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Plakatmotiv: Shoppen (2006)

Ein Regiedebüt, als wär's fürs Kino erfunden:
Intelligent. Scharf beobachtet. Sehr witzig!

Titel Shoppen
Drehbuch Ralf Westhoff
Regie Ralf Westhoff, Deutschland 2006
Darsteller

Sebastian Weber, Anna Böger, Felix Hellmann, Katharina M. Schubert, David Baalcke, Julia Koschitz, Martin Butzke, Kathrin von Steinburg, Matthias Bundschuh, Mediha Cetin, Thomas Limpinsel, Lisa Wagner, Oliver Bürgin, Julia Heinze, Stephan Zinner u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 91 Minuten
Deutschlandstart
3. Mai 2007
Website shoppen-derfilm.de
Inhalt

Dies ist die Geschichte von 18 Singles, die an einem "Speed-Dating" teilnehmen. Ein Kennenlern-Event, bei dem sich fremde Menschen im Fünf-Minuten-Takt einander vorstellen. Im Rennen gegen den Sekundenzeiger geht es darum, sich optimal zu verkaufen.

Neun Frauen treffen auf neun Männer. Alle suchen einen Partner. Damit sind die Gemeinsamkeiten erschöpft. Es geht um Cappuccino, Allergien und Konsumverhalten, um Linienbusse, Dieselrußfilter, Obstkisten, unfruchtbare und fruchtbare Tage, um Schnäppchen und Designerstücke und um das Alleinsein. Da ist zum Beispiel Markus, Literaturstudent und Vorzeigeöko, der in seinem Fünf-Minuten-Gespräch anfängt, sich mit der jungen Jasmin über das Thema „Autofahrgewohnheiten“ zu streiten. Oder die scheue Krankenschwester Irina, die die Dating-Teilnahme von Kollegen geschenkt bekommen hat, nur widerwillig mitmacht und sich sofort unsterblich verliebt.

Es bleibt keine Zeit zimperlich zu sein, schließlich geht es darum, die Liebe des Lebens zu finden …

Was zu sagen wäre

Die Einsamkeit des Menschen ist unendlich. Er kommt allein und er verlässt die Welt allein. Das gilt überall auf der Welt. Für München gilt das besonders. Jedenfalls für die 90 Minuten, die dieser ungeschliffene Rohdiamant von Film dauert, den Ralf Westhoff geschrieben und inszeniert hat. Das Regiedebut eines studierten Wirtschaftswissenschaftlers, der als Reporter/Redakteur bei Antenne Bayern gearbeitet, dann drei Kurzfilme gedreht hat. Und jetzt "Shoppen". Zum Zunge schnalzen.

Das Setting für das Blind Date erinnert an eine Schlachthalle. Ein langer Raum, weiß getüncht, sitzen die Delinquenten, die gleich ihre fahle Singlehaut zu Markte tragen, sich wie Schlachtvieh, das am Haken hängt, gegenüber. Da sitzt die pure Verzweiflung. Patrick in seinem rosa Hemd, der sich für ein Designerstück hält, das man mal anprobiert, aber nie wird nach Hause mitnehmen können. „Du bist verwöhnt“, sagt Patrick zu Isabella. „Ja, das habe ich auch mal gedacht, dass ich vielleicht zu anspruchsvoll bin. Aber das kann ich mir mittlerweile wirklich nicht mehr vorwerfen.“ „Na, ich mein, Du bist verwöhnt vom Konsum. Das sind wir alle. Wenn ich einen Gin Tonic will, dann bestelle ich mir den. Der lässt sich dann trinken ohne Gezicke, weißt? Das habe ich schon tausendmal gemacht. Und jetzt geht's um Beziehung … und da willst Du Dir was Feines aussuchen. Da willst a bisserl Sex, a bisserl Nähe, aber nicht zu viel. Und Du bist ja gar nicht mehr gewöhnt, dass das Konsumgut jetzt auch was zu sagen hat. Jetzt will der Gin Tonic plötzlich mitreden. Um mal beim Beispiel zu bleiben. Oder der Gin Tonic findet plötzlich den neben Dir an der Bar auch ganz nett. Das ist ja ein Schock für den normalen Konsumenten.

Die Handlung hat in der Tat was von Schlussverkauf, der zum Shoppen anregen soll. Keiner mag es hören, aber sie murmeln alle „Resterampe“ vor sich hin. Männer, die lernen wollen, Frauen als gleichberechtigte Wesen zu betrachten, Männer, die sich gegen den Ruf der männlichen Dominanz wehren, weil sie viel zu schüchtern waren, je eine Frau anzusprechen, die zärtliche Nähe suchen und aus dem Bett verbannt werden. Frauen, die die Schnauze voll von den Stechern da draußen haben und es den Kerlen endlich zeigen wollen; nur, um wieder auf der Nase zu landen. Frauen, die ohne Punkt und Komma reden und dem Mann, der nicht zu Wort kommt, in allem Recht geben. Frauen, die einfach heißen Sex suchen. Männer, die einfach heißen Sex suchen.

Westhoff inszeniert sein Drama wie eine Collage. Er reiht Szene an Szene, unzusammenhängend und überlässt uns die Linienführung: Welche Gesichter behalte ich und welchen folge ich durch die 90 Minuten, die das Vorspiel (Kennenlernen der Hauptfiguren), den Hauptgang (das Blind Date) und die Zigarette danach (wer trifft wen wieder) erzählen. Schwer kann man allen 18 Figuren folgen, schon weil es zu viele blonde, langhaarige, schlanke Frauen gibt, die sich zwar unterscheiden, sich in ihrer Männerverzweiflung allerdings ähneln; es droht Verwechslungsgefahr. Kaum sitzt da eine Schwarzhaarige, erinnere ich mich „Ah, Tochter aus reichem Hause“ oder „Das ist die, die dauernd redet“ und die mit dem Hoodie ist die, die wissen will „Auf welche Frage hast Du keine Antwort?“ Bei den Männern ist es leichter. Liegt vielleicht daran, dass der Zuschauer in diesem Fall ebenfalls ein Mann ist. Die Besetzung ist also schwierig, aber das einem Regiedebütanten anzukreiden, wäre ungehörig.

Das Schauspielensemble, zusammengestellt aus Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern aus der Münchner Theaterszene, trifft auf Dialoge einer begnadeten Feder. So entstehen dreidimensionale Miniaturen aller möglichen Charaktere, die für jeden im Kinosaal eine Identifikationsfigur ermöglicht. In "Shoppen" trifft die Lust am Schreiben auf die Leidenschaft am Filme machen und die Energie von Schauspielern, die sich zeigen wollen. Der Film ist ein Rohdiamant. Ungeschliffen, aber hell schimmernd.

Wertung: 7 von 7 €uro
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