IMDB

Plakatmotiv: Ri$iko – Der schnellste Weg zum Reichtum (2000)

Das Porträt des American Dream 2000
scheitert an einer falschen Hauptfigur

Titel Ri$iko – Der schnellste Weg zum Reichtum
(Boiler Room)
Drehbuch Ben Younger
Regie Ben Younger, USA 2000
Darsteller

Giovanni Ribisi, Vin Diesel, Nia Long, Nicky Katt, Scott Caan, Ron Rifkin, Jamie Kennedy, Taylor Nichols, Bill Sage, Tom Everett Scott, Ben Affleck, John Griesemer, David Younger, Herbert Russell, Mark Webber, Christopher Fitzgerald, Donna Mitchell, André Vippolis u.a.

Genre Krimi, Drama
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
18. Mai 2000
Inhalt

Erfolg haben heißt, viel Geld zu scheffeln. Auch Seth Davis grübelt, wie er es zum Millionär bringen könnte. Das College hat der clevere Student schon längst geschmissen und das illegale Casino, das er betreibt, ist auch nicht unbedingt ein dauerhaftes Zukunftsmodell.

Als der smarte Börsenmakler Jim ihm die Chance bietet, als Trainee beim Broker J.T. Marlin einzusteigen, scheint alles perfekt. Aber die Welt hinter der glitzernden Fassade des Reichtums ist eine andere, als es bei einem Blick auf die schöne Oberfläche scheint. Denn bei J.T. Marlin geht es nicht immer mit rechten Dingen zu.

Schnell wird auch Seth in die Machenschaften des Unternehmens hineingezogen, weil er eine rasante Karriere startet. Aber schon bald muss er sich entscheiden, was mehr zählt: die eigene Integrität oder das große, schnelle Geld …

Was zu sagen wäre

Was Aktienhändler mit geölten Haaren und teure Anzügen anrichten können, erleben wir gerade live, nachdem im März die Dotcom-Blase geplatzt ist und jede Menge Kleinanleger um ihre Ersparnisse gebracht hat. Darin unterscheiden sie sich von Brokern mit geölten Haaren und teuren Anzügen aus den 80er Jahren, die in Oliver Stones Wall Street (1987) nur die Mitarbeiter aufgekaufter Firmen in die Arbeitslosigkeit trieben, ihren Anlegern aber satte Gewinne ermöglichten.

Der vorliegende Film ist kein Film zu den Folgen der Dotcom-Blase. Er hat nur einen glücklichen Starttermin, in Deutschland jedenfalls, wo das Thema noch regelmäßig die Schlagzeilen füllt. In den USA ist er schon im Januar auf dem Sundance Festival zu sehen gewesen und seit Mitte Februar regulär in den Kinos. "Boiler Room", wie er im Original heißt, ist eher inspiriert durch den schillernden Wall-Street-Betrüger Jordan Belfort, der Ende der 80er (etwa zu der Zeit, als Wall Street für Furore sorgte) mit unlauteren Tricks millionenschwer wurde und dabei jede menge Anleger ins Unglück stürzte. Der Film ist keine Biografie, aber wie Jordan Belfort will auch Seth Davis möglichst schnell sehr reich werden, am besten, ohne dafür in einem richtigen Job arbeiten zu müssen. Ähnlich wie Belfort beweist auch Seth sein Verkaufstalent in einer kleinen Brokerfirma in New Jersey, die mit betrügerischen Mitteln vom Telefon aus arbeitet. Der Rest ist frei formulierendes Drehbuch.

Als "Boiler Room" wird der Platz, häufig ein Callcenter bezeichnet, von dem aus Leute versuchen, Anleger zu dubiosen Anlagestrategien zu überreden. Es geht da heiß her. Die Chefs protzen mit ihren Autos, putzen ineffiziente Broker runter während die Newcomer ununterbrochne am Telefon Kleinanleger mit allen rhetorischen Tricks zu Kaufabschlüssen bewegen müssen; ein Großraum, in dem alle durcheinander quatschen und der oberste Boss am ende sehr reich nach Hause geht. Plakatmotiv (US): Boiler Room (2000) Seth erweist sich als Naturtalent. Nachdem er das College geschmissen hat, weil die Jobs, die er mit einem Abschluss hätte kriegen können, keine Millionen erwarten ließen, hat er in seinem Wohnzimmer ein Casino eröffnet, in dem die Kinder aus der Nachbarschaft in den Schulpausen ihr Taschengeld verzocken. Der Laden läuft rund, bringt ihm aber den Zorn seines Vaters ein, einem noblen Bundesrichter, der vor allem Angst hat, dass sein eigener Ruf unter den Taten des Jungen leiden könnte. Also wechselt Seth ins Brokergeschäft, um mit hohen Gewinnen das Herz seines Vaters für sich gewinnen.

Die Vater-Sohn-Beziehung ist das zentrale Thema dieses Films. Alles was Seth tut, tut er, um endlich die Liebe seines Vaters zu erringen, die er eigentlich längst hat, nur ist der Vater – wie so viele Väter in amerikanischen Filmen und anderswo auf der Welt – nicht in der Lage, sie zu zeigen. Dass allerdings der Sohn eines ehrbaren Richters seinen Vater ausgerechnet mit betrügerischem Aktienhandel für sich gewinnen will, ist die Schwachstelle des Films. Seths strenger Vater, den Ron Rifkin mit dem Gestus des verzweifelten Melancholikers spielt (Verhandlungssache – 1998; L.A. Confidential – 1997; Wolf – Das Tier im Manne – 1994; "Manhattan Murder Mystery" – 1993; "Ehemänner und Ehefrauen" – 1992; Tote Bienen singen nicht – 1969), deutet mit Nichts an, dass er von Reichtum zu beeindrucken sei, schon gar nicht von solchem durch Betrug. Aber sein so nach der Liebe des Vaters dürstende Sohn lässt nichts unversucht, diese Liebe eben genau durch solchen betrügerischen Reichtum zu erringen. Das macht den Jungen nicht zu einem Sympathieträger, auch nicht mehr, als er in der letzten halben Stunde versucht, wenigstens einige seiner Fehler wieder gut zu machen. Allerdings hat er da schon das FBI im Nacken und wirkt, wie ein übler Schulhofrowdie, der vom strengen Direktor im Sandkasten beim Förmchenklau erwischt worden ist. So ambivalent diese Rolle, so falsch ist sie mit Giovanni Ribisi besetzt, der hier nach vielen Neben-, Klein- und Kleinstrollen seine erste große Hauptrolle spielt (The Virgin Suicides – 1999; Mod Squad – 1999; Der Soldat James Ryan – 1998; Postman – 1997; Lost Highway – 1997; That Thing You Do! – 1996). Unerheblich, ob Ribisi einfach kein Sympathiträgergesicht hat, oder ob er seinen schlüpfrigen, weinerlichen, skrupellosen, naiven Betrüger einfach sehr perfekt spielt – er dringt nicht zu mir im Kinosessel durch, sein Charakter geht mir auf die Nerven, ist mir schlimmstenfalls egal. Da ist Vin Diesel (Pitch Black – Planet der Finsternis – 2000; Der Soldat James Ryan – 1998) als aalglatter Betrüger der Schurke im Stück, der am Ende sein Herz entdeckt, die interessantere Figur.

"Ri$iko" wirft ein Schlaglicht auf üble Praktiken gerissener Broker und zeigt, wie diese mit der latenten Gier von Häuslebauer und neidischen Ärzten spekulieren. Denn zum Betrug im Aktienhandel gehören immer zwei: neben dem Verkäufer eben auch einen, der sich von einer anonymen Stimme am Telefon in einen Deal verwickeln lässt, der schon morgen „die Ausbildung Ihrer Kinder finanziert“.

Dass die selbsternannten Masters of the Universe, die in den oberen Etagen der Wall Street um Milliarden zocken und mit ihrer Gier ganze Volkswirtschaften in die Knie zwingen können, ist nur die eine Seite der kapitalistischen Welt, aufgezeigt in Oliver Stones epochalem Film. Die andere Seite ist diese heimliche Gier der Kleinsparer und Mittelständler, es schneller und besser hinzubekommen als die Nachbarn, die solchen Aktienirrsinn, wie im vorliegenden Film gezeigt, erst möglich macht. "Boiler Room" ist in seinen besseren Momenten ein bissiges Gesellschaftsporträt über den American Dream 2000.

Wertung: 4 von 11 D-Mark
IMDB