US-Air-Force-Offizier Thomas Egan war einst Pilot mit großen Ambitionen. Heute verbringt er seinen beruflichen Alltag vor einem Computerbildschirm und entfacht per bequemen Knopfdruck Tod und Verderben tausende von Kilometern entfernt.
Das ist die Realität des modernen Krieges gegen den Terror, denn Thomas steuert Kampfdrohnen im Nahen Osten. Ein Job, der ihn nicht glücklich macht, schließlich will er lieber selbst in der Luft sein und einen Jet fliegen. Seine Frustration mündet immer öfter im Alkoholrausch und seine Frau Molly und seine Kinder sind in der ganzen Situation die wahren Leidtragenden.
Als Thomas im Auftrag des CIA ein fragwürdiges Ziel ausschalten soll, gerät er in einen schweren moralischen Konflikt, der ihn an seiner Mission zweifeln lässt …
„Good Kill“ nennen es die Soldaten, wenn sie getötet haben, weit weg in einem anderen Land, per Joystick. Andrew Niccol kommt diesen Distanzkriegern ganz nah, wenn sie ihr Fadenkreuz auf dem Monitor justieren, Turbanträger identifizieren und abdrücken – „Einschlag in acht Sekunden“.
Niccol spielt mit Distanzen, sein Film wechselt von ganz nah auf ganz fern. CloseUps von lauernden Gesichtern und über Keyboards fliegenden Hände wechseln mit stillen Luftaufnahmen kleiner Wohnsiedlungen vor Las Vegas, wo ein Haus wie das andere aussieht, aber nur der Garten unseres Helden einen grünen Rasen hat. Nachbarn hat er wohl keine; der grüne Rasen, fein von Randsteinen eingefasst unterstreicht eine Künstlichkeit dieser Welt. Der Joystick-Killer pendelt zwischen der Einsamkeit am Monitor, der Einsamkeit mit Frau und zwei Kindern und der Einsamkeit im Cabrio mit Wodkaflasche. Um ihn herum Las Vegas, das künstliche Stadtgebilde für die einsamen Spieler an den Joysticks der Einarmigen Banditen.
„Das ist Realität“, sagt Bruce Greenwood in Großaufnahme (Flight – 2012; The Place Beyond the Pines – 2012; Super 8 – 2011; Barney's Version – 2010; Star Trek – 2009), während im Hintergrund stolz die US-Flagge leuchtet. Er spielt Lt. Colonel Jack Johns, Thommys Vorgesetzten, der gerade einer Rotte Neulinge den Unterschied zwischen den Joysticks drüben in der künstlichen Stadt Vegas und den Joysticks hier in dem Krieg ohne Schützengraben erläutert. „Wenn Sie hier feuern, geht jemand drauf. Das sind keine Pixel.“ Andrew Niccols Spiel mit der Nähe bringt uns nah an diesen Aspekt moderner Kriegsführung, von dem wir sonst eher mal in der Zeitung lesen, wenn sie wieder einen hochrangigen Talibanführer drüben in irgendeinem Land, das auf -stan endet, per Dohne weggebombt haben.
Ethan Hawke („Boyhood“ – 2014; Total Recall – 2012; Gesetz der Strasse - Brooklyn's Finest – 2009; „Das Ende – Assault on Precinct 13“ – 2005), soll, stellvertretend für den Zuschauer, die Zweifel in diesem Fadenkreuzkrieg durchspielen – und ist, neben manch plakativen Make-Love-Not-War-Pamphlet-Dialog, die Schwachstelle des Films. Sein Thommy ist mit der blonden January Jones verheiratet (Pakt der Rache – 2011; X-Men: Erste Entscheidung – 2011; Unknown Identity – 2011; „Mad Men“ – TV-Serie ab 2007; Tatsächlich … Liebe – 2003; The Glass House – 2001), die auf den klassischen Filmnamen Molly hört und andauernd in engen, knapp geschnittenen Kleidern um ihn her lächelt und die er trotzdem links liegen lässt. Klare Botschaft an das juvenile Playstation-Publikum: Wer so eine January Jones nicht anpacken will, muss ein Problem haben – manchmal liefert das Bildermedium Kino komplexe Botschaften ganz leicht: Dieser Major Thomas Egan ist die kastrierte Version von Tom Cruises Maverick aus Top Gun (1986).

Dieser Thomas Egan ist frustriert, das machen viele Gesten deutlich; es sind die groben Gesten aus dem TV-Serien-Katalog: einsame Fahrten im Cabrio, Frau-nicht-anfassen-wollen, Wodkaflasche. Was ihn indes frustriert, bleibt unscharf. Er beklagt sich, dass er nicht mehr fliegen darf, er beklagt sich nicht, dass er einen halben Erdball entfernt mutmaßliche Terroristen plus Kollateralschäden tot bombt. Erst, als er per Teleobjektiv an der fernen Drohne wiederholt Zeuge wird, wie ein Turbanträger eine Muslima in deren Vorgarten vergewaltigt, bekommt er Skrupel – denn gegen diesen Buh-Mann bekommt er keinen Abschussbefehl.
Um Egans Dilemma deutlich zu machen, wo es Ethan Hawke mit seinem einen, eher gelangweilten als desillusionierten Gesichtsausdruck sowie seiner geschriebenen Rolle nicht gelingt, wird Airman Vera Suarez eingeführt – eine Latina mit vollen Lippen und sinnlichen Augen, in denen Bewunderung für diesen verwelkten Top Gun glüht. Zoë Kravitz (Die Bestimmung – Divergent – 2014; „After Earth“ – 2013; X-Men: Erste Entscheidung – 2011) spielt sie als den moralischen Kompass des Stücks, der Trost im rechten Augenblick und eindeutige Angebote ins Blaue hinein spendet.
Auch das andere unabdingbare Funktionspersonal ist anwesend: der verständnisvoll zweifelnde Vorgesetzte, um zu zeigen, dass die Air Force kein Haufen kriegslüsterner Haudraufs ist; die zugewandte Ehefrau, um des Protagonisten Dilemma deutlich zu machen; die grob getuschten, röhrenden Dienstgrad-Soldaten, um die Gutherzigkeit des Protagonisten zu unterstreichen; die Wüste um die künstliche Stadt Las Vegas, die die Leere dieser Welt symbolisiert. Solche Funktions-Scharniere gehören in jedes Drama, aber in diesem fallen sie auf, weil lange nicht klar ist, welches Drama eigentlich erzählt wird – es ist ja kein Dokumentarfilm über das Drohnen-Bombing. Und als dann in der letzten halben Stunde Thommys Ehe Risse bekommt und Thommy noch den Turn zu einem Happy End hinbekommt und auch der böse Vergewaltiger im fernen -stan noch seine Hellfire abbekommt, da ist es an Plakativitäten fast zu viel.
Aber ich habe rund 80 Minuten gebannt zugesehen, was es bedeutet, wenn ein für die eigenen Leute sicherer Krieg geführt wird und, was so ein Krieg ohne Feindeinwirkung mit Menschen anrichtet.
Ein spannender Film mit Macken, der besonders deutlich das Dilemma offenbart, in das das System Hollwood sich in Eleganz zerstört. Dieser Film, über dessen Produktionskosten nichts bekannt ist, die ich aber mal frei auf zwischen 10 und 15 Millionen US-Dollar schätzen würde – hat in vier Wochen US-Laufzeit (Start: 15. Mai 2015) 314.500 Dollar eingespielt, weltweit kam seither etwa das Doppelte – 687.500 Dollar – zusammen. Der Film startete sein erstes Wochenende in zwei(!!) Kinos und brachte 17.750 Dollar in die Kassen.
Jurassic World (um zum System Hollywood zu kommen), von dem behauptet wird, er habe um die 150 Millionen US-Dollar gekostet, brachte an seinem Opening Weekend (12. - 14. Juni) in 4.274 US-Kinos 208,8 Millionen US-Dollar in die Kassen. „Good Kill“ erzählt eine Geschichte, Jurassic World variiert einen Plot. In „Good Kill“ werden Menschen aufgrund des erzählten Geschehens verändert. In Jurassic World sind Menschen Funktionsträger – schreiende, gefressen werdende, kämpfende, Opfer seiende whatever Funktionsträger.
Das kann man nicht vergleichen? Doch kann man. Jurassic World ist eine Major Production – bei solchen Filmen schickt Hollywood nur den ersten Sturm aufs Eis, wenn es um Technisches, SFX – Kamera, Design – geht. Bei „Good Kill“ haben sie wettbewerbstaugliche Figuren aufs Eis geholt: Ethan Hawke spielt die Hauptrolle. Ich persönlich halte ihn seit Schnee, der auf Zedern fällt (1999) für eine Schlaftablette, er war aber viermal für den Oscar nominiert – zweimal als Schauspieler („Boyhhood" – 2014; Training Day – 2001), zweimal als Autor („Before Sunset“ – 2004; „Before Midnight“ – 2013) – objektiv gesehen hat der Mann also offenbar Potenzial – mit keinem seiner Filme war er als Schauspieler unter Rang 40 beim Kasseneinspiel.
Regie bei „Good Kill“ führt Andrew Niccol, nominiert für Oscar und Golden Globe (und mit BAFTA und Saturn Award ausgezeichnet) für sein Drehbuch zu Truman Show (1998), beklatscht für seine Regie bei so unterschiedlichen Filmen wie In Time – Deine Zeit läuft ab – 2011; „Lord of War“ – 2005 und Gattaca – 1997. „Good Kill“ wurde in Deutschland nicht im Kino ausgewertet; da würde ihn auch kaum einer sehen wollen. Viel Story, kaum Special Effects und die Explosionen immer nur durch diesen Teleobjektiv-Monitor der Drohne. Das funktioniert nicht mehr, seit Hollywood Dinosaurier, Terminatoren und Transformers zu täuschend echtem Leben gebracht hat.
Das Kino ist auf dem Weg zurück zu seinem Ursprung: zur inhaltslosen Jahrmarktsattraktion. Erzählfilme mit zeitkrischen Bezügen wandern ab ins Pay-TV. Und das lokale Kino überträgt, um finanziell über Wasser zu bleiben, eine Aufführung aus der Metropolitan Opera in New York …