Der Ort: eine Minenkolonie des Weyland-Yutani-Konzerns auf dem Planeten Jackson’s Star. Hier arbeitet die Waise Rain in Lohnsklaverei. Ihr Begleiter ist der Androide Andy, der von ihrem Vater als Ersatzbruder programmiert wurde, um sich um sie zu kümmern. Rains Ex-Freund Tyler plant, aus der Kolonie zum nächstgelegenen Planeten Yvaga zu flüchten. Da die Reise neun Jahre dauert, bittet er Rain und Andy um Hilfe, Kryostase-Kapseln aus einem verlassenen Raumschiff zu stehlen, das sich in einer Umlaufbahn um Jackson’s Star befindet.
Zusammen mit Tylers schwangerer Schwester Kay, seinem Cousin Bjorn und Bjorns Adoptivschwester und Pilotin Navarro brechen sie mit dem kleinen Raumschiff Corbelan auf. Es stellt sich heraus, dass das vermeintlich verlassene Raumschiff eine Raumstation ist, die in 36 Stunden mit den Ringen des Planeten kollidieren wird.
Auf der gigantischen Raumstation wird ihnen schnell klar, dass es einen Grund hat, dass keine Menschen mehr zugegen sind. Die junge Gruppe macht Bekanntschaft mit einer lebensbedrohlichen Kreatur, dem Face Hugger …
Vielleicht wäre es einfacher gewesen, die Hauptfiguren im Cryo-Schlaf einzuführen, sie dann durch einen Alarm aufzuwecken – und dann die Monster loszulassen. So wie im Original Alien von 1979. Wenn schon ein versuchter Reboot dieses legendären Horror-SciFi-Franchises, dann vielleicht bis in alle Verästelungen.
"Alien: Romulus" beginnt aber auf einem Schrottplaneten in einer Schrottumgebung mit null Sonnentagen, beherrscht von einem gesichtslosen Konzern, der seine Mitarbeiter ausbeutet, bis die irgendwann tot umfallen. Bis hierhin entspricht das den Kulissen aus Dystopien, die das Kino in den späten 1980er Jahren produzierte.
Wir lernen Rain kennen, eine junge Frau, die gerade eine Frist maximaler Arbeitsstunden erreicht hat, damit auf ihre Entlassung aus der Fron hofft und dann erfährt, dass der gesichtslose Konzern die Zahl der maximal zu leistenden Arbeitsstunden eben verdoppelt hat. Wir erfahren nicht, was das für maximale Arbeitsstunden sind, warum da ein Konzern über Lebensjahre anderer Menschen entscheiden kann. Denn diese ganze lebensfremde Umgebung ist in der Dramaturgie nichts weiter als eine Allegorie auf heranwachsende Teenager, die sich immer noch von ihren – lebensfremden – Eltern sagen lassen müssen, wann sie abends zu Hause zu sein haben. Denn "Alien: Romulus" zielt auf die Zielgruppe Next Generation, schlagwortartig bekannt als Millennials und Gen Z.
Neben Rain gibt es weitere unangepasste Menschen auf diesem Planeten, die irgendwie nicht der Kontrolle des gesichtslosen Konzerns unterliegen, ein eigenes kleines Raumschiff haben und von einem besseren Leben jenseits des alles bestimmenden Konzerns träumen. Was heutzutage der Eskapismus junger Abiturienten im spanischen Lorette de Mar ist, ist in diesem Film das Planetensystem Yvaga. Hierhin zieht es die unverstandenen Teenager, die im Film mindestens Mittzwanziger sind. Aber dort werden sie nie ankommen – wir befinden uns immer noch im Universum der Aliens.
Die Ausgangssituation ist nervtötend umständlich konstruiert. Ridley Scott hat 1979 in seinem Original mit wenigen Drehbuchsätzen und klugem Gesichts-Casting lauter Individuen geschaffen, um deren jeweiliges Schicksal es uns im Kinosessel bangte. Heute hingegen werden, während ich noch zu rekapitulieren versuche, wer nun wessen Schwester und wer der dazugehörige Cousin ist und wer mal mit wem liiert war, die ersten Figuren schon gefressen, aufgespießt oder befruchtet; zu unterscheiden nur durch ihre fein austarierte Herkunft von allen fünf Kontinenten. Das erzeugt eine erzählerische Unschärfe, die dem eingeführten Franchise, das von scharf konturierten Stereotypen lebt, zuwider läuft.
Niemand der Millennials oder aus der Gen Z kennt heute noch Ellen Ripley oder den Androiden Bishop; und wenn, dann können sie mit den alten Gesichtern, die der Generation ihrer Eltern gehören könnten, nichts mehr anfangen. Aber Film ist eine Industrie, es muss wirtschaftlich weiter gehen. Die Warner Bros. Studios setzen gerade die Harry Potter-Geschichten, mit denen Joanne K. Rowling in den 1990er Jahren Erfolge auf dem Buchmarkt feierte, neu auf, diesmal aber als Serie für ihren Streaming-Kanal; offenbar kann man der heutigen Jugend mit den Kinofilmen, in denen Daniel Radcliffe die Titelfigur spielte, nicht mehr kommen. Von der neuen Serie darf man dann im Bewegtbild keine neuen, künstlerischen Erkenntnisse mehr erhoffen. Aber die Kids bekommen – wahrscheinlich jedenfalls – eine krachneue, auf der Höhe der Zeit getrickste Fantasyserie mit frischen Gesichtern serviert, bestenfalls sieben Staffeln lang, jede Staffel deckt ein Buch ab. Und das Filmstudio generiert ordentlich Einnahmen. Bestenfalls.
Nicht anders ist das beim Alien-Franchise, außer, dass es hierfür keine Romanvorlage gibt, die man neu ausschlachten könnte. Da müssen dann ein paar Krücken her, um den jeweils aktuellen Film in den Kanon der Alien-Serie einzureihen. Regisseur Fede Alvarez beruft sich für seinen aktuellen Film auf Entwürfe, die in den frühen Filmen von Ridley Scott, 1979, und von James Cameron, 1986, keine Berücksichtigung gefunden hätten – was man halt so sagt für die Pressemappe eines Films, der Bestandteil eines längst epochalen Kinouniversums werden soll, wenn man keine Idee für etwas Eigenes hat. Die Dialoge sind von berückender Schlichtheit: „Da ist was im Wasser!“ „Was meinst du mit Da ist was im Wasser?“ „Keine Ahnung, da ist irgendwas im Scheiß Wasser!“ Tatsächlich hat Alvarez sich ein paar dünne Erzählstränge ausgedacht, in die er gekonnt den guten alten Face-Hugger-Chestburster-Horror integriert und entwickelt – sogar Ian Holm aus dem Originalfilm hat er vier Jahre nach dessen Tod digital wiederbelebt. Immerhin löst er nach 45 Jahren die Frage auf – Stichwort: Säure statt Blut – warum eigentlich keines der Raumschiffe aus den vorherigen Filmen im Vakuum des Alls mal geplatzt ist, wenn doch jedes Mal ein Alien Säureblut verloren hat. Offenbar, so suggeriert der neue Film, lässt die Stärke der Säure außerhalb des Alienkörpers rasch nach, was zwar der Theorie widerspricht, dass wir es hier mit dem „perfekten Organismus“ zu tun haben, dessen Blut deswegen wie Säure funktioniert, weil es sich dann jeder potenzielle Feind dreimal überlegt, das Alien invasiv anzugreifen. Aber das basiert dann natürlich auch nur auf der Rechthaberei eines Menschen, der sich noch an den Schrecken erinnert, den er selbst 1979 im Sessel des Kölner UfA-Kinos wehrlos durchlitten hat, als er Ridley Scotts Original zum ersten Mal sah.
Anders herum wird im modernen Franchise-Kino, in dem über Social Media sowieso immer schon alle alles wissen, ein Schuh draus: Was Fede Alvarez mit dem Säure-statt-Blut-Thema und den in Weltraumthrillern immer wieder gerne genutzten Schwerkraft-keine-Schwerkraft-Wechseln anstellt, sorgt für ein paar ordentliche Nägelbeißer-Szenen im Kinosessel.
Alvarez hat sich bei dem Besten aus den zwei Originalwelten von Ridley Scott und James Cameron bedient, berührt dem Franchise entsprechend sexuelle Konnotationen, hier die ungewollte Schwangerschaft und sexueller Missbrauch durch eine fremde Rasse; er webt historische Alien-Zitate – zum Teil wortwörtlich – für die ältere Zuschauergeneration ein und dirigiert einen insgesamt ordentlich grünstichigen Vertreter des Franchise.
Weitere Fortsetzungen versprechen der Jugend mehr Schocks als den Alten, die das alles schon mal gesehen und durchlitten haben.
Die Alien-Saga im Kino
- Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (Bundesstart: 25.10.1979)
- Aliens – Die Rückkehr (Bundesstart: 13.11.1986)
- Alien 3 (Bundesstart: 3.9.1992)
- Alien – Die Wiedergeburt (Bundesstart: 27.11.1997)
- Prometheus – Dunkle Zeichen (Bundesstart: 9.8.2012)
- Alien – Covenant (Bundesstart: 18.5.2017)
- Alien: Romulus (Bundesstart: 15.8.2024)