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Plakatmotiv: Rampage – Capital Punishment

Uwe Boll findet für seine
epochale Wut keine Bilder

Titel Rampage – Capital Punishment
(Rampage: Capital Punishment)
Drehbuch Uwe Boll + Brendan Fletcher
Regie Uwe Boll, Kanada, Deutschland 2014
Darsteller
Brendan Fletcher, Lochlyn Munro, Mike Dopud, Michaela Mann, Bruce Blain, John Sampson, Nathan Lehfeldt, Uwe Boll, Matt Frewer, Sheldon Trosko, Dan Zachary u.a.
Genre Action
Filmlänge 93 Minuten
Deutschlandstart
26. September 2014 (DVD-Premiere)
Inhalt

Drei Jahre nach dem Amoklauf in einer Kleinstadt sind die Behörden weiterhin auf der Suche nach dem Schützen Bill Williamson. Der verbreitet online über Clips und Videos sein radikales Weltbild und findet viele Befürworter.

Nun ist die Zeit reif für einen neuen Paukenschlag: Ausgestattet mit automatischen Waffen, richtet Bill in einem lokalen TV-Sender ein Blutbad an und verbarrikadiert sich samt Geiseln im Keller. Dass dies nur der Auftakt von Bills perfidem Plan war, kann die Polizei nur ahnen.

Eins ist allerdings glasklar: Für seine Ansichten ist Bill sowohl bereit zu töten – als auch zu sterben …

Was zu sagen wäre

Und, äh, wäre es nicht angebracht, eine Partei zu gründen, wenn sie das System verändern möchten?“, fragt der waffenbedrohte Moderator vor der Live-Kamera den Geisel nehmenden Amokläufer und der hält dagegen, was denn das bringen könnte; Julian Asasange, Edward Snowden seien die wahren Kämpfer für die Freiheitsrechte der Menschen, aber die würden von der Regierung als Verräter gejagt. „Nein, es gibt keine Lösung“, sagt der Terrorist vor laufender Kamera, hält seine automatische Waffe ins Bild, „außer dieser hier.“ Man möchte Uwe Boll so gerne Applaus klatschen. Ich möchte ihn gerne bewundern für den Weg, den Oliver Stone mit seiner Wut lange verlassen hat, den Boll aber unbeirrt weiter geht.

Aber Uwe Boll ist eben nicht ein zweiter Oliver Stone. Der deutsche Low-Budget-Regisseur, der von Kanada aus versucht, den Filmmarkt zu erobern, macht Kino mit den falschen Mitteln. Er will Kino machen, das eine Botschaft an die Massen sendet, ein Wehrt-Euch-Steht-Auf. Aber seine Form ist dann die Radioansprache, über die jemand ein paar wacklige Newsfootage-Bilder gelegt hat.

Boll ist wütend. Das war schon beim ersten Teil dieser … Rampage-Serie zu erkennen. Boll, der vom Mainstream missachtete Filmemacher lässt seinen Helden Bill gegen das Establishment wettern, gegen die Reichen, die Regierungen besitzen, gegen eine „Gedanken kontrollierende Diktatur unter dem Deckmantel der Demokratie“, gegen Billigjobs, ausgegeben von Großkonzernen, gegen George Bush und Barrack Obama, die auf Geheiß der Vanderbilds, Rockefellers, der Ölindustrie und des Militärs Kriege gegen Iran und Afghanistan anzetteln und in Guantanamo missliebige Besserwisser verschwinden lassen.

Bei einigem von dem, gegen das Boll da seinen Protagonisten zetern lässt, könnte man ja durchaus mit wettern. Ich möcht dem Mann, der sich im Film-Establishment nie durchsetzen – oder wenigstens: einrichten – konnte, obwohl er mehr Herzblut hat, als viele der kommerziell abgebrühten Pixel-Koordinatoren, die sich als Lohnsklaven auf Regiestühlen von Großproduktionen durchschlagen, durchaus zustimmen. Nur kämpft Boll nicht mit den Mitteln des Kinos. Er macht Radio.

Die wütende Anklage, die hinter Bills Motivation für seinen Rachefeldzug steht, inszeniert Boll in einer unendlich langen Wutrede Bills in die Kamera; dazu gibt es die erwähnten TV-Bilder aus dem Weißen Haus, dem UNO-Sicherheitsrat und von Flugzeugträgern. Die innere Motivation Bills, des Protagonisten, irgendeine Form von Drama erleben wir nicht. Der Amokläufer hält ein paar Geiseln und wer will, kann sich im Kinosessel um diese sorgen, aber die sind genauso egal, wie Bill. Genauso achtlos auf die Leinwand komponiert, wie der Amokläufer.

Es fehlt jede Form der Empathie für irgendjemanden auf der Leinwand. Aber ohne die geht es nicht. Ohne die gleitet der Zuschauer durch eine Bilderflut, bei der mal die, mal das, mal jenes Bedeutung erhascht – die schließlich zum Politpamphlet einer Agitprop zusammenschnurrt. In einer Szene sieht man Uwe Boll, der sich hier selbst als Chef einer lokalen Fernsehstation inszeniert, am Schreibtisch sitzen. Er guckt sich das Anklage-Video des Amokläufers an, welches seinem Sender gerade durch Zuschauerquote Millionen von Dollar einbringt, und stellt fest: „Der Typ ist der Hammer. Dem müsste man eine eigene Talkshow geben!

Diesen Wahnsinn hat ganz ähnlich, nur cinematographisch klüger, Sidney Lumet schon vor 38 Jahren in Network erzählt. Auch er ließ einen TV-Sender Terroristen vor die Kamera stellen, die für Quote sorgen sollten. Bei Lumet war die beißende Satire als sinnstiftendes Element erkennbar, sie brachte dem Zuschauer Erkenntnis, weil dahinter lebendige Menschen mit eigenem Leben standen. Bei Boll sind keine authentischen Menschen zu sehen und statt beißendem Sarkasmus – und trotz gewisser Zustände, die kritisches Nachfragen erfordern – nur unkreative Wut und (bei ihm durch die Filmindustrie ausgelöster) beleidigter Zorn zu erkennen.

Es steht zu befürchten, dass der Filmregisseur Uwe Boll tatsächlich glaubt, mit solch blassen Mitteln mitreißendes, magnetisches Kino machen zu können. Seine bisherigen Filme deuten das zumindest an (Schwerter des Königs – Die letzte Mission – 2014; Operation Olympus – White House Taken – 2013; Assault on Wall Street – 2013; Schwerter des Königs – Zwei Welten – 2011; "Auschwitz" – 2011; "Darfur" – 2009; Rampage – 2009; "Far Cry" – 2008; Postal – 2007; "BloodRayne" – 2005; "Alone in the Dark" – 2005; "Das erste Semester" – 1997; "Barschel – Mord in Genf" – 1993; "German Fried Movie" – 1992).

Es steht zu befürchten, dass er tatsächlich glaubt, eine gesellschaftspolitische Anklage wirksam allein über Klischeebilder und Algemeinplätze verkaufen zu können. Die Ironie ist: Die Populisten, die in Ungarn, Frankreich, Polen, der Tschechei gerade nach der Macht greifen, bestätigen durch ihre Erfolge gerade die Wirkmacht der Boll'schen Art der Vereinfachung. In Osteuropa hat Boll mit seinen Filmen am meisten Erfolg. Redet er da am Ende einfach Populisten nach dem Mund, motzen seine Protagonisten nur gegen kapitalistische Hegemonie und den imperialistischen Westen, um in osteuropäischen Ländern bessere Geschäfte machen zu können? Dann ist Boll nicht besser, als die System-Gremlins, die er anklagt.

Dann ist Uwe Boll einfach nur zynisch. Oliver Stones Filme waren nie einfach nur zynisch. Darin steckt der Unterschied zwischen Wut und wütender Kunst.

Wertung: 1 von 8 €uro
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