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Plakatmotiv: Ein Richter sieht rot (1983)

Ein dann doch
banaler Thriller

Titel Ein Richter sieht rot
(The Star Chamber)
Drehbuch Roderick Taylor & Peter Hyams
Regie Peter Hyams, USA 1983
Darsteller
Michael Douglas, Hal Holbrook, Yaphet Kotto, Sharon Gless, James Sikking, Joe Regalbuto, Don Calfa, John DiSanti, Otis Day, Jack Kehoe, Larry Hankin, Dick Anthony Williams, Margie Impert, Dana Gladstone, David Proval, Robin Gammell, Matthew Faison, Fred McCarren u.a.
Genre Krimi, Drama
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
25. November 1983
Inhalt

Stephen Hardin ist ein junger, idealistischer Richter. Es frustriert ihn, dass er wegen juristischen Verfahrensfehlern immer wieder Verbrecher laufen lassen muss, die ganz offensichtlich schuldig sind.

Das spürt auch sein Mentor Ben Caufield, der Stephen in eine Geheimorganisation von Richtern einweiht, die genau solche Kriminelle durch Auftragskiller ihre gerechte Strafe erfahren lassen. Hardin hadert zunächst noch mit seinem Gewissen, aber dann bekommt er den Vorsitz in einem Fall von Kinderschändung …

Was zu sagen wäre

Die moderne Gesellschaft zwischen Recht und Rache. Wo endet die Gerechtigkeit und beginnt das Gesetz? Der Film setzt sich vordergründig mit dem Thema Selbstjustiz in einer Welt der frei drehenden Jurisprudenz auseinander. Plakatmotiv: Ein Richter sieht rot (1983) Überführte Kinderschänder und Mörder müssen auf freien Fuß gesetzt werden, weil die Polizei bei der Festnahme den Inhalt der Mülltonne des Festgenommenen zu früh durchsucht hat – damit habe sie das Recht auf Privatsphäre verletzt, die gefundene Pistole im Müll sei daher juristisch nicht verwertbar.

Zwei solcher absurden Fälle liefert der Film seiner Hauptfigur zu Beginn und beide Fälle beziehen sich auf tatsächliche Rechtsprechungen in den USA. Wir im Kinosessel sind genau so verstört wie Richter Hardin in seinem Richterstuhl, als er die Freisprüche verfügt. Und weil der deutsche Filmtitel auf den alten, umstrittenen Charles Bronson Klassiker Ein Mann sieht rot (1974) anspielt, ahnen wir auch schon, was nun in etwa passiert. Der Originaltitel des Films, "The Star Chamber", lässt seinen US-amerikanischen Zuschauern vielleicht etwas länger Rätsel.

Richter Hardin wird nun Mitglied einer Gruppe verschwiegener Richter, die in ihren Gerichtssälen mit ähnlichen, moralisch fragwürdigen Rechtsfällen konfrontiert waren. Jetzt gehen sie in düster ausgeleuchteter Holzvertäfelung andere fragwürdige Urteile durch und schicken den moralisch zu Unrecht freigekommenen Angeklagten Killer auf den Hals. Die in dieser Runde zitierten Fälle sind, soweit ich das nachverfolgen konnte, anders als die beiden ersten Fälle, grotesk herbei konstruiert, um beim Zuschauer, ähnlich wie beim Protagonisten, ordentlich Zorn auf eine liberale Rechtsprechung zu schüren. Die Richter klagen über diese Gesetzgebung, bei der sich „jeder den für ihn passenden Präzedenzfall heraus suchen“ könne, um jede Strafverfolgung per Gesetz unmöglich zu machen. Dass die aktuelle Gesetzgebung in den USA vielleicht eine Reaktion auf frühere massive Übergriffe bei der Strafverfolgung mit Verurteilungen um jeden Preis ist, wird nicht angesprochen.

Statt dessen führt das Drehbuch einen fleißigen, weil einsamen Cop ein, der eines Tages einen Autodieb schnappt. Der macht gegen das Versprechen auf einen Deal eine entscheidende Aussage. An deren Ende steht die Erkenntnis, dass Richter Hardin zwei vermeintliche Kinderschänder (der zweite der oben erwähnten Fälle vor seinem Richterstuhl) zu recht laufen lassen musste – die waren es nämlich nicht. Allerdings – hier wird das persönliche Dilemma des Richters zwischen Gesetz und Gerechtigkeit beschrieben – sitzt diesen beiden nun ein Killer im Nacken, den die holzvertäfelten Richter auf Antrag Hardins gerade los geschickt haben.Plakatmotiv (US): The Star Chamber (1983) Jetzt schlägt das schlechte Gewissen des guten Richters Hardin Purzelbäume, dem schon diese verschworene Richterrunde nicht wirklich geheuer ist, und verkommt das eingangs mit interessanten Aspekten versehene Justizdrama zu einem ganz durchschnittlichen Actionthriller.

Dabei sind die Actionszenen sehenswert. Eine Autojagd durch ein Parkhaus, eine Verfolgung durch ein labyrinthisches Fabrikgebäude oder eine zu Fuß durch die Vorgärten der runtergekommenen Stadtteile drücken ordentlich in den Sessel. Das unausgegorene Drehbuch indes bremst das Tempo. Michael Douglas (Das China-Syndrom – 1979; Coma – 1978), der Freude an ambivalenten Typen hat, spielt Richter Hardin als aufrechten Streiter für das Gesetz, dessen blonde, stets verständnisvoll zugewandte Ehefrau und zwei vermutlich wohl geratene Jungs, die aber ununterbrochen Computerspiele spielen, auf eine gesunde amerikanische Verwurzelung deuten. Der Held lässt sich von der dunklen Seite Macht verführen, aber nur, bis er erkennt, dass der ultimative Ruf nach Gerechtigkeit in einem blindwütigen Auge um Auge endet. Daraus erfolgt nun kein dramatischer Konflikt unter den doch an sich wortgewaltigen verschworenen Juristen. Statt dessen löst sich alles in einer 08/15-Dramaturgie auf, die wir aus seligen Straßen-von San-Francisco-Zeiten kennen.

Auf der gänzlich dunklen Seite, der des gnadenlosen Verbrechens, sieht der Film eine farbliche Hierarchie. Die ganz Bösen sind die Farbigen. Die beiden nur vermeintlichen Kinderschänder sehen zwar aus, wie wild gewordene Irre, haben aber helle Hautfarbe und machen sich dann also nur des Handels mit chemischen Drogen in großem Stil schuldig. Als wahre Kinderschänder erweisen sich dann „drei schwarze Kerle“, die alsbald mit diesmal unwiderlegbaren Beweisen angeklagt werden. Auch der fleißige Cop, der dem Ganzen auf die Schliche kommt, führt kein Familienleben, darf nicht einmal wenigstens geschieden sein; er hatte von vorne herein nie eine Liebesbeziehung. „Ich habe keine Frau. Ich weiß auch, dass ich nicht so gut aussehe, dass ich schnell Freunde gewinne. Ich arbeite immer, weil ich nichts anderes habe.“ Gespielt wird dieser einsame, in der Gesellschaft entwurzelte Cop von dem farbigen Schauspieler Yaphet Kotto (Brubaker – 1980; Alien: Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt – 1979; James Bond – Leben und sterben lassen – 1973; Thomas Crown ist nicht zu fassen – 1968).

Regisseur Peter Hyams hat zwei beeindruckende Thriller in seiner Regie-Vita: Unternehmen Capricorn (1977) und Outland – Planet der Verdammten (1981). Die ließen einen Kreativen aufblitzen, der alte Konzepte mit neuen Ideen würzt und daraus etwas Eigenes gestaltet. "Ein Richter sieht rot" lässt vermuten, dass die Kreativität abseits fulminanter Actionsequenzen schon verflossen ist.

Wertung: 3 von 9 D-Mark
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