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Plakatmotiv: Der Glöckner von Notre Dame (1956)

Technicolor-Drama auf Sparflamme
mit beeindruckenden Kulissen

Titel Der Glöckner von Notre Dame
(Notre-Dame de Paris)
Drehbuch Jean Aurenche & Jacques Prévert
nach dem gleichnamigen Roman von Victor Hugo
Regie Jean Delannoy, Frankreich, Italien 1956
Darsteller

Gina Lollobrigida, Anthony Quinn, Jean Danet, Alain Cuny, Robert Hirsch, Danielle Dumont, Philippe Clay, Maurice Sarfati, Jean Tissier, Valentine Tessier, Jacques Hilling, Jacques Dufilho, Roger Blin, Marianne Oswald, Roland Bailly, Piéral, Camille Guérini, Damia u.a.

Genre Drama
Filmlänge 105 Minuten
Deutschlandstart
22. Februar 1957
Inhalt

Das Volk von Paris feiert Fastnacht. Zu dem ausgelassenen Treiben auf dem Platz vor Notre Dame gesellt sich auch die schöne Zigeunerin Esmeralda.
Übermütig schlägt sie vor, den buckligen Glöckner Quasimodo zum Narrenkönig zu machen: In einem Triumphzug wird Quasimodo durch Paris getragen, bis der Erzdiakon und Alchimist Claude Frollo, Quasimodos Herr und Beschützer, dem Trubel ein abruptes Ende bereitet. Ohne es sich eingestehen zu wollen, begehrt Frollo die heißblütige Esmeralda. Doch er weiß, dass er bei der schönen Frau, der alle Männer Paris' zu Füßen liegen, keine Chance hat und verdrängt seine Begierde, die er nicht mit seinem geistlichen Leben vereinbaren kann.

Um Esmeralda trotzdem zu besitzen, befiehlt er schließlich seinem Schützling Quasimodo, sie gewaltsam zu ihm zu bringen. Doch Quasimodos Entführungsversuch schlägt fehl, Esmeralda wird von dem galanten Capitaine Phoebus de Chateaupers gerettet, in den die Zigeunerin sich prompt verliebt.

Quasimodo hingegen wird an den Pranger gestellt, wo er hilflos dem Spott der Menge ausgesetzt ist. Esmeralda ist die Einzige, die sich schließlich des Ärmsten erbarmt. Mit ihrem Mitleid gewinnt sie das Herz des missgestalteten Glöckners.

Als Esmeralda aufgrund einer Intrige der Hexerei bezichtigt und zum Tode verurteilt wird, ist es nicht etwa ihr pragmatischer Liebhaber Phoebus, der sie rettet, sondern der bucklige Quasimodo. Er entführt Esmeralda in den Turm von Notre Dame und kämpft mit aller Kraft um das Leben seiner Geliebten …

Was zu sagen wäre

Ein Klassiker der Literatur wird zum dritten Mal verfilmt. Und zum ersten Mal in Farbe. Victor Hugos "Der Glöckner von Notre Dame" war 1923 von Wallace Worsley mit Lon Chaney senior als Glöckner sowie 1939 von William Dieterle mit Charles Laughton als Glöckner verfilmt worden. Beide Regisseure hatten sich aber nicht sklavisch an die Vorlage gehalten und auch die Produzenten dieser Verfilmung hatten das nicht vor. sie wollten es sich nämlich nicht mit der katholischen Kirche und den Gläubigen verscherzen, denn wie Hugo die willfährige Aufhebung des Kirchenasyls beschreibt, oder wie der Erzdiakon der Notre Dame de Paris seine Libido nicht im Zaum halten kann und eine Tragödie auslöst, ist nichts für die Mächtigen der Kirche.

Jean Delannoy, Regisseur dieser dritten Verfilmung, setzte sich durch. Sein Figurentableau ist einigermaßen nah an der Romanvorlage, hat für Frollo und Hauptmann Phoebus kein gutes Wort, für Kirche und König schon gar nicht und feiert das Leben der Ausgestoßenen, Unterdrückten und Verzweifelten. Plakatmotiv: Der Glöckner von Notre Dame (1956) Eine Handlung kristallisiert sich erst spät im Film. Stattdessen feiert der Film in Cinemascope und Technicolor die Schönheiten der Gosse rund um die Kathedrale nach dem Motto "Und sind die Bettler noch so arm, Gelegenheit für ein großes Fest mit ordentlich Fleisch und Obst gibt es allemal. Die menschen leben auf der Straße, sind arm, haben aber immer einen Spaß auf den Lippen und nehmen sich am Narrentag, an dem die Geschichte beginnt, alle Freiheiten. Im Justizpalast soll ein Theaterstück aufgeführt werden, was aber der zerfuhren Langeweile der Zuschauer zum Opfer fällt. Esmeralda, die schöne Zigeunerin taucht auf und tanzt – nicht sonderlich feurig aber doch anmutig – Frollo, der schwarz gewandete Priester, Diakon und Alchimist schaut begierig.

Und zwischendrin taucht auch mal die Titelfigur auf und Anthony Quinn ist als Glöckner Quasimodo eine beeindruckend verwachsene, hässliche Erscheinung ("Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft" – 1956; Die Fahrten des Odysseus – 1954; La Strada – Das Lied der Straße – 1954). Das Glockengeläut hat ihn gehörlos gemacht, sprechen kann er nur mit Mühe, mit seinem Buckel kann er nicht aufrecht gehen. In der Romanvorlage heißt es, die Menschen liebten den „Gesang“ seiner Glocken, verachteten aber den Mensch. Auch im Film wird er vom Volk, selbst den Ausgestoßenen ausgelacht und gefürchtet, aber dann verschwindet er wieder in seiner Kirche und das Leben in den Gassen geht weiter. Dass sich bei seinem jüngsten besuch dort auch Quasimodo sofort in die schöne Esmeralda verliebt hat, hat zunächst keine Folgen.

Stattdessen verfolgen wir die Zigeunerin, die sich ihrer zahlreichen Verehrer elegant zu entziehen weiß, den Intrigen Frollos und dem Charme des Hauptmanns der Stadtwache aber schließlich erliegt, was ihr Verderben bedeutet. Gina Lollobrigida (Trapez – 1956; Fanfan, der Husar – 1952) muss nicht viel tun. Als "feurige Zigeunerin" trägt sie ein knallrotes, weit ausgeschnittenes Kleid, ist stark geschminkt, leidet ebenso leidenschaftlich wie sie liebt und machte auf die Kinogänger des Premierenjahres 1956 und auf die armen Kerle in den Gassen um Notre Dame gehörig Eindruck.

Der Film lässt sich viel Zeit mit Nebensächlichkeiten, die nichts für die Handlung tun, aber das Milieu, in dem wir uns befinden, beschreiben. Das ist durchaus im Geiste Victor Hugos, der in den Mittelpunkt seines Romans, der im französischen Original schlicht "Notre Dame de Paris" heißt, die aufwändig geschilderte Kathedrale selbst stellte. Die Figuren, so wirkt es, sollen der detailreichen Beschreibung nur ein wenig Leben einhauchen. In der vorliegenden Verfilmung ist das ähnlich. Plakatmotiv (DDR): Der Glöckner von Notre Dame (1956) Was Frollo antreibt, der von König Ludwig XI. wegen seiner alchimistischen Fähigkeiten geschätzt wird, bleibt unklar. Letztlich ist er einfach geil auf die Zigeunerin. Ebenso der eitle Hauptmann, dessen Charme ein öliger, dessen Ehre eine verlogene ist. Und Quasimodo, der Titelheld? In gewisser Weise ist auch er geil auf sie, ist nach einsamen Jahren im Glockenturm geblendet von ihrer Schönheit. Aber er hintergeht sie nicht.

In Esmeralda und Quasimodo bildet sich eine Schicksalsgemeinschaft zweier körperlich Herausgeforderter, die von der Normgesellschaft wegen ihres Aussehens gejagt werden. Der bucklige Glöckner mit der Warze auf dem Auge wird für sein Erscheinungsbild ausgelacht und für seine Kraft gefürchtet. Die feurige Tänzerin wird wegen ihres Aussehens zum Freiwild für die Edlen Herren und wegen ihrer eleganten Verweigerung (im Film wird die Frage nicht gestellt; im Buch verteidigt sie ihre Jungfräulichkeit, weil sie fürchtet, andernfalls ihre vermisste Mutter nicht zu finden) gehasst und deshalb an den Galgen gebracht.

Darin besteht schließlich das Drama der Erzählung, das zusammen mit der verlogenen, korrupten Priesterschaft und dem unheimlich durch Gebälk turnenden Glöckner im Jahr 1831, in dem das Buch erstmals erschien, sicher großen Eindruck gemacht hat und auch noch 1956, als dieser Film erschien. Als ich den Film Mitte der 1970er Jahre als Teenager im Fernsehen sehe, bin ich beeindruckt von den Kulissen, aus denen der mächtige Bau der Kathedrale immer wieder hervorbricht, aber die grotesk überschminkte Gina Lollobrigida und die seifigen, lüsternen Kirchen- und Hauptmänner berühren mich mehr akademisch als emotional. Lediglich Quasimodo, der Glöckner, gewinnt mein Mitgefühl, weil ich nicht verstehen kann, dass die tanzenden Gaukler und Bettler ihn so gnadenlos ablehnen. Obwohl er letztlich doch einer der ihren ist, genauso ausgestoßen von der herrschenden Klasse, wie sie selbst.

Wertung: 4 von 7 D-Mark
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