen verstecken, um ins Bild des ersehnten Gegenübers zu passen – was schief geht, weil das Gegenüber das Gleiche auch gerade veranstaltet. Dazu hatte "Shoppen" unglaublich witzige Dialoge. In Der letzte schöne Herbsttag (2010) folgte er einem jungen Paar um die 30, das beim Aufbau eines gemeinsamen Lebens in eine Krise gerät, weil sie glaubt, er beachte sie nicht ausreichend, und er heillos überfordert ist mit dieser festgelegten Heile-Welt-Situation mit zusammen Wohnen, Familie und so. In Wir sind die Neuen (2014) ließ er dann mal eine Wohngemeinschaft aus Alt-68ern auf ihre nachfolgende Generation blicken. Die Alten trafen auf spießige Studenten im Karrieremodus, schon ausgebrannt, bevor das Leben eigentlich los geht.

Jetzt, in "Wie gut ist Deine Beziehung?", gibt es wieder einen Alt-68er. Harald, ein leicht windiger Schwärmer in seinem Tantra-Studio. Er bringt das Drama ins Rollen, weil er derjenige ist, für den Ivonne Bob verlassen hat, Steves besten Freund; und das, obwohl Harald locker 20 Jahre älter ist als Bob. Die Nebenfigur Harald mag ein von langen Marihuana-Nächten etwas verpeilter Großstädter sein, er ist aber auch der menschliche Ruhepol in dieser hysterischen Gesellschaft, in der jeder immerzu nur um sich selbst kreist, an der eigenen Optimierung arbeitet, aus Angst, etwas zu verlieren, und in der sich mittlerweile Eventlocations, Tantra-Trainer und die Smoothie-Industrie gewinnbringend um diese Ausgebrannten kümmern. Ausgebrannt durch den auch schneller werdenden Generationenkonflikt, der nicht mehr zwischen den Generationen der Eltern und der Kinder ausgetragen wird, sondern zwischen den gerade noch Jungen und den Jungen.

In der Firma von End-30er Steve checken gerade ein paar junge Controller die Abläufe, um das Business „auf die Welt von morgen“ vorzubereiten. Diese Controller, die Arbeitsplätze rationalisieren und Abläufe schleifen, sind zehn, zwölf Jahre jünger als die Generation um Steve und Carola, die in dem rund 60-jährigen Harald eher einen alten Mann sehen, der aber selber auch noch fröhlich, jung geblieben, mit im Becken des Lebens mitschwimmt. Der Ablauf der Geschichte als solche, die Wendungen und Stolperfallen, über die die Figuren immerzu stolpern, sind nicht so der Hit und auch vorhersehbar. Es ist Westhoffs klarer Blick auf die Menschen und deren heftiger werdenden Lebenstakt, der diesen Film interessant macht.

Schön und lustig und entzückend machen den Film die Darsteller, die, so absurd die Wendung auch sein mag, immer glaubwürdig bleiben. Insbesondere gilt das für Julia Koschitz, die für Westhoff eine Art Muse scheint. Sie ist in jedem seiner Filme dabei, selbst, wenn es wie in Wir sind die Neuen, gar keine echte Rolle für sie gibt. Koschitz spielt Carola, die immer behauptet „keine Angst vor Veränderungen“ zu haben, dann aber jeden Abend nur auf ihre Rotwein-Couch will. Die lange nicht versteht, dass sie mit ihrem Veränderungen-sind-gut-Mantra ihren Freund tiefer in die Optimierungsfalle schickt. Koschitz spielt fantastisch eine etablierte Umweltschützerin, die die Wahrheit auf ihrer Seite glaubt und ihre Lebenslügen pflegt, dazu beherrscht sie mit ihrem sehr beweglichen Gesicht jede Nuance von Lebensfreude, Schalk, Romantik bis Zorn, Angst und Enttäuschung – „Du wolltest Dir doch den Bart abrasieren.“ „Nein, Du wolltest, dass ich ihn mir abrasiere.“ „Ist das nicht dasselbe?“ Friedrich Mücke gibt ihren zunehmend verzweifelten Freund Steve, der ratlos versucht, das Richtige zu machen „mit Dingen, die ich nicht kenne und Fähigkeiten, die ich nicht habe“. Mückes Steve ist ein charmanter Teddy, der gerade ein wenig die Fassung verliert, weil er zu erkennen glaubt, dass er nicht mehr genügt, dann vorsichtig fragt „Bist Du glücklich“ und damit Ängste auslöst, die alles schlimmer machen.

Wunderbare Darsteller, die sehr schöne, lustige, lebensnahe, witzige Dialoge überzeugend spielen in einem Film über Menschen, die von Erwartungen, Terminen, Ängsten, Schlagzeilen, Gurus und Achtsamkeit-Aposteln derart abgelenkt sind, dass sie kein einfaches Gespräch mehr führen können. Auf „Wir müssen reden“ folgt ein „Ach du Scheiße“, statt eines „Worüber?“. Auf die Frage „Bist Du glücklich?“ antworten sie nicht mehr „Ja, warum fragst Du?“, sondern „Äh … naja so relativ glücklich!

Wertung: 6 von 8 €uro
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