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Plakatmotiv: Lili Marleen (1981)

Eine Kolportage um
einen Kriegsklassiker

Titel Lili Marleen
Drehbuch Manfred Purzer & Joshua Sinclair & Rainer Werner Fassbinder
frei nach dem Roman "Der Himmel hat viele Farben" von Lale Andersen
Regie Rainer Werner Fassbinder, BRD 1981
Darsteller

Hanna Schygulla, Giancarlo Giannini, Mel Ferrer, Karl-Heinz von Hassel, Erik Schumann, Hark Bohm, Gottfried John, Karin Baal, Christine Kaufmann, Udo Kier, Roger Fritz, Rainer Will, Raúl Gimenez, Adrian Hoven, Willy Harlander, Barbara Valentin, Helen Vita, Elisabeth Volkmann u.a.

Genre Drama, Historie
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
14. Januar 1981
Inhalt

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lernt die deutsche Sängerin Willie Bunterberg bei einem Auftritt in einem Züricher Kabarett den jüdischen Musiker Robert Mendelsohn kennen und verliebt sich in ihn. Nach einem Aufenthalt in Deutschland kann sie jedoch nicht mehr in die Schweiz zurückkehren.

Sie wird vom NS-Kulturbeauftragten Henkel entdeckt, der Willie als Sängerin groß herausbringen will. Ihr Lied "Lili Marleen" wird zum Hit bei den Soldaten an der Front.
Doch sie und ihr jüdischer Geliebter können einander nicht vergessen. Robert sucht sie in Berlin auf und bittet sie, für ihn Dokumente über deutsche Konzentrationslager über die Grenze zu schmuggeln. Die Mission gelingt, doch Robert gerät in Gefangenschaft …

Was zu sagen wäre

Als Willie das Lied zum ersten mal auf der Bühne singt, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, endet der Abend in einer Schlägerei zwischen Engländern und Deutschen. Die Engländer finden sie könne nicht singen und der Pianist nicht spielen. Da haben die Engländer nicht ganz unrecht. Der Charme des Liedes "Lili Marleen", das ich in Kriegsfilmen eingespielt gehört habe, von dem ich immer wieder gelesen habe, erschließt sich auch heute nicht.

Aber ein SS-Gruppenführer ist vernarrt in die Sängerin, nimmt sie auf Schallplatte auf und lässt das Lied jeden Abend via Radio Belgrad an die Front senden. Die Wirkung: Alle Soldaten lassen die Waffen schweigen, alle himmeln die Lautsprecherbox an, aus der ihre Stimme kommt, alle träumen sehnsüchtig von dieser Lili unter der Laterne, während sie noch im Schützengraben auf ihren Tod warten. Plakatmotiv: Lili Marleen (1981) Dann ist das Lied zu Ende und während Willie mit Blumen beworfen wird, werden die eben noch so friedlichen Soldaten in ihren Schützengräben mit Bombensplittern beworfen und niedergestreckt.

Rainer Werner Fassbinder (Die Ehe der Maria Braun – 1979) versucht sich an der Wechselwirkung von Musik und Nazipropaganda und Soldatenleid und setzt filmtechnisch vieles spannend um – Setting, Bildschnitt, Kamera sind sehenswert – obwohl sich Fassbinder bei den Kriegsszenen der Einfachheit halber aus Restmaterial von "Steiner – Das Eiserne Kreuz" von Sam Peckinpah bedient hat. Und das modeliert eigentlich alles, was an diesem Film falsch ist. So wie die ausgeliehenen Kriegsszenen visuell einfach nicht zu dem Film passen, passt auch die Dramaturgie nicht: Adolf Hitler schenkt der Sängerin eine Villa ganz in weiß, sein Propagandachef Goebbels lässt sie beschatten und entdeckt die heimliche Liebe zu einem jüdischen Komponisten. Stoff für ein Melodram, das nicht aus dem Quark kommt.

Da ist viel erfundene Kolportage um ein real existierendes Lied und die Sehnsucht des deutschen Films, nach der US-amerikanischen TV-Serie "Holocaust" jetzt aber endlich auch mal selbst die Schrecken des Nazi-Regimes zu bebildern. Da ist der schneidige NS-Kulturbeauftragte Henkel, der in der blonden Willie Potenzial zur Unterhaltung der Frontsoldaten sieht. Da ist der verträumte Komponist Robert Mendelsohn, der zufällig Spross einer Verschwörergruppe jüdischer Aktivisten in der Schweiz ist. Da sind die Sängerin und ihr Pianist, die sich zum Spielball des Regimes machen lassen, weil sie um ihre musikalische Armut und also um ihren eigentlichen Platz in der Welt wissen.

Mit großer Melodramatik zeigt der Film, wie Willie – gespielt von Hanna Schygulla (Die Ehe der Maria Braun – 1979; Falsche Bewegung – 1975) – zwischen ihrer Liebe zu Robert und den Verlockungen einer großen Karriere im nationalsozialistischen Deutschland hin- und hergerissen ist und wie gleichzeitig das Lied "Lili Marleen" immer mehr zum Schlager der Kriegspropaganda und Durchhalte-Rhetorik wird.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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