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Plakatmotiv: Der Rausch (2020)

Ein Abgesang auf den Vollsuff. Eine
Ode an den gelegentlichen Rausch.

Titel Der Rausch
(Druk)
Drehbuch Thomas Vinterberg & Tobias Lindholm
Regie Thomas Vinterberg, Dän., Schw., Ned. 2020
Darsteller
Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Magnus Millang, Lars Ranthe, Maria Bonnevie, Helene Reingaard Neumann, Susse Wold, Magnus Sjørup, Silas Cornelius Van, Albert Rudbeck Lindhardt, Martin Greis-Rosenthal, Frederik Winther Rasmussen, Aksel Vedsegaard, Aya Grann, Gustav Sigurth Jeppesen, Freja Bella Lindahl, Mercedes Claro Schelin, Cassius Aasav Browning u.a.
Genre Drama
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
22. Juli 2021
Inhalt

Martin ist Lehrer an einer Schule. Er fühlt sich alt und müde. Seine Schüler und ihre Eltern wollen, dass er gekündigt wird, weil sie mit der Qualität seines Unterrichts nicht zufrieden sind. Ermutigt durch eine Promille-Theorie stürzen sich Martin und seine drei Kollegen Tommy, Nikolaj und Peter in ein Experiment: Sie wollen durch Alkoholkonsum ihren Blutalkoholwert im Alltag konstant bei 0,5 Promille halten.

Das Ergebnis ist am Anfang positiv. Martin hat wieder Spaß am Unterrichten und die Beziehung zu seiner Frau Trine entflammt wieder. Doch die negativen Auswirkungen lassen nicht lange auf sich warten …

Was zu sagen wäre

Männer in der Midlife-Crisis. In einer Gesellschaft, in der Erfolgsdruck alles überwiegt. Martin, der Lehrer dringt zu seinen Schülern, die mit ihren Smartphones beschäftigt sind, nicht mehr durch. Die Eltern der Schüler befürchten wegen des müden Unterrichts schlechte Abschlussnoten, die den Kindern den Übertritt auf die Universität versauen. Seine Frau sagt „Du bist nicht mehr der Martin von früher“ und geht dann in ihre Nachtschicht. Man erfährt nicht, was ihre Arbeit ist, außer, dass sie meistens in der Nacht stattfindet. Martin, der Lehrer, der Ehemann, der Vater, braucht dringend einen Impuls in seinem Leben.

Der Impuls kommt in Form einer These eines norwegischen Psychiaters, wonach der Mensch 0,5 Promille Blutalkohol zu wenig hat. Er und seine drei besten Freunde, auch Lehrer, beschließen also, künftig unter Dauerstrom zu leben. Das klappt auch wunderbar. Sie können ihrer Schüler wieder mitreißen, der Sex daheim funktioniert. Der Leistungsdruck ist vom Alkohol ausgeblendet.

Thomas Vinterberg ("Die Jagd" – 2012; Das Fest – 1998) hat kein Hohelied auf den Alkoholismus geschrieben. Zu den schönen, erfolgreichen Momenten gesellen sich bald Bilder von vier volltrunkenen Männern, die auf der Suche nach frischem Dorsch im Supermarkt durch die Gänge torkeln. Die ins Bett pinkeln, vom Alkohol nicht mehr loskommen oder ihre Ehe ruinieren. Vinterberg schreibt gegen den Vollsuff und plädiert für den gelegentlichen Rausch. Dabei bleibt er mit der Kamera eng bei seinen Protagonisten. Die wenigen ratlosen oder entsetzten Reaktionen von Familie, Nachbarn, Kollegen, die Vinterberg zeigt, erleben wir aus der Perspektive der Trinker, die sich bei niemandem rechtfertigen, die aber auch niemand in ihr Experiment eingeweiht haben. Zwar schreiben sie ein sogenanntes wissenschaftliches Tagebuch. Eine echte Kontrollinstanz, die das Experiment und die Probanden beaufsichtigt, gibt es nicht. Und so haben wir Zuschauer auch keine Fluchtmöglichkeit. Als Martin an einem Punkt das Experiment für sich beenden will, sind wir ihm fast dankbar. Aber dann greift er doch wieder zum Glas.

Mads Mikkelsen (Star Wars: Rogue One – 2016; Doctor Strange – 2016; "Die Jagd" – 2012; Die drei Musketiere – 2011; Kampf der Titanen – 2010; James Bond 007: Casino Royale – 2006; "Adams Äpfel" – 2005) spielt den Martin als müden Mann, der unter Alkoholeinfluss sein altes Ich aufblitzen lässt, das seine Schüler begeistern konnte und seine Frau in seine Arme trieb – Charme, Esprit, jungenhafte Leidenschaft. Aber dann zusehends den Melancholiker, dem alles aus den Händen gleitet. Mikkelsen spielt auch den betrunkenen Martin nüchtern. In den Proben zum Film neigten die Darsteller dazu, tatsächlich Alkohol zu trinken. Vinterberg verbot daraufhin das Trinken am Filmset. Stattdessen studierten die Darsteller russische YouTube-Videos von Marathon-Trinkgelagen.

"Der Rausch" ist ein ungemütlicher Film, weil sich die Zuschauer in den Figuren wiederfinden, auch in deren Alkoholismus. Er ist aber auch ungemütlich, weil er sich Zeit mit seinem Drama lässt. Ruhige Einstellungen aus der Handkamera beherrschen den Film. Es wird viel gesprochen, später viel getrunken. Da wäre man im Kinosessel bei mancher sich dehnender Szene gerne schon zehn Minuten weiter.

"Der Rausch" versaut einem das Bier im Anschluss an den Kinobesuch nicht. Aber er lässt es uns mit mehr Beachtung bestellen.

Wertung: 5 von 8 €uro
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