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Plakatmotiv: Footloose (1984)

Fingerschnippende Rhythmen und
ein jugendlich revoltierende Jugend

Titel Footloose
(Footloose)
Drehbuch Dean Pitchford
Regie Herbert Ross, USA 1980
Darsteller

Kevin Bacon, Lori Singer, John Lithgow, Dianne Wiest, Chris Penn, Sarah Jessica Parker, John Laughlin, Elizabeth Gorcey, Frances Lee McCain, Jim Youngs, Douglas Dirkson, Lynne Marta, Arthur Rosenberg, Timothy Scott, Alan Haufrect, Kim Jensen, Michael Telmont u.a.

Genre Drama, Musik
Filmlänge 107 Minuten
Deutschlandstart
18. Mai 1984
Inhalt

Der Musik- und tanzbegeisterte Ren zieht mit der Mutter von Chicago zu Verwandten in ein verschlafenes Provinznest. Dort ist öffentliches Tanzen per Gesetz verboten. Ren verliebt sich in Ariel, Tochter des Pfarrers, der Rockmusik als Teufelswerk geißelt.

Bei einem Traktor-Duell besteht Ren eine Mutprobe und beginnt, die Jugend für die Durchführung einer öffentlichen Tanzveranstaltung zu begeistern. Der Stadtrat überstimmt den Antrag. Ren überzeugt den Pfarrer. Die große Fete findet in einer Fabrikhalle statt …

Was zu sagen wäre

Der moderne Tanzfilm ist eine grandiose Erfindung der Unterhaltungsindustrie – für die Unterhaltungsindustrie. Kein andere Genre erlaubt es so leicht, zu dem einen Produkt, hier dem Film, ein zweites zu stellen, das sich wegen des ersten gut verkaufen lässt, hier: eine ganze Schallplatte voller radiotauglicher Hits. Da wird der Film mit seiner salonrevolutionären, voll jugendtauglichen Geschichte, hier "Footloose", zum Werbefilm für die Schallplatte, die sich anschließend auch in seliger Erinnerung an den Film millionenfach verkauft. Exemplarisch dafür steht die Symbiose der Bee Gees mit dem Film Saturday Night Fever (1977). Später gelang Vergleichbares mit Grease (1978), mit Flashdance (1983) und "Staying Alive" (1983) – wobei sich bei letzterem der Soundtrack besser verkaufen ließ als der Film.

Jetzt also bringt Komödienspezialist Herbert Ross ("Nijinsky" – 1980; "Funny Lady" – 1975; Mach's noch einmal, Sam – 1972) den modernen Tanzfilm aufs flache Land in eine stockkonservative Gemeinde. Er startet mit einem mitreißenden Titelvorspann, in dem wir unterschiedlichst beschuhte Füße zum Titelsong tanzen sehen. Wir sehen keine choreographierten Schritte; die Füße tanzen ausgelassen, ein Ausbund an Lebensfreude, an keine Regeln gebunden – "footloose" ist im englischen  der Begriff für frei und ungebunden. Kaum ist der Vorspann durch, zerrt uns der film mitten hinein in den kern des nun folgenden Dramas: eine predigt von Reverend Shaw Moore, gespielt von John Lithgow (Zeit der Zärtlichkeit – 1983; Unheimliche Schattenlichter – 1983; Garp und wie er die Welt sah – 1982), den Brian DePalma mit Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (1981) und Schwarzer Engel (1976) als für immer dämonischen Schurken in die Kinowelt gepflanzt hat. Der Reverend predigt in den ersten Minuten wider die Sünde. Katastrophen und Triebe nennt er göttliche Prüfungen, die er den Menschen sendet, auf dass die zu widerstehen lernen. Der Reverend hat die endgültige Wahrheit gefunden auf die Frage, warum Gott so etwas zulässt (setze Tod, Naturkatastrophe, Schändung, Krieg, wasauchimmer). Die kleine Gemeinde in Bomont (Illinois) liebt ihn dafür, seine Frau schwärmt: „Du kannst Deine Gemeinde so erheben, dass sie herunterschauen muss, wenn sie den Himmel sehen will.

Die Eltern in dieser Gemeinde wollen ihre Kinder vor aller Unbill bewahren, sie verbieten, mit dem ausdrücklichen Segen des Reverend, der seinen Sohn bei einem Autounfall verlor, für den er Rockmusik und Drogen verantwortlich macht, unter anderem Rockmusik, Alkohol und Tanzen. Als die Eltern irgendwann anfangen Bücher, Klassiker der Weltliteratur, als Schund, der ihre Kinder verdirbt, zu verbrennen, wird es selbst dem Geistlichen zu viel. Machen wir uns nichts vor: Die Geschichte ist weniger weit hergeholt, als die Bedrohung von Badegästen durch einen Weißen Hai. Die Geschichte von "Footloose" basiert zum Teil auf historischen Begebenheiten: In Elmore City, einer Kleinstadt in Oklahoma, herrschte seit dem Jahr 1898 ein Tanzverbot. Erst 1980 wagten es die Teenager der Stadt, gegen dieses Gesetz aufzubegehren. Als nach 81 Jahren eine erste Tanzveranstaltung organisiert wurde, berichtete ganz Amerika darüber.

Eingewoben in dieses gesellschaftsüberspannende Drama ist eine simple schwarz-weiß-Liebesgeschichte: Ein Junge aus der Großstadt, verpflanzt in die kleinstädtische Einöde, verliebt sich in die Dorfschönheit, die bislang dem hübschen, etwas langweiligen Dorf-Arsch versprochen war – die gleichzeitig aber auch die Tochter des filmentscheidenden Reverend Moore ist. Die Dorfschönheit ist keine reine Landpomeranze, sondern eine mit Träumen, die den Fahrplan am Bahnhof für die in die Welt hinaus führenden Züge kennt, und in dem Jungen aus der Großstadt schnell denjenigen erkennt, der ihr Erster sein soll, aber natürlich nur mit dem Segen ihres Vaters. Jedenfalls im Subtext. Im Film reicht es, dass die Jugend einen Sieg darin feiert, dass sie eine 08/15-High-School-Abschlussparty feiern darf, während draußen in dunkler Nacht der bekehrte Reverend erlöst seine Ehefrau küsst und drinnen Kevin Bacon (American Diner – 1982; Freitag, der 13. – 1980; Ich glaub', mich tritt ein Pferd – 1978) mit seiner Dorfschönheit – im Vergleich zu früheren Tanzfilmen – eher bemühte Tanzschritte zeigen darf. Es gibt in der ersten Hälfte des Films eine Szene, in der der Großstadt-Junge sich aktuellen Frust von der Seele tanzt in einer Schwerindustrie-Kulisse, die an die des letztjährigen Tanzfilmerfolgs Flashdance erinnert. Da sehen wir Kevin Bacon und seine Stuntdoubles in atemlosen Sprüngen und Salti zwischen gigantischen Zahnrädern und Kesseln, die das Tempo aus dem Titelvorspann aufnehmen.

Aber im Finale spielt die Akrobatik dieser Szenen keine Rolle mehr. Da geht es um bekehrte Beton-Geistliche und fröhlich verliebte Teenager.

Wenn ich länger drüber nachdenke, schrumpft der Film mit jeder Minute, die ich mich vom Kino entferne. Aber ich habe die Musik im Ohr, die eine funktionierende Geschichte dramatisiert. Der Film funktioniert, weil er eine Symbiose aus rebellischer Story und enorm fingerschnippender, tanzbarer Musik ist.

Muss ja nicht jeder Film ein Klassiker werden.

Wertung: 6 von 9 D-Mark
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