Buchcover: Edgar Franzmann – Der Richter-Code
Da Vinci Code op Kölsch?
Langeweile auf Hochdeutsch!
Titel Der Richter-Code
Autor Edgar Franzmann, Deutschland 2011
Verlag emons Verlag Köln
Ausgabe Taschenbuch, 269 Seiten
Genre Köln Krimi
Inhalt

Georg Rubin, Kölns ehrgeizigster Journalist, erfährt bei den Ermittlungen zu einem Mordfall, dass im Richter-Fenster des Kölner Doms eine verschlüsselte Botschaft versteckt ist. Soll der Dom zerstört werden?

Wer sind die Täter, islamische Fundamentalisten oder christliche Pius-Brüder? Und was liegt wirklich unter dem eingestürzten Stadtarchiv begraben?

Rubin gerät in einen Sumpf von Tod und Korruption, aber er riskiert alles, um den „Richter-Code“ zu entziffern und die finale Katastrophe zu verhindern …

Was zu sagen wäre
Der Richter-Code

Der Klappentext versprach einen herrlichen Plot. So eine Art Da-Vinci-Code op Kölsch. Dan Browns Roman wird sogar freundlicherweise zitiert – weil auch eine der Hauptfiguren glaubt, das klinge ja so wie im Da Vinci Code … „von dem, wie heißt nochmal der Autor?“

„Der Richter-Code“ schafft es nicht einmal indie Nähe des Dan-Brown-Stücks. Vielleicht ist Namedropping der Fluch solcher Regional-Krimis; vielleicht legt der Verlag Wert darauf, dass möglichst oft Straßennamen genannt werden, auf dass die zahlenmäßig überschaubare Leserschaft aus der Region sich wiederfindet. Also läuft Repoprter Georg Rubin dauernd durch Vogelsangerstraße, Lindenthalgürtel, Bayenthal, Zülpicherplatz, Universitätsstraße und so weiter. Regional Krimis sind nur für Leser aus dieser Region, schon klar. Ich bin in Köln geboren und 22 Jahre lang dort aufgewachsen.

Ein Star-Reporter, der zum Jagen und Fragen getragen werden will

Rubin hält sich für einen richtig guten Reporter. Zum Jagen aber muss er getragen werden, die richtigen Fragen muss ihm sein Freund Franck (offenbar eine Figur aus einem Vorgänger-Roman) diktieren, Lösungsansätze seine neue Freundin Sandra bieten. Gleich zu Beginn haut er nach einem mittelmäßig-aufregenden Leichenfund mal ein Extrablatt seiner Boulevardzeitung auf den Markt, aufgrund seiner Verbindungen berichtet das ARD-Morgenmagazin über den Fund und zeigt das Titelbild der Extraausgabe. Sogar die Tagesschau macht die Leiche zum Aufmacher ihrer Frühausgaben (geht's eigentlich auch mal zwei Nummern kleiner? Es handelt sich da schließlich um einen, naja, an Aschermittwoch kurios hergerichteten Leichenfund in der Stadt Köln, nicht um ein Terrorgrab am Niederrhein oder sowas in der Art) und bei all dem fragt sich der Leser dauernd, was Chefreporter Rubin eigentlich die ganze Nacht Großartiges hat schreiben können, womit er zwei Zeitungsseiten damit voll bekommt (okay, inklusive zweifelhafter Fotos), obwohl er der Polizei, die er selbst zum Tatort gerufen hat, keine einzige Frage gestellt hat und selbst auch nichts weiter recherchiert hat, nachdem er die Leiche gefunden hat.

Rubin hat immerhin für jedes Problem die richtigen Freunde, nie kommt er in Verlegenheit – da kommt ein „Karl vom Verfassungsschutz“ mit der richtigen Decoder-Software wie Kai aus der Kiste und hat auch sofort Zeit („ich komme privat“), da weiß eine freundliche Uni-Dozentin gleich Hilfe für eine lateinische Übersetzung. Sein Freund Franck liefert Geld, ganze Penner-Armeen für Beschattungen und den nötigen Rechtsbeistand, weil Georg Rubin bei seinem Chefredakteur aus nicht näher erläuterten Gründen in Ungnade fällt, obwohl er eine Auflagensteigerungs-Story nach der anderen zu zimmern scheint. Ich könnte mich stundenlang so weiter wundern, eine Kläglichkeit neben der anderen Unstimmigkeit aufzählen. Aber warum?

Eine Verschwörung um das Stadtarchiv mit kleiner Münze

Nichts vermag Rubin in Unruhe oder die Story in Spannung zu versetzen. Das gibt aber Autor Franzmann die Gelegenheit, ausschweifend allerlei kölsche Petitessen zu beleuchten und endlich mal all das zu schreiben, was er immer schon mal als Wahrheiten über die Schlechtigkeit des kölschen Klüngels im Allgemeinen und des bösen Oberbürgermeisters Schramma (der hier anders heißt) im Besonderen sagen wollte, aber weder als „Redakteur beim Kölner EXPRESS“, noch als „Chefredakteur des Web-Portals www.koeln.de“) sagen durfte. Schließlich ist ja nichts bewiesen. Da kommt zum Beispiel, nachdem das Stadtarchiv eingestürzt ist, ein Mann zu Rubin, der sich als Bauunternehmer ausgibt, der beim Bau des Stadtarchivs nicht zum Zuge gekommen ist und zugibt, dass auch er bei dem Bieterwettstreit geklüngelt und gemauschelt hätte, aber halt verloren habe – so what. Und dann ergeht er sich in kruden Andeutungen, warum das Stadtarchiv tatsächlich eingestürzt ist: Baumängel, keine effizienten Kontrollen und dergleichen mehr. Einiges konnten wir – in der echten Welt – in den Wochen nach Einsturz des – echten – Stadtarchivs in den Zeitungen und Magazinen lesen, einiges ist tatsächlich verbürgt. Alles andere ist oberflächliches Verschwörungs-Blabla – wogegen überhaupt nichts einzuwenden wäre, würde es denn dann im weiteren Verlauf mit fiktiven Fakten unterfüttert.

Aber so ist das überall im Roman: Alles an der Oberfläche, nie wird etwas vertieft. Selbst die Straßennamen bleiben Namen, nichts weiter. Nichts wird beschrieben. Zum Auftakt des Finales regnet es mal in Strömen – das ist alles. Der Leser wird mit ungaubhaften Figuren in einem unglaubhaften Köln allein gelassen. Rubin lernt eine Frau kennen, schon sind sie ein festes Paar, das sich liebt und zankt, als sei es seit Jahren zusammen. Rubin hört ein Gerücht, schon findet er auf Schritt und Tritt Belege dafür und Verbündete, die ihm weitere Tipps geben. Der Chefredakteur zieht Rubin von dem die Geschichte eröffnenden Mordfall ab und halst ihm eine Hintergrund-Story über die Pius-Bruderschaft auf. Zufall, dass die womöglich in Attentatspläne auf den Dom verstrickt ist? Will der Chefredakteur seinem Chefreporter Recherchemöglichkeiten durch die Hintertür eröffnen? Das wird unter den handelnden Personen breit diskutiert, ist aber offenbar nur ein Kniff des Romanautors, seine Hauptfigur zur Pius-Bruderschaft zu führen. Eine bessere Idee – etwa, dass ein kniffliges Rätsel irgendwann die Pius-Bruderschaft offenbart – fällt dem Autor nicht ein; am Ende hat der Chefredakteur seinen nicht näher bekannten Sohn an die Pius-Bruderschaft verloren.

Ganz selten sticht der Köln-Kenner gekonnt zu

Franzmann setzt seine Story in die Tage rund um den Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Daraus kann er auch einige nette Geheimnisse weben. Hier – und in ganz wenigen weiteren Momenten – merkt und schätzt man den Köln-Kenner Franzmann. Aber dann ist schon wieder Leere. Allein die Momente des Einsturzes und die Vorbereitung auf den finalen Terrorakt und dessen Vereitelung (Spoileralarm, ich weiß, aber hat jemand geglaubt, im Roman flöge der Dom in die Luft?) würden beim herbeizitierten Dan Brown jeweils etwa 100 Seiten umfassen. Franzmann lässt das Stadtarchiv auf insgesamt einer Seite einstürzen und liefert dann noch ein bisschen Panik hintendran. Und der Schlussakkord ..? Ich will nichts verraten und ohnehin lieber den Mantel des Schweigens darüber breiten. Die Raffinesse im Aufbau jedenfalls erinnert schwer an ARD-Degeto-Schmonzetten am Freitagabend – mit dem Unterschied, dass die wenigstens einer Liebesgeschichte verschiedene Stufen zubilligt. Nicht mal das schafft „Der Richter-Code“.

Das sehr schön aufgemachte Buch (schickes Coverfoto, edle Broschur) weckt hohe Erwartungen und endet als herbe Enttäuschung

Habe ich zum 50. Geburtstag von Freundin Petra geschenkt bekommen – die níchts für die Qualität des Buches kann oder dafür, dass es mir nicht gefällt – und im Zeitraum 7. bis 8. Oktober 2011 gelesen.