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Kinoplakat: Der letzte schöne Herbsttag

ModerneR Beziehungsstress
woodyesk präsentiert

Titel Der letzte schöne Herbsttag
Drehbuch Ralf Westhoff
Regie Ralf Westhoff, Deutschland 2010
Darsteller

Julia Koschitz, Felix Hellmann, Katharina Marie Schubert, Leopold Hornung, Maik Solbach, Ingrid Cannonier, André Jung, Walter Hess, Mark Alexander Solf, Tom O'Malley u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 85 Minuten
Deutschlandstart
11. November 2010
Inhalt

Claire liebt Leo. Und Leo liebt Claire. Seit zwei Jahren sind sie ein Paar und glücklich - meistens jedenfalls. Jetzt gerade eher nicht. Und weil sie gerade irgendwie nicht zueinander finden, reden sie mit dem Zuschauer.

Leo und Claire: "Was heißt Mein Tag war gut?"Darüber, wie sich kennengelernt und dann darüber diskutiert haben, ob ein-Paar-sein bedeutet, sich jetzt öfter streiten und schlechten Sex haben zu müssen. Darüber, das Leo immer komische Sachen kocht, die sie eher aus Liebe isst und sie gerne romantische Endlos-SMS schreibt und sich dann darüber ärgert, dass er nicht antwortet. Darüber, dass sie alles ausdiskutieren möchte, während er lieber den den letzten schönen Herbsttag genießen möchte.

Claire hat ständig Lust auf Sex, er wandert ebenso gern mit dem Kumpel in die Berge, sie repariert selbst das Fahrrad, ihm ist die Zeit dafür zu schade. Claire fühlt sich von Krankheiten bedroht und er weiß, wie er damit umgehen muss.

Claire hat das Gefühl, Leo ist nicht richtig bei ihr, er sieht durch sie hindurch, vergisst sie, sobald sie ihm aus dem Blickwinkel gerät. Leo hingegen ist überfordert, er hätte gerne eine Claire-Gebrauchsanweisung

Was zu sagen wäre

Es sind die Kinder der 68er, der Generation Joschka Fischer, die da vor der Kamera erzählen. Kinder jener Elterngeneration, die aus einer Liebesgeschichte eine Beziehungskiste gemacht haben, die man mit einem Lebensabschnittsgefährten verbringt. Kinder, die von ihren Eltern gelernt haben, das Leben bloß nicht so ernst zu nehmen, aber allem eine Bedeutung abzutrotzen. Jetzt sitzen diese Kinder in der Falle, die ihre Eltern geschaufelt haben und wissen vor lauter ironie-gebrochener Bedeutungssuche nicht mehr weiter.

Und trennen sich. Und sind dann noch verzweifelter.

Der Vergleich mit Woody Allens 70er/80er-Jahre-Filmen drängt sich auf, wenn die beiden sympathischen, leicht neurotischen, hysterischen, genervten Hauptdarsteller ihre Beziehungskiste vor uns ausbreiten. Der Stadtneurotiker lässt grüßen, wenn wir Zeuge eines unchronologisch erzählten, Patchwork-artigen Liebeslebens werden. Sehr komisch, unglaublich alltäglich. Meistens möchte man wahlweise Claire oder Leo schütteln, wie sie einen da hilflos von der Leinwand aus anblicken – wenn man nicht jedes Wort, jede Begebenheit, die da erzählt wird, genau so auch erlebt hat. Oder zumindest so ähnlich. Julia Koschitz ist ClaireNach seinem wunderbaren Speed-Dating-Film Shoppen leiden Ralf Westhoffs Helden weiter unter Beziehungsstress, hören nicht auf ihr Bauchgefühl, sondern diskutieren – und das nicht zu knapp. Und in großartig gespielten Dialogen. Westhoffs Drehbuch ist eine Fundgrube an Sprachwitz und erlebter Realität. Julia Koschitz ist als Claire hinreißend und Felix Hellmanns Leo ein großer Leidender. Seit zwei Jahren sind Claire und Leo zusammen. Sie lehnen an der Bar, spielen mit Salzstangen Mikado, dann stellt Claire die für Mittdreißiger-Paare entscheidende Frage: „Sind wir jetzt ein Paar oder haben wir eine Affäre?” Leo versucht – das ist seine Masche – den Ernst wegzuwitzeln: „Wenn ich jetzt sage, dass wir dieses 'Paar-Ding' machen, ändert sich dann irgendwas? Müssen wir dann schlechten Sex haben oder mehr oder weniger, oder sehen wir uns dann seltener, oder öfter?” Claire lacht, aber es geht ihr schlecht, sie fühlt sich vernachlässigt.

Felix Hellmann gibt seinen Leo als einen jener Thirtysomethings, die sich zwar cool geben, denen aber jeder Eroberungselan abhanden gekommen ist. Julia Koschitz zeigt Claire facettenreich als junge Frau, die gelernt hat, das liebenswerte Mädchen zu spielen, die aber im Grunde – wie Leo sich ausdrückt – eine „Powerfrau” ist. Claire weiß, was sie will, und es ist ihr ernst mit dem Paar-Sein. Einen festen Beruf, sowas wie eine Aussicht auf später, scheinen beide nicht zu haben. Claire arbeitet in einem Fahrradladen. Ihr Beruf? Leo ist ökologisch orientiert, liebt der Berge. Von einem Job ist nicht die Rede. Generation Aussichtslos.

Wertung: 7 von 7 €uro
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