Buchcover: Philip Kerr – Das Janus-Projekt

Eine Story aus Nachkriegsdeutschland
Schablonenhafte Figuren in flotter Story

Titel Das Janus-Projekt
(The One from the Other)
Autor Philip Kerr, USA 2005
aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder-von der Tann
Verlag Wunderlich
Ausgabe Gebunden, 446 Seiten
Genre Krimi, Historie
Inhalt

Man schreibt das Jahr 1949. Den Privatdetektiv Bernie Gunther hat es nach München verschlagen, wo er sich mit eher zweifelhaften Jobs über Wasser hält. Als er von einer schönen Fremden den Auftrag bekommt, nach ihrem verschwundenen Mann zu suchen, nimmt er seine alte Profession wieder auf. Der Gesuchte war Leiter eines Konzentrationslagers und seine Frau möchte ihn keinesfalls zurück. Sie will lediglich sicher gehen, dass er tot ist.

Zu spät erkennt Bernie Gunther, dass er sich auf ein lebensgefährliches Unterfangen eingelassen hat und er sich auf niemanden verlassen kann. Seine gänzlich undetektivische Naivität führt ihn bis nach Wien, wo er sich unmittelbar im Netz einer SS-Spinne wiederfindet, die keinen Ausweg weist – außer den an den Galgen.

Die alten Machthaber organisieren unterdessen ihre Zukunft unter dem Dach der CIA …

Was zu sagen wäre
Das Janus-Projekt

Ein Weihnachtsgeschenk. Interessant: Eine klassische Thriller-Struktur rund um ein historisch-politisches Minenfeldthema. Der Protagonist, Ich-Erzähler Bernhard Gunther, war bei der SS. Als solcher hat er auch Juden erschossen – die hatten aber kurz vorher in Form eines üblen russischen Kurze-Prozess-Trupps innerhalb des NKWD wehrlose Russen abgeschlachtet. Insofern ist das also … äh … moralisch okay? Das ist so eine Frage, die ein Thriller, der ganz auf seine Thrillerstrukturen vertraut, nicht beantworten kann.

Das Problem in diesem Zusammenhang ist wohl eher, dass Philip Kerr nicht von seinem Protagonisten früherer Romane lassen wollte. Weil die Figur eingeführt ist? Jedenfalls muss nun also in dieser Geschichte, die sich im Nachkriegs-München und im Wir-müssen-unsere-Vergangenheit-bewältigen-Deutschland zuträgt, der Held eine hinreichend realistische Vita haben und sich glaubhaft zwischen lauter Ex-SS-Schergen bewegen können – und aber eben trotzdem als vertrauenswürdiger Dreh- und Angelpunkt funktionieren. Zu diesem Zwecke entwirft Kerr einen sehr langen Prolog, in dem der „festen Prinzipien folgende“ Privatdetektiven einer jüdischen Guerilla-Organisation hilft, was ihm dann – wer hätte anderes erwartet – am Ende zugute kommt.

In diesem Prolog kommt es dann ungewollt zu einem Durcheinander: Im Prolog, der im „September 1937“ spielt, ist der ehemalige Hauptkommissar Gunther schon als Privatdetektiv unterwegs. Als die Handlung dann im Jahr 1949 wieder einsetzt, war Gunther in Rückblicken auch 1939 immer noch bei der Polizei. Hat Philip Kerr die Biograpie seiner Figiur, die in etlichen Romanen auftaucht, aus den Augen verloren?

Die Story: Hinreichend verzwickt, viele Ortswechsel, erinnert in vielen Details an Graham Greenes „Der dritte Mann“. Nicht nur, weil wichtige Szenen in Wien spielen; auch ist eine ähnlich ungeheure Verquickung von alten Nazis und US-Geheimdienstleuten im Gange. Hier geht es allerdings nicht um Penicillin, sondern um Malaria-Moskitos.

Es reicht insgesamt für einen durchschnittlichen Thriller. Nachkriegsdeutschland entsteht plastisch, die Figuren sind selten mehr als Schablonen. Darin habe ich aber Übung: Romane von Robert Ludlum („The Bourne-Identity“) oder Alistair MacLean („Die Kanonen von Navarone“) oder Dan Brown (Sakrileg) funktionieren nach ähnlichem Schablonen-Prinzip. Witziger, aber unerklärter Gimmick: Gegen Ende tauchen zwei Bierkutscher auf, die in einem Kloster arbeiten, das SS-Flüchtlinge auf ihre Flucht nach Argentienien vorbereitet. Sie heißen wie zwei bayerische Ministerpräsidenten „Stoiber“ und „Seehofer“.

Ich habe vom 21. bis 26. Januar 2010 gelesen.