Nur Fliegen ist schöner … hieß es früher. Heutzutage ist ein einfacher Flug von A nach B jedoch eher ein Hindernislauf als ein luxuriöses Dahintreibenlassen. Nachdem man das Einchecken, die Sicherheitsschleuse und eine längere Wartezeit im Zubringerbus hinter sich gebracht hat, sitzt man endlich auf seinem Platz im Flugzeug – Ellbogen an Ellbogen mit wildfremden Menschen.
Wenn man dann noch versucht, den Sitz zurückzuklappen, freut sich zumindest der Hintermann: über den Tomatensaft, der vom Klapptisch rutscht und auf seine Hose tropft.
Thomas Hermanns erzählt von seinen Erlebnissen beim Fliegen, vom Ticketkauf bis zum verlorenen Koffer. Gleichzeitig gibt er Tipps, wie man im oft hektischen Flugverkehr die Ruhe behält, damit man in der Luft nicht in die Luft geht.
aus dem Klappentext
Endlich schreibt es mal einer. Schließlich werden täglich hunderttausende Menschen mit staatlicher Erlaubnis ihrer Würde beraubt. Aber die große, weltumspannende Empörung bleibt aus. Immer dann, wenn Menschen ein Passagierflugzeug besteigen wollen, müssen sie sich vor aller Welt halb ausziehen, sich von schlecht gelaunten, wahlweise unfreundlichen Menschen betatschen lassen, um dann im Flugzeug selbst, wie ein überflüssiges Gepäckstück behandelt zu werden – meine Erfahrung, nicht die von Thomas Hermanns.
Aber Hermanns hat offenbar ganz ähnliche Erfahrungen und, weil er ein bekannter Comedian aus dem Fernsehen ist ("Quatsch Comedy Club"), diese Erfahrungen in einem Buch mit Verkaufsabsichten aufzuschreiben. Wenigstens einer von uns Geschröpften und wie Labormäuse gehaltenen Flugpassagiere macht seine Qual zu Geld. Die Ausgabe, die ich in der Hand halte, gehört zur schon dritten Auflage. Hermanns arbeitet sich an allen ab, auch an den Passagieren, die, kaum dass sie das Flugzeug betreten, vergessen, dass sie lesen können und sich also wortreich unter Ausbremsen aller Menschen hinter ihnen, erklären lassen, wo ihr Sitz ist. Das auf Reihe 1 Reihe 2 folgt, auch dieser Umstand ist solchen Menschen vielleicht nicht bekannt. Es sei hilfreich, das Alphabet zu beherrschen und die Zahlenlogik, schreibt jedenfalls Hermanns. Das mache es einfacher, seinen Platz im Flugzeug zu finden: „Ein Wunder. Die Kraft der Zahlen. Ordnung, System – ein Wahnsinn, was der Mensch geschafft hat.“
Hermanns geht, was nahe liegt, systematisch vor, beginnt seine Auslassungen mit dem Reise zusammenstellen am heimischen Computer mit anschließender Buchung einer Billig-Airline und kommt zu Schluss, man solle es lieber lassen, es koste nur Zeit und Nerven: „Rufen Sie ein Reisebüro Ihrer Wahl an, am besten das kleine niedliche um die Ecke, wo freundliche Menschen den ganzen Tag unter Postern von Angkor Wat oder den Seychellen sitzen müssen, ohne je da gewesen zu sein. Und dann sagen Sie 'Einmal Frankfurt – New York bitte, die billigste Möglichkeit!' Und legen auf. Und gehen dann mit dem Hund raus oder rufen Ihre Mutter mal wieder an. Leben Sie!“
Am Flughafen wundert er sich über Mäanderbänder, um wartende Reisende zu sortieren, wenn keine Reisenden da sind, übers Boarding, das nie pünktlich beginnt, wo sich erstaunliche viele Menschen schon früh in eine Warteschlange stellen, um als Erste an ihrem fest reservierten Sitzplatz zu sein. Der Comedian fordert eine ehrlichere Bezeichnung der "Economy Class", die nur "Business Class"-Nutzer – und ich – als „Holzklasse“ bezeichnen. Für ihn nämlich ist die "Economy Class" ein Euphemismus, den sich „ein fieser Marketingmann“ erfunden hat: „Mein Vorschlag: 'Citizen Class'. Dann spürten wir vielleicht auch mehr, wer im Flugzeug eigentlich das Sagen hat, nämlich die Bürgerklasse, die auch zahlenmäßig in der Maschine überwiegt. Das wäre dann, auch vom Namen her, Demokratie in der Luft. Da aber die Airlines überwiegend von den Businessfliegern leben, ist die Economy Class wirtschaftlich gesehen nur ein Zubrot, ein Auffüllen der Maschine, die mit nur zehn Reihen Business Class vielleicht auch etwas albern aussehen würde. Deshalb fühlt man sich hier vielleicht so oft als menschliches Gepäck. Weil man es eigentlich auch ist.“
Hermanns outet sich als Vielflieger, kennt sich aus in "Economy" und Business Class", die gar nicht so viel entspannter sei, als die "Economy", manchmal driftet er ab und erträumt sich das Leben in der First Class mit Champagner, Live Shows und Film mit Orchesterbegleitung und alle Stewardessen sehen aus wie Bond-Girls. Sein natürlicher Feind sind die "Senatoren", so heißen bei der Lufthansa die Vielflieger mit ganz viel Flugmeilen: „Die Herren Menschen schaffen es immer, in jedes Flugzeug einen hauch von Plantage reinzubringen. Sie scheuchen alle rum und halten sich nur mühsam an die Regeln.“ Außerdem telefonieren sie gerne und laut. Ihre weibliche Entsprechung sind die "Madämmchen": „Anscheinend können besonders Stöckelschuhe die Rutsche (nach einer Notlandung, die Red.) beschädigen, und dann geht die Luft raus. Deshalb mein Tipp: Wenn Sie bei einer Notlandung im Wasser ein Madämmchen aus der Business Class vor sich haben sollten – einfach wegschubsen! Die vergisst bestimmt, die High Heels auszuziehen, und außerdem war die Security-Show nicht auf Russisch. Und bevor Sie wegen einer Prada-Pute über eine durch sie in Deflation befindliche Rutsche ins Nichts gleiten, retten Sie lieber zuerst sich und dann mitreisende geistige Kinder in Couture“ –, also Das-steht-mir-zu-Vielflieger mit der sozialen Kompetenz einer Gottesanbeterin.
Beschwingt und mit guter Laune erzählt sich Hermanns durch 205 Buchseiten nd hat mit all seinen Beobachtungen recht. Ob er die Flugbegleiter/innen nach Gesichtsausdruck, ausgeglichenem oder unausgeglichenem Sexualleben und zu viel oder gar kein Make Up kategorisiert, oder anmerkt, dass alle Piloten aller Fluglinien in aller Welt gleich klingen. Sie reden bei ihren Ansagen in zerhackten Sätzen, machen willkürliche Sprechpausen („Guten _ Tag, sehr geehrte _ Damen __ und Herren…“) und haben einen tiefen Bass: „Ich frage mich oft, ob Piloten gemeinsame Seminare für Stimmtraining machen. Aber dann würden sie ja deutlich sprechen. Oder ob sie bei der Bewerbung etwas vorlesen müssen, vielleicht Werbeslogans für Zigaretten oder Whisky, damit man herausfindet, ob sie dieses tiefe, sonore, typische Piloten-Timbre haben. Vielleicht wird das auch auf Musikhochschulen beigebracht – Saal 1: Koloratursopran, Saal 2: Piloten-Timbre. Oder es liegt an den Lautsprechern im Flugzeug, die aus jedem gesprochenen Satz aus dem Cockpit eine sonore Versprechung machen.“
An der ein oder anderen Stelle, denke ich, müssten der ein oder die andere Fluggesellschaftsverantwortliche schamrot im Boden versinken. Aber dann fällt mir auf, dass die die Abläufe an Bord – und die Flughafenbetreiber die Zustände in ihren Flughäfen – ja genau so zurecht gespart haben und also eher applaudieren werden, mit welch feiner Klinge und wie genau Hermanns die entwürdigenden Zustände rund um eine Flugreise seziert.
Normalerweise sind das keine Bücher, die ich freiwillig lese, aber ich hatte einen langen Tag in meinem Ruderverein, an dem ich Gästen, die unseren großen Saal gemietet hatte, nur ab und zu ein Getränk aus unserer Bar über die Theke reichen musste. Da musste ich viel Zeit totschlagen und da stand dieses Buch im Regal, das schon im Titel klar macht, dass es mich intellektuell nicht allzu groß beanspruchen wird. Ich habe mehrmals gelacht, also habe ich's daheim zu Ende gelesen.
Ich habe "Das Tomatensaft-Mysterium" zwischen dem 31. Mai und 2. Juni 2025 gelesen.
Der Autor:
Thomas Hermanns ist Showmacher und Experte für Popkultur. Er erfand den "Quatsch Comedy Club", moderiert die gleichnamige TV-Show und zahlreiche große TV- und Live-Events. er ist unter anderem Gewinner der Goldenen Kamera und bekam bisher dreimal den Deutschen Comedy Preis verliehen. 2009 erschien sein erstes Buch "für immer d.i.s.c.o." und das gleichnamige Hörbuch.