Im Sommerurlaub, wenige Tage vor ihrem 17. Geburtstag, schläft Isabelle das erste Mal mit einem Jungen. Für viele Mädchen ein großes Ereignis, lässt sie diese Nacht jedoch völlig kalt. Dennoch erkennt sie die Möglichkeiten, die der Austausch körperlicher Zärtlichkeiten ihr bietet.
Mit Beginn des Schuljahres verabredet sie sich mit meist älteren Männern, die sie für Sex bezahlen. 300 Euro pro Nacht lassen es sich die Männer kosten. Während Isabelle an immer mehr Geld kommt, ahnen weder Eltern noch Freunde etwas von ihrem Doppelleben. Nach einem tragischen Zwischenfall kann sie ihr Geheimnis jedoch nicht mehr verbergen und ihre Nachmittagsbeschäftigung fliegt auf.
Da Isabelle selbst nicht dazu Stellung bezieht, sondern beharrlich schweigt, ergeht sich ihre Mutter vornehmlich in Selbstvorwürfen …
Der Weg in ein Leben, das als erwachsen bezeichnet wird, ist lang und steinig. Manchmal gibt es einen Orgasmus. Man kann ihn als Gleichaltriger begleiten, man kann als Erwachsener auf die eigene Zeit der Findung zurückblicken. Schaut man aber auf die Jugend von heute, versteht man kein Wort. Das macht sie so faszinierend. Das macht François Ozons Film so faszinierend. Eigentlich versteht man dieses Mädchen nicht. Soll man auch nicht.
Isabelle stammt aus wohlhabender Familie, es fehlt ihr an nichts. Sie ist jung und schön, die Jungs stehen ohnehin Schlange. Isabelle langweilt sich fürchterlich. Wofür soll sie auch kämpfen? Was soll sie suchen, wo sie doch alles hat? Sie springt auf den ersten Reiz, der sich ihr bietet, der verboten wirkt und als da was furchtbar schief läuft, weiß sie nicht damit umzugehen, weiß nicht, was sie fühlen soll – und geht einfach. Am Ende ist sie so allein wie am Anfang, ihrer Umgebung allerdings ist sie fremd geworden.
Marine Vacth ist wunderbar. Glaubwürdig. Schön. Abwesend; umtüllt von diesem Schleier nervtötender Beliebigkeit, mit der die heutigen Twens in die Welt blicken – mach ich das nicht heute, mache ich das da vielleicht morgen, mal seh‘n. Vacth spielt das groß. Das Unerklärliche wird bei ihr zum Geheimnis.
Es wird einfacher, weil François Ozon hinter der Kamera steht, der große Erfinder der neuen französischen Frau, der es liebt, schönen Frauen dabei zuzusehen, wie sie schöne Dinge tun (Das Schmuckstück – 2010; Swimming Pool – 2003; 8 Frauen – 2002). Es gibt Männer in diesem Film, da möchte man sich an Isabelles Statt abwenden vor Ekel; gleichzeitig will ich dem Mädchen zusehen, wie es diese Typen meistert, will ich sehen, wie kurz ihre Lippen beben, wenn sie feststellt, dass der Kunde ein halbes Jahrtausend älter ist als sie. Es gibt die anderen Männer in diesem Film, da verstehe ich Isabelles Langeweile. Männer kommen nicht gut weg bei François Ozon; Frauen auch nicht, Mütter vor allem nicht.
Ein Mädchen auf der Suche nach einem Sinn in einer leeren Welt voller bunter Aufreger-Placebos, zwischen coolem Drüberstehen und ratlosem Hinnehmen, in einem voyeuristischen Film.
Aber jeder Film ist voyeuristisch. Das ist das Wesen des Films. Wir dürfen gucken. Wir sollen sogar gucken; und dann rätselnd, kopfschüttelnd mit mehr Fragen nach Hause gehen als wir mitgebracht haben ins Kino. Große Kunst à la française